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Kommentar zu Onshore-Wind-Ausschreibung

Windkraftausbau gerät in Schieflage

„Das Ergebnis bestätigt die positiven Erfahrungen aus den voran gegangenen wettbewerblichen Ausschreibungen im Offshore- und im Photovoltaikbereich.“  So lautet das bizarre Fazit des Präsidenten der Bundesnetzagentur (BNetzA), Martin Homann, über das Ergebnis der zweiten Ausschreibungsrunde für deutsche Windparkprojekte an Land.  Um sich hier nun zu ärgern, braucht man nicht einmal zu den zahlreichen Kritikern Homanns aus der Erneuerbare-Energien-Branche gehören, die den BNetzA-Chefrepräsentanten für einen bloßen Verwalter, aber gewiss keinen Mitgestalter der Energiewende halten. Abgesehen davon, wie die von Homann zum Vergleich herangezogenen Niedrigpreis-Ergebnisse bei den Ausschreibungen für Solarstrom und Offshore-Windkraft letztlich zu werten sein sollten: Das Ergebnis der Auktionsrunde Zwo für Onshore-Windparks mit einem durchschnittlichen Vergütungspreis von 4,28 Cent pro Kilowattstunde (kWh) enthält gleich mehrere, unübersehbare Schieflagen.

Kommentar Tilman Weber | Kommentar: Tilman Weber
Kommentar Tilman Weber | Kommentar: Tilman Weber

So hat nicht nur der Wettbewerb wie erwartet weiter zugenommen: mit 281 Geboten im Verhältnis zu 67 Zuschlägen nach in der ersten Ausschreibungsrunde vorausgegangenen 256 Geboten und 70 Zuschlägen. Zugenommen hat vor allem auch das sich schon in der ersten Ausschreibung abzeichnende regionale Ungleichgewicht  bei den Zuschlägen. Es ist nun eklatant: War das windärmere Süddeutschland mit Baden-Württemberg, Bayern, Saarland und Rheinland-Pfalz schon in der ersten Ausschreibungsrunde bei nur jeweils zwei siegreichen Geboten in Bayern und Rheinland-Pfalz schon fast leer ausgegangen, halbierte sich der Anteil des Südens nun noch einmal - auf je ein Projekt in beiden Bundesländern. Gemessen an der Zahl der Windparks mit einer gewonnenen Vergütungszusage betrug der süddeutsche Anteil an den Zuschlägen insgesamt nun gerade mal noch 2,99 Prozent nach 5,7 Prozent in der ersten Ausschreibungsrunde. Weil es sich bei beiden jetzt noch durchgekommenen süddeutschen Projekten um jeweils nur zwei Anlagen handelt, ist das Verhältnis sogar noch krasser. An der Zahl der Anlagen gemessen gilt: Keine zwei Prozent dürfte der Anteil Süddeutschlands am Ergebnis dieser Ausschreibung noch betragen, angesichts von im Durchschnitt drei bis vier Anlagen in den siegreichen Projekten.

Doch es ist nicht nur der im verschärften Wettbewerb der Auktionen offenbar nicht mehr mithaltende Süden, in dem der 2017 eingeführte Ausschreibungsmodus den Windkraftausbau mit einer Vollbremsung ins Schlingern bringt. Gleich zwei traditionelle Windenergieausbauländer gingen trotz großen Volumens von gut einem Gigawatt ausgeschriebener zusätzlicher Windkraft-Erzeugungskapazität leer aus. Für Nordrhein-Westfalen, wo im ersten Halbjahr 2017 noch 114 neue Anlagen mit 313,5 MW ans Netz gegangen waren und damit hinter Niedersachsen der zweitkräftigste Zubau geherrscht hatte, gab es keinen Zuschlag. In Schleswig-Holstein  sicherten sich gerade einmal zwei Projekte mit zusammengezählt drei Windturbinen eine Vergütung von wohl 4,29 Cent pro kWh. Stattdessen ergingen 63 Prozent der Zuschläge nach Ostdeutschland –beziehungsweise 57 Prozent nach Mitteldeutschland von Nordrhein-Westfalen bis Brandenburg und Sachsen.

Da mutet es fast wie eine Beschwichtigung  an, wie der Bundesverband Windenergie (BWE) als traditioneller Interessenvertreter der Branche die regionale Schieflage bewertet: „Während sich im 1. Halbjahr 2017 gut 45 Prozent des getätigten Ausbaus auf die südlichen Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen konzentrieren, schneiden diese Bundesländer mit 12 Prozent der in dieser Runde bezuschlagten Gebote schlechter ab.“ Zu harmlos ist die hier vom BWE angedeutete Kritik nicht nur, weil der BWE mit der Unterscheidung nur in eine Süd- und eine Nordhälfte die wahren räumlichen Diskrepanzen im Ausschreibungsergebnis zwangsläufig einebnet. Vor allem fehlt der Hinweis auf das vollständige Verschwinden einiger großer Windkraft-Ausbauländer aus dem Installationsfokus einer ganzen Branche.

Klar, die Windbranche muss nun das Ergebnis noch weitaus genauer untersuchen, um Trends von einmaligen Sondereffekten in den ersten beiden Auktionsrungen wirklich belastbar zu unterscheiden. So könnten Projektierer ostdeutscher Vorhaben, die in der ersten Runde noch gescheitert waren, in der zweiten Runde ihre Angebote schlicht verbessert haben.  Oder aber könnten die wirklich rentablen Windprojekte in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sich bereits in der ersten Runde durchgesetzt haben – und dann wären nur weniger rentable Projekte in der zweiten Auktion verblieben, dieses Mal noch chancenlos aufgrund eines deutlich gesunkenen Gebotsniveaus.  

Doch ein weiteres Problem wird nun noch drängender: Wieder waren rund  90 Prozent der bezuschlagten Vorhaben sogenannte Bürgerwindprojekte. Bürgerenergiegesellschaften dürfen gemäß EEG 2017 nach einer Sonderregel an den Ausschreibungen teilnehmen. Sie müssen anders als andere Bieter am Tag der Auktion noch keine Baugenehmigung erreicht haben und haben nach dem Gewinn in einer Ausschreibung sogar noch fünf Jahre Zeit, den Windpark zu bauen. So lange ist diesen die Vergütungszusage gesichert.

Allerdings steht die Bürgerenergie-Sonderregel massiv in der Kritik. Professionelle Projektierungsunternehmen würden mit Kniffen eigene Projektierungen als Bürgerwindparks qualifizieren, so lautet die Kritik. Dann würden diese Projektierer eigene Mitarbeiter als Teilhaber dieser Bügerwindparks melden, um den Windpark in Wirklichkeit größtenteils zu besitzen.

Tatsächlich meldet die Bundesnetzagentur, dass 68 Prozent der Zuschläge an nur einen einzigen Projektierer gingen, der 37 solcher Bürgerwindparks sowie fünf eigene Windparks siegreich durch den zweiten Onshore-Tender Deutschlands gebracht hat.  

Als dritte Schieflage zeichnet sich ab, dass sich nun ein gewaltiges Ausbauvolumen  ohne schon absehbares Installationsdatum anstaut. Aufgrund der Bürgerwindregelung besitzen nun schon weit über 100 Projekte zwar eine Vergütungszusage, aber noch nicht einmal eine Genehmigung und eine mit fünf Jahren sehr weit in die Zukunft reichende Verwirklichungsfrist. Hier ist keineswegs sicher, wie viel davon gebaut wird.

Den niedrigsten Zuschlag erzielte im Übrigen ein Projekt mit nur 3,5 Cent pro kWh. Der höchste Zuschlag betrug 4,29 Cent, der ebenfalls dank der EEG-2017-Ausnahmeregel für alle jetzt siegreichen Bürgerwindparks gilt.

Merkwürdig noch, dass hier gleich zwei Windenergieverbände den weiteren Preisverfall für Windstromeinspeisungen bejubeln. Von der ersten Ausschreibung am 1. Mai bis zur zweiten Ausschreibung am 1. August ist der mittlere Vergütungspreis schon um 1,5 Cent beziehungsweise um ein weiteres Viertel gefallen.

„Der VDMA Fachverband Power Systems bewertet das Ausschreibungsverfahren nach wie vor positiv - sowohl die Überzeichnung als auch der gesunkene Zuschlagswert unterstreichen den harten Wettbewerb und Innovationsdruck in der Branche“, heißt es beim einen Verband. „Erfreulich ist, dass die Preisentwicklung bei den Erneuerbaren Energien unverändert deutlich nach unten geht“, heißt es bei Lee NRW: Die nordrhein-westfälische Regionalorganisation sieht dies als Beleg für die weiter verbesserte Wettbewerbsfähigkeit des Windstroms in Konkurrenz zu Strom aus den klimaschädlichen deutschen Kohlekraftwerken. Der BWE hingegen enthält sich beim Verweis auf den Preis auffälligerweise jeglicher Bewertung.

Noch sucht die Branche also nach einer Haltung zu den überraschenden Ergebnissen, das zeigen die Äußerungen und die Uneinigkeit in der Branche.

Dass die besten Projekte der Windkraft in Deutschland allerdings auf dem Strommarkt tatsächlich bereits höchst wettbewerbsfähig sind, liegt anhand der Ergebnisse auch auf der Hand. Das deutet ein besonders spannendes Projekt an, bei dem es sich nicht um ein Bürgerwindprojekt handelt. Der Windpark Wörbzig in Sachsen-Anhalt erhielt den Zuschlag für den Austausch von zwölf alten gegen sechs neue Anlagen. Das Repoweringvorhaben des Projektierers WEB Windenergie soll bald zum Abriss der nur 1,65 Megawatt (MW) leistenden Vestas-Turbinen V66 mit 67 Metern Nabenhöhe führen. Stattdessen will WEB Windenergie sechs der neuesten Vestas-Anlagen V136 mit mehr als doppelt so großem Rotor, 149 Meter Nabenhöhe und weit über drei MW Nennleistung errichten.

(Tilman Weber)