Fracking. In den USA steht dieses Wort für eine erfolgreiche neue Gas-Fördertechnik. Sie hat niedrige Energiepreise auf Kosten von brennenden Wasserhähnen und verseuchtem Trinkwasser ermöglicht. Betroffene Haushalte bekommen ihr Wasser nun per Laster in Kanistern geliefert. Ein echter Gewinn.
Das findet populäre Fans, auch in Deutschland. Einer von ihnen bloggt für Spiegel-Online, der andere leitet das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung überdenkt Sigmar Gabriels Ministerium gerade die Umweltstandards zu Gunsten der neuen Gasfördermethode.
Wirtschaftsinteressen wichtiger als Umweltschutz
„Der Schutz der Umwelt müsse gegen wirtschaftliche Interessen abgewogen werden“, zitiert die Zeitung das Wirtschaftsministerium. Der Umweltschutz soll nicht länger Vorrang haben.
Der Kurswechsel ist wohl Teil des neuen G7-Plans: Die sieben führenden Industriestaaten (Russland wurde ausgeladen) einigten sich darauf, "die russische Energiewaffe zu entschärfen", zitiert Zeit Online den britischen Energieminister.
Der Grund: Europa ist gerade im Begriff, die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland wegen des Gezerres um die Ukraine, auf Eis zu legen. 35 Prozent des deutschen Gases ist jedoch russisch. Damit wir trotz der politischen Machtspiele im Winter nicht frieren müssen, sollen Alternativen her.
Nun könnte man die Förderung von Biogasanlagen wieder auf ein wirtschaftlich tragbares Niveau heben, Power-to-Gas-Technologien antreiben oder aber – und das scheint dem Wirtschaftsministerium näher zu liegen – eine riskante neue Gasfördertechnologie etablieren.
Offenbar hofft die Regierung, dass die Bürger, die sich bisher vehement gegen den Fracking-Einsatz gewehrt haben, ihn nun endlich mittragen werden. Dafür hätte die einseitige Medienberichterstattung gegen Russland eigentlich sorgen müssen.
Dass die Rechnung so sauber nicht aufgeht, zeichnet sich jedoch gerade ab. Statt brav der vierten Gewalt zu folgen, kritisiert die Leserschaft die schlechte Berichterstattung.* Die Medien geraten unter Rechtfertigungsdruck, schreibt der Deutschlandfunk. Die Leser sind nicht allein: Auch der ehemalige Tagesschau-Nachrichtenredakteur Volker Bräutigam hat offiziell wegen Verletzung des NDR-Staatsvertrages Beschwerde eingelegt.
Soll jetzt die Drohkulisse aus Halbwahrheiten auch noch dabei helfen, den Aufstieg einer umweltzerstörenden Energiegewinnungstechnologie zu besiegeln? Davon raten selbst die Berater der Bundesregierung ab: Ihr Sachverständigenrat für Umweltfragen zieht in seiner Fracking-Studie ein eindeutiges Fazit: „Fracking ist im kommerziellen Umfang wegen gravierender Wissenslücken nicht zuzulassen“
Verharmlosung vom Fracking-Fan
Einige Meinungsmacher sehen das freilich anders. Etwa Jan Fleischhauer, Blogger bei Spiegel Online. Der beschrieb Mitte März, wie ungefährlich Fracking eigentlich ist: „Tatsächlich besteht der ‚Chemie-Cocktail‘ zu über 90 Prozent aus Wasser.“ Wie beruhigend. Offenbar hebt Wasser ab einer Konzentration von 90 Prozent die Wirkung anderer Substanzen vollständig auf. Den Selbsttest kann jeder gefahrlos mit zehnprozentiger Salzlauge oder – angenehmer – mit einer Flasche Wein wagen.
Das Fracking-Wässerchen verursache laut Fleischhauer lediglich Durchfall. Anders sehen das die Mitglieder der Kampagne „New Yorkers Against Fracking“ – die reden von massiven Gesundheitsproblemen, Krebs, Tod und Geburtsdefekten.
Und jetzt? Warten wir auf den großen Knall? Erst den vom Abriss der Beziehungen zwischen Europa und Russland; dann den vom Knacken der Erdschichten in ein paar Kilometer Tiefe, in die wir Gifte pumpen, von denen ein Großteil nie wieder herausgeholt wird? So weit kommt es hoffentlich nicht. Wer aktiv werden will: Auf Openpetition sucht eine Bürgerinitiative gerade Unterstützer gegen Fracking. (Denny Gille)
Eine sehr kurzweilige Übersicht über Weg und Folgen des Frackinggemisches gibt es hier: www.dangersoffracking.com
*Erst eine OSZE-Mission, die keine war, dann das Ausschweigen über die Schuldigen am Brandanschlag im Gewerkschaftshaus von Odessa (Vergleich Berichte Tagesschau gegen Verdi) und zuletzt die Meldung der Bild am Sonntag über 400 US-Söldner, die gegen die ukrainische Bevölkerung im Einsatz sein sollen.