Die völlig überzogenen Pläne zur Kürzung der Solarförderung werden in erster Linie die kleinen Solarbetriebe treffen. Das befürchtet Jens Rasch, Prokurist der Innoferm aus Rastede nördlich von Oldenburg. „Sowohl bei unseren Kunden als auch deren finanzierenden Banken sorgte die Meldung für Verunsicherung, da mit anderen Einspeisetarifen kalkuliert wurde“, sagt er. „Wir müssen damit rechnen, dass uns durch die überstürzte Gesetzesänderung viele Aufträge verloren gehen.“ Angesichts des Zubaus von 7,5 Gigawatt im vergangenen Jahr seien weitere Senkungen bei den Einspeisetarifen verständlich. Rasch fordert jedoch Augenmaß. Eine Übergangszeit von lediglich rund zwei Wochen und die radikalen Kürzungspläne bedrohen im Bau befindliche Projekte, denen teilweise monatelange Planungen vorausgingen. Nun wird es dem kleinen Unternehmen mehr als schwer, die Aufträge zur Zufriedenheit der Kunden abzuwickeln. „Neben notwendiger Montagezeit mangelt es auch an kurzfristig verfügbaren Komponenten“, erläutert Rasch.
Mehr Geld für die Energiekonzerne
Innoferm steht stellvertretend für viele Kleinbetriebe der Branche: Mit 32 Mitarbeitern hat das Unternehmen im Norden Deutschlands bisher rund 600 Solaranlagen mit 20 Megawatt Gesamtleistung installiert. Geschäftsführer Thorsten Georgs empfindet die Hauruckaktion der Bundesregierung als Gefährdung der Existenzgrundlage. „Am härtesten werden von den Neuregelungen der Mittelstand und damit das Rückgrat der deutschen Wirtschaft getroffen“, sagt er. „Denn im Gegensatz zur Industrie können Handwerker und die Berater der Privatkunden nicht auf andere Ländermärkte ausweichen.“ Sein Kollege Andreas Wiertzema kommentiert: „Das die großen Energieversorger selbst vom EEG durch den Ausbau von Windenergie am Meer profitieren wollen, ist nicht verwunderlich“, erklärt er. „Ironisch ist nur, dass es sich bei Offshore-Windkraft mittlerweile um eine der teuersten Formen der erneuerbaren Energien handelt. Obendrein muss sie aufwändig zum Verbraucher transportiert werden. Offshore-Windenergie wird mit 15 bis 19 Cent pro Kilowattstunde vergütet. Große Solarparks erhalten ab März noch 13,5 Cent.“
Im Vertrauen auf geltendes Recht
Willi Wohlfart, Geschäftsführer von Sunworx Solar aus Lauf an der Pegnitz, forderte Abgeordnete, Minister und die Verbände auf, die überstürzten Pläne zu glätten und an die Realität anzupassen. „Die von der Regierung beschlossenen neuen Vergütungssätze für Strom aus Solaranlagen haben wir mit großem Unverständnis zur Kenntnis genommen“, schreibt er in einem offenen Brief. „Sie zeigen uns, dass bei den Terminvorgaben zum 9. März die praktikable Seite des Ablaufs eines Photovoltaikprojektes überhaupt nicht berücksichtig worden ist, so zum Beispiel der zeitliche Rahmen. Für jede Photovoltaikanlage über 30 Kilowatt ist beim Energieversorger eine Einspeisezusage einzuholen. Dieses Verfahren dauert in der Regel acht Wochen ab Antragstellung.“ Diese Projekte wurden im Vertrauen auf geltendes Recht (EEG 2012) begonnen. Drückt die Bundesregierung den Solarausstieg durch den Bundestag, „wäre der Schaden immens! Zahlreiche Unternehmen würden in den Ruin getrieben und Arbeitsplätze vernichtet“, meint Wohlfart. „Vor allem Handwerksbetriebe sind in ihrer Existenz gefährdet. Diese Vorgehensweise widerspricht der Aussage der Regierung, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass die deutsche Photovoltaikindustrie auf dem Weltmarkt weiter bestehen kann.“
Misstrauen gegen Politiker wächst
Unterdessen haben sich die 1.500 Teilnehmer des Photovoltaikforums in Bad Staffelstein mit einer gemeinsamen Erklärung zu Wort gemeldet. Zu den Initiatoren des Offenen Briefs an Bundeskanzlerin Angela Merkel gehören beispielsweise Eicke Weber, Chef des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg, und Günther Cramer, Präsident des Bundesverbandes der Solarwirtschaft und bis zum Vorjahr Boss von SMA in Kassel. Auch Ralf Haselhuhn von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie und Winfried Hoffmann vom Europäischen Verband der Photovoltaikindustrie (EPIA) gehören zu den Autoren. In den sieben Thesen zu den Plänen der Bundes heißt es: „Das EEG und die Entwicklung der Photovoltaik in Deutschland sind eine Erfolgsgeschichte ohnegleichen. Die im Gesetzesentwurf vorgeschlagenen Änderungen am EEG werden in ihrem Ausmaß wesentliche Teile der deutschen Photovoltaikwirtschaft mit 130.000 Arbeitsplätzen insbesondere im Handwerk gefährden. Das Vertrauen der deutschen Wirtschaft in die Politik wird durch diese kurzfristig angekündigten wesentlichen Eingriffe beschädigt. Damit werden die Menschen, die über den Strompreis den Aufbau dieser Zukunftsindustrie ermöglicht haben, um den Lohn ihrer Arbeit gebracht.“
Unternehmen befürchten Markteinbruch von 75 Prozent
Nach Angaben des Bundesverbandes der Solarwirtschaft fürchtet die Solarbranche einen Markteinbruch von bis zu 75 Prozent, falls die jüngste EEG-Novelle nicht gestoppt wird. Der Betrieb neuer Solarstromanlagen sei dann überwiegend nicht mehr rentabel, eine Insolvenzwelle unvermeidbar. Das von der Regierungskoalition angeführte Kostenargument ist aus Sicht der Branche vorgeschoben. Die Kosten und Fördersätze wurden bereits in den vergangenen drei Jahren halbiert. Auch ohne erneute Gesetzesänderung sinkt die Solarförderung im Jahr 2012 doppelt so schnell wie im Vorjahr. (Heiko Schwarzburger)