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Solarbranche zwischen Boom und Bottlenecks

In der Photovoltaik trifft derzeit eine stetig wachsende Nachfrage auf unsichere Lieferketten. Nicht nur der ohnehin schon gut laufende Markt für kleine Dachanlagen nimmt weiter Fahrt auf, weil immer mehr Hauseigentümer auf die Energie- und Klimakrise mit einer eigenen Solaranlage reagieren. Auch die Energieversorger und großen Planer errichten immer mehr Solarparks im Multimegawattbereich – inzwischen immer mehr ohne Förderung. Sogar die Gewerbebetriebe fragen immer öfter nach einer Photovoltaikanlage, um sich gegen die derzeitigen und künftigen Energiepreissteigerungen zu wappnen. Gleichzeitig sieht es aber eng aus auf dem Markt für die Komponenten.

Nachfrageschub führt zu Wartezeiten
Das Interesse an Solaranlagen sei nicht zuletzt aufgrund des Angriffskrieges gegen die Ukraine und der Angst vor stark steigenden Energiepreisen bei Eigenheimbesitzer:innen zuletzt nochmals deutlich gestiegen, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Solarverbands BSW Solar, gegenüber ERNEUERBARE ENERGIEN: „Es liegt in der Natur der Sache, dass ein derart plötzlicher und unerwarteter Nachfrageschub leider nicht immer sofort abgearbeitet werden kann und teils zu längeren Wartezeiten führt.“ Der besondere Kostendruck der letzten Jahre habe verschärfend dazu beigetragen, dass Lagerhaltungen von PV-Komponenten in der PV-Wertschöpfungskette oft auf das notwendige Minimum reduziert wurden, so der Verbandschef: „Eine Verknappung bei bestimmten elektronischen Bauteilen, die zuvor teils massenhaft verfügbares ‚Schüttgut‘ waren, war zudem unter dem Eindruck der Corona-Pandemie für unsere Branche nicht absehbar.“ Er betont, anders als bei fossilen Energieträgern gebe es in der Solarwirtschaft jedoch keine grundsätzliche Rohstoffknappheit. „Wie auch in anderen Wachstumsmärkten liegt die Herausforderung darin, zum einen alle Produktionskapazitäten flexibel genug an einen global stark expandierenden, durch externe Verwerfungen aber zuweilen auch sehr volatilen Markt anzupassen.“

Material- und Containerknappheit
Patrik Danz, CSO IBC Solar, erklärt dazu, alle Branchen, sei es Automotive, Chemie oder Maschinenbau, stünden vor großen Herausforderungen bei den Lieferketten. Bei der Energieerzeugung komme hinzu, dass die Wetterextreme und der Krieg gegen die Ukraine auch den Letzten klargemacht haben, dass es höchste Zeit für den Wechsel auf Grünstromerzeugung ist. „Hinzu kommen Faktoren wie die anhaltende Covid-19-Pandemie, Material- und Containerknappheit sowie die Belastung der Transportnetzwerke und allgemeine Preissteigerungen. Das alles gilt es sauber zu managen und zum Kunden hin zuverlässige und sichere Versorgung mit den gewünschten Produkten zu gewährleisten. Bislang gelingt uns das ganz gut“, so Danz. „Als erfahrener Lösungsanbieter und PV-Spezialist haben wir schon viele Herausforderung des Marktes gemeistert.“ Ein globales Netzwerk an Lieferanten und Logistikern erweise sich in diesen Zeiten mehr denn je als eine sichere Bank.
Um das Handelsgeschäft möglichst reibungslos und verlässlich bewerkstelligen zu können, habe IBC Solar rechtzeitig Maßnahmen ergriffen. So wurden nicht nur das Personal erheblich aufgestockt, sondern auch die geplanten Bestellmengen bereits massiv erhöht. „Ebenso haben wir unser Portfolio um weitere Lieferanten ergänzt sowie mit vielen Logistikdienstleistern feste Kontingente zur schnellen Lieferung vereinbart“, erklärt Danz.
Doch was muss passieren, damit Lieferengpässe künftig die Energiewende nicht weiter ausbremsen können? Das oberste Gebot sei Planbarkeit, also Zielvorgaben der Regierung, die nicht alle paar Monate verändert werden, sagt Danz. „Das zweitoberste Gebot ist, dass die Regierung ihre Zielvorgaben auch mit konkreten Maßnahmen unterlegt, die diese Ziele erreichbar machen“, fügt er an. „Wenn zu wenig Flächen für Solarkraftwerke bereitgestellt werden, ist das ebenso Gift, wie wenn Vergütungen schlecht kalkulierbar sind.“ Unverzichtbar sei auch, dass die Regierung zusammen mit der EU-Kommission die ständige Verfügbarkeit der benötigten Komponenten monitort und zusammen mit der Branche nachsteuert, wenn sich Engpässe abzeichnen. „Und wir müssen dringend den Rahmen für die Diversifizierung der Lieferquellen verändern. Industrieansiedlungen in der EU müssen strategisch und aktiv gefördert werden. Da passiert heute viel zu wenig.“

Lieferketten funktionieren nicht wie bisher
Bei dem Spezialisten für Wechselrichter Kostal heißt es ebenfalls, die Lieferketten für Komponenten funktionierten nicht wie gewohnt: „Geringere Produktion aufgrund der Lockdowns in China, Warteschlangen in den Häfen, Materialmangel. Und natürlich beeinflussen die Folgen des Kriegs in der Ukraine die Lieferketten.“ Gleichwohl mache man keine Kompromisse bei der Qualität. „Wir stehen für höchste Qualität, und das bleibt auch so. Die Quantität ist schon eher eine Herausforderung. Für nicht in ausreichender Menge verfügbare Komponenten suchen wir nach gleichwertigen Alternativen, dies beinhaltet in jedem Falle aber auch einen intensiven Qualifizierungsprozess und bindet extrem viele Ressourcen aus unserer Entwicklungsabteilung.“
Ungeachtet der aktuellen Versorgungsengpässe sollen die Produktionskapazitäten in der deutschen Solarbranche ausgebaut werden, um den massiven Ausbauplänen und der steigenden Nachfrage zu begegnen. So legt Kostal bereits jetzt den Grundstein für eine Vervierfachung der eigenen Auslastung bis 2025 im Vergleich zum Produktionsjahr 2021. „Um das nachhaltige Wachstum zu stützen, wird dieses Vorhaben von weiteren Maßnahmen flankiert“, heißt es bei Kostal. Zwei neue Laboratorien, eingerichtet 2021 und 2022, sichern die Entwicklung und die Testverfahren. Ein neues Testfeld widmet sich allein dem Fokus Wechselrichter, Speicher und Generatoren, um hier die durch den wachsenden Energiebedarf einzuführenden Modellgenerationen prüfend zu begleiten. Parallel baut Kostal den internationalen Vertriebs- und Service-Footprint aus, um die innovativen Produkte auch im europäischen Markt passgenau zu verankern. Die dritte Generation des derzeitigen Kostal-Topsellers ist der Plenitcore. „Auch in der kommenden Version wird der Wechselrichter in den Betriebsarten Solar-, Hybrid- und Batterie-Wechselrichter eingesetzt werden können und das Leistungszentrum von heute 3-10 Kilowatt (kW) auf bis zu 20 kW erweitern.“

Fertigung in Europa im Fokus
Lässt sich die Solarindustrie mit ihren Fertigungskapazitäten wieder stärker nach Europa zurückholen? „Das Wichtigste ist, dass keine Zweifel mehr aufkommen dürfen, dass der europäische Heimatmarkt in den kommenden Jahren stark und nachhaltig wachsen wird und die Politik parteiübergreifend und über die nächsten Legislaturperioden hinweg ernsthafte Anstrengungen unternimmt, die Investitionsbedingungen für die Solarwirtschaft weiter zu verbessern“, erklärt BSW-Chef Körnig dazu. Ein starker Heimatmarkt und ein gesellschaftsübergreifender Konsens, dass die Energiewende mit voller Kraft vorangetrieben werden muss, seien die wichtigsten Standortfaktoren für eine wieder erstarkende Solarindustrie. „Zwei weitere Maßnahmen wären notwendig, um künftig und langfristig einen nennenswerten Anteil der in Deutschland beziehungsweise Europa benötigten Solarmodule inklusive der Vorprodukte tatsächlich unabhängig von weltpolitischen Wetterlagen selbst produzieren zu können“, so Körnig: „Die Stärkung der bestehenden Industrie sowie die Schließung der Wertschöpfungsketten im Bereich Wafer-, Zell- und Modulfertigung.“

Scharfer internationaler Wettbewerb
Die Solarindustrie stehe im scharfen internationalen Wettbewerb und benötige vor allem eine strategische Industriepolitik, um hierzulande eine Skalierung der Fertigungskapazitäten zu ermöglichen. Neben einer möglichst hohen Planungssicherheit über attraktive politische Rahmenbedingungen für Investitionen in Solaranlagen seien eine Unterstützung von Forschung und Entwicklung und der Zugang zu Kapital von hoher Bedeutung. „Zudem wäre die Einführung eines ‚Front-Runner-Programms‘ sinnvoll, mit dem innovative Produkte wie hohe Effizienz von Modulen oder eine besonders umweltfreundliche Produktion unterstützt werden.“
Die Zeichen stehen auf Wachstum. Jetzt bietet sich der Ampelkoalition die Gelegenheit, die Fehler der Vorgängerregierungen, die zur Vernichtung der deutschen Solarindustrie geführt haben, wettzumachen. So ließe sich die heimische Wirtschaft ankurbeln, die Abhängigkeit von Energieimporten verringern, und unsere Klimaziele würden ein Stück näher rücken.