Wie die Regierung in Stockholm zu Anfang der ersten Novemberwoche angekündigt hat, wird sie sämtliche Vorhaben im bisher für Offshore-Windparkplaner zentralen Projektierungsgebiet des Landes mit Rücksicht auf militärische Interessen streichen. Alle 13 Meereswindparkprojekte im etwa 700 Kilometer breiten Seegebiet von der Südspitze des Landes bis zur nach Osten zeigenden Landspitze nördlich der Hauptstadt Stockholm seien „auf Grundlage der Dokumentation der Armee“ nicht mehr tragbar, sagte Verteidigungsminister Pål Jonson. Die Regierung sei zum Schluss gekommen, das der Bau der Windparks vor dem Hintergrund des Krieges „in unserer unmittelbaren Reichweite“ zu „inakzeptablen Konsequenzen für Schwedens militärische Verteidigung“ führen würde. Jonsons Begründung verweist damit auf den Krieg in der Ukraine, die zwar keine Berührung zur Ostsee hat, die aber auch ein Manövrierraum für Schiffe des die Ukraine angreifenden Russland ist.
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Die Ostseezugänge für russische Schiffe sind zwar den Küstenlinien Polens, Litauens, Lettlands, Estlands und Finnlands weitaus näher als der schwedischen Küste. Doch ist Schweden zugleich das Land mit der größten Ostseeküste. Zugleich deckt das nun der Windkraft entzogene Gebiet die gesamte mögliche Schifffahrtslinie fürs russische Militär zwischen dem nördlichsten und dem südlichsten Ostseezugang des Kriegslandes ab. Und es betrifft auch die weitere Route durch das offene Meer gen Westen, ehe dann die dänischen und deutschen Inseln und dort eingerichtete Marinestützpunkte die Fahrräume für russische Schiffe einengen und deren Manövrierfähigkeiten begrenzen. Die am weitesten von der schwedischen Küste entfernten Projekte, die Stockholm mit Verweis auf die Verteidigungsfähigkeit des Landes nun stoppt, betreffen somit auch sehr nah der dänischen, deutschen, polnischen und lettischen Küste gelegene Seeareale. Das bisherige 3,3-Gigawatt-Projektgebiet Baltic Offshore Beta beispielsweise befindet sich noch in 110 Kilometer Distanz zum polnischen Festland, das Entwicklungs-Areal Södra Victoria für 2,5 Gigawatt (GW) sogar nur 95 Kilometer vor Polen. Weiter östlich hätte das aufgegebene Ein-GW-Projekt Pleione etwa 100 Kilometer vor Lettland entstehen sollen. Arkona Vindkraftpark wiederum mit 1,4 GW wäre nur knapp 37 Kilometer vor Rügen entstanden – in ähnlicher Distanz wie das ebenfalls gestrichene 1,5-GW-Projekt Skåne Havsvindpark.
Insgesamt betrifft die Streichung 13 Projektierungen für eine Gesamterzeugungskapazität von knapp 32 GW. Darunter findet sich auch als größtes Vorhaben die Planung des schwedischen Unternehmens OX2 für das 5,5-GW-Windfeld Aurora zwischen den Inseln Gotland und Öland. Betroffen sind außerdem die Projektierungsunternehmen Deep Wind Offshore, Eolus, Hexicon und Mainstream Renewable Power im Joint Venture, Ørsted, RWE und Statkraft. Die Projekte hätten überwiegend zu Beginn des nächsten Jahrzehnts in Betrieb gehen sollen.
Wegen Unklarheiten in der schwedischen Offshore-Windenergieförderung und aufgrund eines Einspruchs der schwedischen Behörden mit Verweis auf mögliche Probleme für die Schifffahrt sind zuletzt auch die beiden Vattenfall-Projekte Kriegers Flak im September mit 640 Megawatt (MW) und Stora Middelgrund schon im Juli vorigen Jahres mit bis zu 750 MW zum Stillstand gekommen. Die Projektierung von Kriegers Flak vor der Südküste will Vattenfall allerdings vorerst nur aussetzen, zumal einige Genehmigungen bereits vorliegen. Das Projekt Stora Middelgrund hatte Vattenfall 2019 gekauft. Hier hatte Schwedens Regierung als Begründung nur mitgeteilt, das Projekt berge die Gefahr eines „negativen Effekts auf nationale Interessen der Schifffahrt“, sowie sensible Natur- oder Landschaftsgüter „in einer nicht akzeptablen Art und Weise zu beschädigen“.
Die drei nun noch übrig gebliebenen bisherigen Offshore-Windpark-Genehmigungen des Landes sehen teilweise frühere Netzanschlüsse vor. Dies betrifft das 400-MW-Teilprojekt Galene von OX2 im 1,7-GW-Gesamtvorhaben Galatea-Galene vor der Westküste mit einem geplanten Anschluss bis spätestens 2029 sowie möglicherweis noch leicht früher das 1,2-GW-Vorhaben Kattegat Syd von Vattenfall ebenfalls vor der Westküste. Allerdings hatte Vattenfall zuletzt vor noch fehlenden Netzanschlusskapazitäten für Kattegat Syd gewarnt. Das genehmigte Vattenfall- und Zephyr-Wind-Projekt Poseidon mit 1,4 GW soll bis 2034 ebenfalls vor der Westküste ans Netz.
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