Wie schätzen Sie für SMA die Entwicklung der Photovoltaikmärkte ein und welche Märkte werden in Zukunft an Relevanz gewinnen oder verlieren?
Jürgen Reinert: Aufgrund der hohen Zubauzahlen der ersten neun Monate in China rechnen wir für 2016 mit einem weltweiten Photovoltaikzubau von 73 Gigawatt. 2017 wird sich der chinesische Markt vor dem Hintergrund der erfolgten Kürzungen der Einspeisevergütungen und der Rücknahme des Ausbauziels durch die Regierung jedoch abkühlen. Für 2017 gehen wir von einem weltweiten Photovoltaikzubau von 65 Gigawatt, für 2018 von 66 Gigawatt aus.
Nord- und Südamerika, China, Japan und Indien werden die Neuinstallationen in den kommenden Jahren anführen. Darüber hinaus werden die Photovoltaikmärkte im Mittleren Osten, Süd-Ost-Asien und Südamerika an Bedeutung gewinnen.
Welche Anlagensegmente schätzen sie derzeit als aussichtsreich ein?
Jürgen Reinert: Das Segment der Photovoltaikgroßanlagen wird mit einem Anteil von über 60 Prozent an der weltweiten Nachfrage auch weiterhin die größte Bedeutung haben. Kleinere Freiflächenanlagen werden dabei zunehmend mit String-Wechselrichtern realisiert. Im Bereich der gewerblichen Anlagen gewinnt das Thema Energiemanagement immer mehr an Bedeutung. Im Bereich der Hausdachanlagen sorgt die zunehmende Verbreitung von Speichern in den bereits entwickelten Solarmärkten sowie das Entstehen neuer Solarmärkte in den Regionen Asien-Pazifik und Südamerika mittelfristig für positive Perspektiven.
Immer mehr Solaranlagen bedeutet auch immer mehr Verantwortung für die Planer, Errichter und Betreiber von Photovoltaiksystemen. Sie müssen ins gesmte Energiesystem eingebunden werden, sie müssen Systemdienstleistungen übernehmen. Ein weiteres Stichwort in diesem Zusammenhang ist die Digitalisierung. Wo sehen sie hier derzeit die technischen Herausforderungen und woran arbeiten Sie momentan?
Jürgen Reinert: Die Integration von Solarstromanlagen ins Gesamtstromsystem ist eines der zentralen Themen von SMA. Mit dem SMA COM Gateway eröffnen wir auch für ältere Anlagen mit RS485-Datenkommunikation die Möglichkeiten einer modernen Speedwire-Kommunikation.
Die Digitalisierung der Energieversorgung bietet technologieorientierten Unternehmen wie SMA viele attraktive Möglichkeiten, und wir haben hier frühzeitig begonnen, technologische Lösungen zu entwickeln. Dazu gehören unter anderem eine hohe Konnektivität unserer Wechselrichter, um eine nahtlose Kommunikation etwa mit Haushaltsgeräten und die problemlose Integration ins Gesamtsystem zu ermöglichen. Wichtig ist hier insbesondere auch die EEBus-Initiative, in der wir uns ebenfalls engagieren.
Darüber hinaus haben wir in diesem Jahr erfolgreich die SMA Energy Services etabliert, in deren Rahmen wir Übertragungsnetzbetreibern und Energiehändlern hochaufgelöste Daten zu Photovoltaikstromerzeugung und –verbrauch zur Verfügung stellen. Damit schaffen wir die Voraussetzungen für die optimale Einbindung von Photovoltaikstrom in die Energienetze und -märkte.
Die Konkurrenz wird größer, immer mehr Anbieter sind am Markt unterwegs. Womit kann man als Wechselrichter- und Speicherhersteller noch punkten, um in einem immer umkämpfteren Markt bestehen zu können?
Jürgen Reinert: Ganz wichtig ist ein vollständiges Produktportfolio, das für jeden Kunden die Lösung bietet, die zu seinen individuellen Anforderungen passt und die ihm effektiv hilft, seine Energiekosten zu senken. Darüber hinaus ist ein umfassendes Serviceangebot mit Ansprechpartnern vor Ort ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal. Mit der zunehmenden Digitalisierung der Energieversorgung gewinnt auch das Thema Datensicherheit – Cyber Security – immer mehr an Bedeutung. Hier können wir insbesondere gegenüber chinesischen Wettbewerbern punkten. Durch intransparente Unternehmensstrukturen können sie die wachsenden Anforderungen an die Datensicherheit häufig nicht erfüllen.
Das Gespräch führte Sven Ullrich.