Vor zwei Tagen hielt EU-Umweltkommissar Miguel Arias Cañete die Fahne der Energiewendemacht Europäische Union (EU) ganz hoch: Anlässlich der Streichung jüngerer klimapolitischer Regelungen Washingtons durch die Anfang des Jahres neu zusammengesetzte US-Regierung erklärte der hochrangige EU-Offizielle, die Europäische Union bedaure die Abkehr der US-Regierung von wichtigen Klimaschutzmaßnahmen. "Jetzt wird man sehen, mit welchen anderen Mitteln die USA ihre Zusagen aus dem Pariser Abkommen erreichen wollen", sagte der Spanier Cañete mit Verweis auf die 2015 in der französischen Hauptstadt auf dem Weltklimagipfel vereinbarten Maßnahmen gegen die weitere Erderwärmung. Die EU müsse daher verlässlich ihre globale Führungsposition in der Klimapolitik behalten.
Doch genau an diesem Anspruch darf zweifeln, wer die Entscheidungen und Initiativen aus Brüssel in den vergangenen zwei bis drei Jahren verfolgt hat. In Brüssel, wo die EU-Kommission ihren Sitz hat, erarbeiteten die Behörden des Regierungs-ähnlichsten Organs der Staatengemeinschaft seither nicht nur – bezogen auf die Energiewende: – zweifelhafte Konzepte wie zur Schaffung einer europäischen Energieunion aus: Sie soll Europa zu einem wirtschaftlich und politisch mächtigen Energiemarkt-Akteur werden lassen. Die EU hat sich vielmehr inzwischen auch sonst von einer Gemeinschaft für die Energiewende zu einer Institution gewandelt, die jede konsequente Ablösung der Strom- und Wärmeproduktion aus Großkraftwerken und aus fossilen Energiequellen wie Öl, Gas, Uran und Kohle durch dezentrale Erneuerbare-Energien-Anlagen blockiert.
Von der Aufbruchsstimmung des Jahres 2009, als die EU ihre klimapolitischen Ziele für 2020 mit dem sogenannten 20-20-20-Paket verabschiedet hatte und bei Energieeffizienz, erneuerbaren Energien und Kohlendioxid-Emissionen jeweils 20-prozentige Verbesserungen erreichen wollte, ist heute wenig zu spüren. Unter Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker drängt die EU inzwischen sogar mehr oder weniger offiziell auf das Ende des Einspeisevorrangs für erneuerbare Energien – den letzten unangetasteten Glaubenssatz einer ganzen Branche: Wind-, Solar- und Bioenergiefirmen gründen auf diesem Einspeisevorrang bisher ihre Wirtschaftlichkeit.
Warum ist es aber dazu gekommen, ohne dass die nationalen Regierungen der EU jemals eine Abkehr der Staaten-Union von ihrer Klimapolitik verlangt hätten? Zehn ausgewählte (schlechte) Gründe lassen sich dafür finden:
(Tilman Weber)