21 Klagen gegen die erst zum Jahreswechsel wirksam gewordenen neuen Windkraftpotenzialflächen in den Regionalplänen sind beim Oberverwaltungsgericht Schleswig inzwischen eingegangen. Im Juni hatte der Ministerpräsident des traditionellen Windenergielandes, Daniel Günther, bereits den Eingang von elf Normenkontrollverfahren festgestellt. Die Klagen stammen gemäß Aussage des Gerichts allesamt von Windkraftbefürwortern und Windkraftunternehmen und richten sich gegen die in ihren Augen ungerechtfertigte Vorgabe von Mindestabständen neuer Windturbinen von Siedlungen sowie gegen den Ausschluss von geeigneten Windflächen aus der Windkraftnutzung. Und es könnten noch mehr Klagen werden, da die einjährige Klagefrist gegen die neuen Regionalpläne Wind erst Ende 2021 abschließt.
Wie die regionale Tageszeitung Kieler Nachrichten schon Mitte vergangener Woche berichtete, hat der Landesverband des Windenergiebranchenorganisation, der BWE Schleswig-Holstein, Verständnis für die Klagen gezeigt: „Wir haben im Planungsprozess bereits erhebliche juristische Zweifel geäußert“, zitieren die Kieler Nachrichten den BWE-Landesgeschäftsführer Horst Leithoff. Die Ausweisung der Mindestabstände von Windenergieanlagen zu Siedlungen aus Gründen von Lärmschutz oder auch des Schutzes der Anwohner vor einer bedrückenden Wirkung durch die hohen Bauwerke sei willkürlich erfolgt und damit juristisch angreifbar . Strengere Regeln seien zudem aus politischen Gründen und nicht aus fachlichen Gründen eingeführt worden.
Tatsächlich gehen die neuen Regionalpläne Wind von 1.000 Metern Abstand neuer Windenergieanlagen von Siedlungen aus. Die nun ausgewiesenen 344 Vorranggebiete nehmen eine Gesamtfläche von 32.000 Hektar ein, was zwei Prozent der Landesfläche entspricht und damit der von Windenergiebranche und inzwischen auch führenden politischen Bundesparteien einmütig geforderten Ausweisungsrate für die Windkraft an Land. Die Flächen schließen rund 2.100 der knapp 3.100 im Land stehenden, teilweise sehr alten Windenergieanlagen ein. Während die Turbinen auf den Potenzialflächen sich irgendwann mittels Repowering durch neue, leistungsfähigere und effizientere Windturbinen ersetzen lassen, besteht für die nicht eingeschlossenen Turbinen lediglich ein Bestandsschutz bis zu ihrem Abbau nach Ende ihrer technischen Laufzeit. Schon vor der Verabschiedung des schließlich dritten Planentwurfs hatte die Landesregierung einer Koalition aus CDU, FDP und Grünen einen Mindestabstand für neue Windparkprojekte zu Siedlungen von 1.000 Metern beschlossen, der allerdings nicht für Repowering-Projekte gilt. 2.300 Hektar hatten die Regionalplaner aus dem bisherigen Potenzialflächenkatalog herausgenommen, dafür 3.300 Hektar an neuen Flächen hinzugenommen. Die neuen Potenzialflächen sollen es dem Land ermöglichen, sein politisches Ziel eines Ausbaus der Windkraft an Land bis 2025 auf zehn Gigawatt (GW) zu erreichen. Zu der bereits ins Netz einspeisenden Erzeugungskapazität von 6,9 GW müssten daher jedes Jahr nach Abzug rückgebauter Leistung rund 600 Megawatt (MW) netto hinzukommen. Im ersten Halbjahr 2021 hatten die Genehmigungsbehörden grünes Licht für Windparkprojekte mit zusammen immerhin 400 MW gegeben.
Allerdings waren 2015 die Potenzialflächen für Windenergie der Regionalpläne durch eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Schleswig außer Kraft getreten. Der Windkraftausbau war daraufhin durch ein von der Landesregierung verhängtes und fortgesetztes, insgesamt fünfjähriges Moratorium lahmgelegt. Erst 2020 hatte der Windenergieausbau im nördlichsten Bundesland wieder begonnen, wobei 122 MW neu hinzugekommen waren, die Windenergieunternehmen aber auch 50 MW durch Abbau von Altanlagen wieder vom Netz genommen hatten, also nur 72 MW Nettozubau übrigblieben. Neugenehmigungen gab es im Gesamtjahr 2020 für zunächst nur 165 MW.
Die Landesregierung gibt sich allerdings überzeugt, dass eine Situation wie in den vergangenen fünf Jahren keineswegs droht und die Windkraftpotenzialflächen durch die neuen Klagen nicht bedroht sind. 2022 oder 2023 steht eine Evaluation der ausgewiesenen Potenzialflächen an, wie Ministerpräsident Daniel Günther bereits bestätigt hat.
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