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Offshore-Windenergie

Kosten runter

Als Antreiber in Sachen günstigerer Meereswindstrom darf sich Großbritannien ansehen. Premierminister David Cameron hatte 2011 eine Offshore Wind Cost Reduction Task Force mit Mitgliedern der Windkraftindustrie einberufen – eine Arbeitsgruppe mit dem Ziel, die Kosten pro erzeugter Kilowattstunde (kWh) von mindestens 14 Pence, Stand heute, auf noch 10 Pence pro kWh im Jahr 2020 zu senken. Es entspräche einer Preisschmelze um 30 Prozent. Seither orientieren sich daran nicht nur die Briten. 14 und 10 Pence entsprechen gut 16 und 11,5 Eurocent. Auf 11 bis 16 Cent taxieren verschiedene Branchenberater wie Make Consulting, die deutsche Stiftung Offshore Windenergie oder Roland Berger auch die Stromerzeugungskosten der geplanten deutschen Nordseewindparks. Für diese werden in der Branche zudem Kostenreduktionen bis 2020 - deutlich über das britische Ziel hinaus - auf 7,5 bis neun Cent debattiert.

Der neueste Anstoß kommt wieder aus Großbritannien. Am gestrigen Donnerstag präsentierte das mit Regierungsstellen und Großkonzernen besetzte Netzwerk ETI in Aberdeen konkrete Maßnahmen. Die ETI hat den Gründungsweck, Forschungsprojekte für neue Technologie anzuschieben, mit der sich die britischen Klimaschutzziele erreichen lassen. So erklärte der Chef des ETI-Offshore-Programms, Andrew Scott, ETI ziele mit einem im März vereinbarten Pilotprojekt unter Beteiligung des Fundamententwicklers Glosten und des Turbinenbauers Alstom auf eine Kostensenkung schon um 25 Prozent.

Schwimmende Windenergieanlage bringt 25 Prozent

Das Forschungsvorhaben sieht die Entwicklung einer schwimmenden Windenergieanlage in 60 bis 100 Meter Wassertiefe vor. 2015 soll sie vor der Südwestspitze Englands ankern. Die Kosten, erklärt Scott, würden dank der besonders guten Windverhältnisse der mit herkömmlichen Offshore-Fundamente noch nicht erschließbaren Meeresregion, dank geringer Entfernungen zur Küste, aber auch aufgrund der geringeren Investitionen für die Verankerung verglichen mit herkömmlichen Fundamenten in mittleren Meerestiefen um ein Viertel sinken. Vor der Westküste Schottlands könnte eine schwimmende Anlage sogar zu 30 Prozent geringeren Stromgestehungskosten führen, weil dort noch mehr Wind bläst. Als Referenzprojekt für diese Kostensenkungsmaßnahme dient Scott das Vorhaben Dogger Bank. Dogger Bank gehört zur dritten Ausschreibungsrunde, mit der London bisher Baugrundstücke vor der britischen Küste für Offshore-Windprojekte freigab. Hier sind die Projekte ähnlich jenen in der deutschen Nordsee: Hohe Entfernungen zur Küste, große Wassertiefen, groß dimensionierte Projekte.

Drei bis fünf Prozent weniger Windstromkosten, so beziffert der ETI-Offshore-Mann, dürfte außerdem ein neuer Rotorblattleichtbau einbringen. Bei diesem Thema kooperiert das Netzwerk mit dem britischen Blatthersteller Blade Dynamics. Dessen Prototyp eines besonders leichten Windradflügels mit 49 Metern Länge war im vergangenen Jahr von einem internationalen Fachmagazin als Rotorblatt des Jahres gewürdigt worden. Mit Elementen aus verhältnismäßig leichten, aber teuren Kohlefasern gebaut, wiegt es noch sechs Tonnen – eine Leichtgewichtsklasse in der bisher nur Vestas produzierte: das 44-Meter-Blatt für die noch vor drei Jahren meistverkaufte Anlage des Weltmarktführers, die V90. „Ab 50 Metern Länge“, sagt Scott nun zu ERNEUERBARE ENERGIEN, „spielt das neue Rotorblatt von Blade Dynamics seinen Vorteil richtig aus.“ Hauptgrund der geplanten Kostenreduktion von bis zu fünf Prozent ist demnach das reduzierte Gewicht, das eine weniger mächtige und zugleich günstigere Konstruktion der gesamten Windturbinenstruktur nach sich zieht. Blade Dynamics bereitet den Bau eines 80-Meter-Blattes vor.

Bei größeren Serien könnte noch ein weitere Kostenvorteil hinzukommen. Die als 3,5-jähriges Forschungsprojekt von ETI bezuschusste Blade-Dynamics-Entwicklung sieht auch die Aufteilung des Blattes der Länge nach in vier und mehr getrennt produzierbare Blattsektionen vor. Möglicherweise erst auf der Baustelle muss dieses Blatt dann in voller Länge montiert werden. Vorteil: Bei einer hohen Stückzahl ist die Fertigung der kleineren Blattbauteile leichter zu automatisieren und billiger zu produzieren. Außerdem kann die Logistik mit Transporten in Containern erfolgen, nicht annähernd so aufwändig und teuer wie Blattkompletttransporte.

Alstom setzt auf Skaleneffekte

ETI-Partner Alstom verrät wie andere Turbinenbauer keine konkreten Ziele für die Kosten der Kilowattstunde. Die neu entwickelte Offshore-Großwindanlage Haliade mit Sechs Megawatt (MW) Leistung und einem 150 Meter durchmessenden Rotor – 72,5 Meter Blattlänge) ist die derzeit größte Offshore-Windenergieanlage, „die jetzt schon käuflich zu erwerben ist“. Sagt Alstoms Deutschland-Verkaufschef Markus Rieck. Die in dieser Größenordnung einzig bislang konkurrierende Turbine, die gleichfalls direktangetriebene Siemens-Anlage SWT-6.0-154 mit 154-Meter-Rotor und derselben Leistung, steht aber schon als Prototyp vor Großbritannien.

Wie Siemens beansprucht Alstom für sich, mit der Entwicklung einer derart großflügeligen und so ertragreichen Turbine, mit dem Verzicht auf ein Getriebe, eine von vornherein für Seewindkraft günstige Technologie geschaffen zu haben. Ebenfalls wie Siemens will Alstom zudem mit Skaleneffekten punkten: Weil die Bestellungen der Anlage dank Ausschreibungserfolgen des französischen Konzerns bei Offshore-Tendern in Frankreich annähernd so zahlreich sind, wie bei Siemens, will Alstom Fertigung wie Logistik der Turbine sehr schnell „industrialisieren“. Auch das werde die Kosten deutlich runter bringen, meint Rieck. Zu konkreten Effekten sagt er: „Über seine Stromgestehungskosten sollte nur der Projektbetreiber etwas sagen. Wir geben diesem aber die Technologie, die es ihm ermöglicht, zweistellige Eigenkapitalrenditen von deutlich über zehn Prozent zu erzielen.“

(Tilman Weber)

Lesen Sie mehr zum Thema in der Titelgeschichte des Magazins ERNEUERBARE ENERGIEN, Heft 06/2013 (ab 3. Juni)