Schluss mit dem Kuschelkurs: Weil die schwarz-gelbe Koalition die Republik offenbar ins fossile Zeitalter zurückstoßen und das Geschäftsmodell der großen Konzerne um jeden Preis retten will, formiert sich bundesweit der Widerstand. Zwischen Waterkant und Alpen gingen am Donnerstag Zehntausende auf die Straße, um gegen den geplanten Solarausstieg zu protestieren. Am ersten Aktionstag des BSW-Solar nahmen bundesweit rund 50 Unternehmen teil. Von den derzeit rund 120.000 Arbeitsplätzen in der Solarindustrie und im Handwerk stehen nach Schätzungen des Verbandes rund 100.000 Jobs auf der Kippe.
Werk in Wismar machte dicht
So hat beispielsweise Centrosolar am Donnerstag sein Werk in Wismar symbolisch geschlossen. Wismar liegt an der Ostsee, in unmittelbarer Nähe zu Angela Merkels Wahlkreis auf Rügen. „Einen solchen Kahlschlag hatten wir vor vier Jahren in Spanien“, warnte Alexander Kirsch, Chef der Centrosolar Gruppe. „Seitdem ist das Land für die Photovoltaik in der Bedeutungslosigkeit versunken.“ Kommen Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) mit ihren Plänen durch, sind allein bei Centrosolar rund 1.000 Arbeitsplätze in Gefahr. Das Modulwerk in Wismar wird vermutlich dichtmachen, ebenso das Werk von Conergy in Frankfurt/Oder. Deshalb beteiligten sich auch die Solarunternehmen der Bundeshauptstadt und aus Brandenburg an den Aktionen. Bei First Solar in Frankfurt an der Oder trieb der Protest Hunderte Mitarbeiter auf die nasskalte Straße. Auch die Beschäftigten von MP-Tec in Eberswalde, B 5 in Wustermark, German Solar in Cottbus und Abasa Neue Energien in Eisenhüttenstadt unterstützten die Proteste.
Ingenieure demonstrieren in Berlin
In Berlin marschierten beispielsweise die 80 Angestellten des Ingenieurdienstleisters Solarpraxis AG zum Haus der Bundespressekonferenz, wo die beiden Bundesminister gerade den Solarausstieg verkündeten. „Nach allem was wir wissen, sind die Pläne inakzeptabel und existenzbedrohend für die Solarbranche in Brandenburg“, kritisierte Thoralf Schapke, Geschäftsführer der Solarregion Berlin-Brandenburg. „Es ist schlichtweg nicht hinnehmbar, dass die offensichtliche Profilierungssucht einzelner Koalitionäre eine ganze Branche bedroht und wieder Klientelpolitik betrieben wird.“ Er kündigte weitere Aktionen im politischen Raum an und fordert die Landesregierungen auf, der EEG-Novelle entgegenzutreten.
Die Solarbranche geht baden
In einer Aufsehen erregenden Aktion am Maschsee protestierten rund 100 Mitarbeiter von AS Solar aus Hannover und aus befreundeten Unternehmen. Unter dem Motto „Die Solarbranche geht baden, die Energiewende geht unter“ forderten sie, die geplante Novelle fallen zu lassen. „Die jetzt trotzdem diskutierten, völlig überzogenen Kürzungspläne bedrohen die Existenz unseres Unternehmens und den Erfolg der Energiewende“, sagte Gerd Pommerien, Gründer und Boss von AS Solar. „Wenn das umgesetzt wird, was hinter verschlossenen Türen ausgehandelt wurde, dann war’s das mit der deutschen Solarwirtschaft.“
Scharfer Protest am Rhein
Auch die mitgliederstarke Landesarbeitsgemeinschaft für Erneuerbare Energien (LEE) in Nordrhein-Westfalen forderte die Regierung in Düsseldorf zum Widerstand auf. „Es ist absolut unverständlich, wieso die Bundesregierung gerade jetzt – nach den bereits vereinbarten harten Einschnitten für das Jahr 2012 und bei dem heutigen Vergütungsniveau auf Höhe der Haushaltsstrompreise - zum großen Schlag ausholt und damit viele Solarunternehmen an den Rand ihrer Existenz bringt“, wetterte Kann Dobertin, Geschäftsführer der LEE NRW. „Kurz vor Erreichen der Marktreife setzt die Bundesregierung nicht nur Arbeitsplätze und Innovationskraft einer gesamten Zukunftsbranche in Deutschland leichtfertig aufs Spiel, sondern gefährdet gleichzeitig die selbst gesteckten Ausbauziele bei der Energiewende.“ Er appellierte am die Landesregierung und die nordrhein-westfälischen Abgeordneten im Bundestag, den Solarausstieg zu blockieren.
In NRW geht es um 8.000 Jobs
In Nordrhein-Westfalen sind rund 8.000 Menschen in der Solarbranche beschäftigt, ihr Umsatz erreichte 2010 rund 4,1 Milliarden Euro. Dobertin forderte: „Angesichts der ambitionierten klima- und energiepolitischen Zielsetzungen der Landesregierung in NRW erwarten wir gerade von dieser Stelle, sich im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten dafür stark zu machen, dass der Vorschlag der beiden Bundesminister in dieser Form nicht durchkommt“ Michael Schäfer, Chef des Kölner Systemanbieters Energiebau, kommentierte: „Die derzeit geltende Gesetzgebung sieht eine jährliche Absenkung der Förderung um bis zu 24 Prozent vor. Die jetzt geplanten, weit darüber hinaus gehenden, dramatischen Einschnitte bedrohen die gesamte deutsche Solarbranche vom Hersteller bis zum Installateur.“ (Heiko Schwarzburger)