Deutsche Offshore-Projekte seien „ein sehr fragiles Geflecht“, sagte Repower-Vorstandsvorsitzender Andreas Nauen in einer von der Hamburger Messe anberaumten Gesprächsrunde am Rande einer Branchenschau für maritime Industrie. Nauen verweist damit auf die meist mit komplexen Verträgen gesicherte Zusammenarbeit vieler Partner in Sachen Planung, Zulieferung, Kabelverlegung, Errichterschiffebau, Installationsarbeiten und Netzanschluss. Verzögerungen an einer Stelle könnten schnell zusätzliche Verzögerungen durch den Ausfall weiterer Partner nach sich ziehen, erklärte der Repower-CEO. Etwa wenn ein Fundamentebauer dann anmelde, er habe nun zunächst für andere Windparks die Tiefwassergründungsstrukturen anzuliefern.
Allerdings sieht Nauen auch viel Potenzial in einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen Turbinenproduzenten, Komponentenhersteller und Windparkerrichtern. So sei es Repower einmal bereits gelungen, 40 Millionen Euro alleine durch eine intelligentere Kooperation mit Fundamenteschmieden oder Kranschiffeunternehmen einzusparen.
Die meist mehr als eine Milliarde Euro teuren Offshore-Windparks in Deutschland gelten als besondere Herausforderung für die Branche. Dafür sorgen die der rauen See mehr als anderswo ausgesetzten Standorte der Nordseewindfarmen. Weil die Anlagen für die Touristen nicht sichtbar sein sollen, muss die Branche neue Dimensionen erschließen: statt wie zuvor küstennah Anlagen der Zwei- bis Drei-Megawatt-Klasse in Großbritannien, Schweden, Niederlande, Belgien und Dänemark errichtet sie nun auf doppelte Leistungen vergrößerte Windräder – bis zu 100 Kilometer vor den Inselketten, bei 40 Metern Wassertiefe. Allerdings liegen die Meereswindkrafterrichter schon um Jahre hinter den deutschen Ausbauplänen zurück. Die genaueste Studie über die Umsetzung des von der Bundesregierung geplanten Ausbaus von zehn Offshore-Gigawatt bis 2020 hatte im Juni das Marktforschungsinstitut Trendresearch vorgelegt. Es analysiert, dass selbst bei einem vernünftigen Umgang von Branche und Politik mit jetzigen Problemen nur gut zwei Drittel der anvisierten Leistung bis dahin errichtet werden kann. Auf vier Millionen Euro pro installiertem Megawatt (MW) haben sich die Investitionsausgaben im Vergleich zu älteren europäischen Offshore-Windparks verdoppelt. Im Frühjahr nahm dann der für die Nordsee zuständige Netzbetreiber Tennet mehrere Windparkanschlusstermine zurück. Begründung: Die Hersteller der Umspannplattformen im Meer können die Einrichtungen nicht rechtzeitig liefern. Das Problem: Tennet verweigert wegen fehlenden Kapitals die Entschädigungen für die Verzögerungen an die Projektierer. Derzeit bereitet die Bundesregierung daher eine neue gesetzliche Gewährleistungsregelung vor.
Zunehmende Harmonisierung von Standards gefragt
Der CEO der Offshore-Europa-Abteilung beim Windturbinenhersteller Siemens, Michael Hannibal, setzt darüber hinaus auf eine zunehmende Harmonisierung von Standards: „Nicht alles darf in Zukunft immer neu erfunden werden“, sagte Hannibal auf der Messe. Anders als bisher dürfe die Branche in Deutschland nicht mehr bei jedem Meereswindpark neue Kalkulationen und Vorgehensweisen erproben. Insbesondere die Industriealisierung der Fundamenteproduktion könne darüber hinaus noch die Kosten senken. Derweil will Offshore-Turbinenhersteller Alstom mit der Errichtung eines zweiten Prototyps der Sechs-MW-Anlage Haliade an einem Standort rund 50 Kilometer vor der Küste eigene Erfahrungen zum standardisierten Ausbau küstenferner Meereswindparks gewinnen. Die Errichtung werde noch Ende des Jahres in Angriff genommen, sagte der Deutschland-Verkaufsschef des Unternehmens, Markus Rieck.
Gefragt, ob außer Netzbetreiber Tennet alle Akteure des deutschen Offshore-Ausbaus ihre Hausaufgaben für eine pünktliche Abwicklung der Projekte gemacht hätten, antwortete Repower-CEO Nauen indes mit einem Nein. Auch die Turbinenhersteller hätten bekanntermaßen noch nicht ausreichend Kapazitäten aufgebaut, um zeitgerecht alle vorgesehenen Projekte abarbeiten zu können. Doch hier werde die Branche wie zuvor die Schiffbauerszene beim Bau von Errichterspezialschiffen reagieren, sobald sich eine zeitnahe Abnahme der Industriegüter abzeichne.
Keine Überraschungen mehr auf See
Verzögerungen in den Installationsarbeiten selbst seien hingegen nicht zu erwarten, betonte Nauen. Die von ihm geführte Hamburger Turbinenschmiede Repower Systems SE sieht er vor Erfahrungen gefeiht, die derzeit der Emder Windturbinenherstellers Bard reklamiert. Bard meldet beim zwei Jahre hinter den Zeitplänen zurückliegenden 400-MW-Windpark Bard Offshore 1 immer wieder wetterbedingte Ausbauverzögerungen. Repower setze eine länger eingeführte Multimegawatt-Turbinentechnologie ein und habe mit den Anlagen im schon 2009 errichteten Hochsee-Testwindpark Alpha Ventus viel Erfahrung gewonnen habe, sagte Nauen. Das verhindere Überraschungen auf See.
(Tilman Weber)