Katharina Wolf
Es ist geschafft: Trotz Widerständen einigte sich die EU-Kommission auf ein neues, verschärftes Klimaschutzziel. Um 55 Prozent soll der Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 im Vergleich mit 1990 sinken. „Das ist ein historischer Beschluss“, sagt Patrick Graichen, Direktor der Berliner Denkfabrik Agora Energiewende gestern bei einer Analyse. „Denn die Anstrengungen, die nötig sind, um dieses Ziel zu erreichen, werden substanzielle Änderungen mit sich bringen.“ In den kommenden zehn Jahren müssten so viele Emissionen eingespart werden wie in den 30 Jahren zuvor.
Agora Energiewende geht davon aus, dass nun zunächst der Fokus auf der Dekarbonisierung des Stromsektors liegt. „Alles Studien stimmen darin überein, dass dies der effizienteste Weg ist“, so Graichen. Das bedeute: Raus aus der Kohle, so schnell wie möglich. „Auch die EU-Kommission geht in verschiedenen Szenarien davon aus, dass der Stromsektor mit rund 70 Prozent am meisten Emissionen einsparen kann.“ Nur noch zwei Prozent des Stromes würden nach dem wahrscheinlichsten Szenario noch aus Kohle stammen. Aber auch der Gebäudesektor und der Verkehr müssten ihren Beitrag leisten.
2021 wird das Ziel eine verbindliche Norm für die EU-Mitglieder
Zu erwarten sei nun, dass im Laufe des Jahres 2021 dieses Ziel in ein verbindliche Norm umgesetzt wird, die die Mitgliedsländer befolgen müssen. Welche Instrumente im einzelnen von der Kommission entwickelt werden, sei noch nicht klar, so Graichen. So sei eine Ausweitung des Emissionshandels auf weitere Bereiche ebenso denkbar wie einen zusätzlichen Handel für Verkehr und Wärme einzuführen oder die Umsetzung der Reduktionsziele in den nicht vom Emissionshandel betroffenen Sektoren den Mitgliedsstaaten zu überlassen.
Doch wie auch immer die EU-Kommission sich entscheidet - das neue Klimaschutzziel hat auch Auswirkungen auf Deutschland. „Wir müssen unser eigenes Ziel auf -65 Prozent bis 32030 erhöhen“, sagt Graichen. „Das bedeutet einen Kohleausstieg bis 2030 und einen Anteil der Erneuerbaren bei der Stromerzeugung von 70 Prozent bei steigendem Stromverbrauch.“
Deutschland braucht schnelleren Ausbau der Erneuerbaren
Die Ausbauziele, die in der aktuellen EEG-Reform geplant sind, würden dazu bei weitem nicht ausreichen: „Wir brauchen pro Jahr einen Zubau von 10 GW Photovoltaik, 5 GW Wind onshore und 2 GW Wind offshore, um diese Strommenge zu erzeugen“, betonte Graichen. damit decken sich die Berechnungen von Agora Energiewende mit denen des Bundesverbades Erneuerbare Energien (BEE).
Doch auch abseits der Stromerzeugung müsse einiges passieren, so Graichen. Weitere Schlüsselelemente bis 2030 seien:
- der Einstieg in die grüne Stahlproduktion und die Wasserstoffwirtschaft,
- eine Quote von 80 Prozent E-Autos bei der Neuzulassung (14 Millionen Fahrzeuge)
- die Steigerung der Wärmepumpenproduktionskapazität um das drei bis vierfache (6 Millionen Wärmepumpen),
- die Steigerung der Sanierungsrate im Gebäudebestand auf 1,6 Prozent.
„Deutschland braucht ein Klimaschutz-Sofortprogramm, das alle Sektoren in den Blick nimmt. Am besten noch 2021, spätestens aber nach der Bundestagswahl“, forderte Patrick Graichen.
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