Es ist heiß diesen Sommer in Deutschland, und tatsächlich der ganzen Welt: In den ersten Juli-Wochen stellte sich der traurige Rekord ein, dass die globale Durchschnittstemperatur sieben Tage hintereinander die höchste bisher gemessene war. Die Bedeutung dieses Zeichens des Klimawandels ist bereits jetzt in Deutschland fühlbar, wie die Hitzewarnungen der vergangenen Wochen verdeutlichen. Für die Zukunft erwartet Andreas Matzarakis vom Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung des Deutscher Wetterdienstes, dass sich die Frequenz der Hitzewellen in Deutschland von drei auf fünf pro Jahr erhöhen wird, während diese zugleich mit einer Dauer von acht statt fünf Tagen länger anhalten.
Diese Prognose verdeutlicht, dass sich Gesellschaft und Einzelpersonen in an die Folgen des Klimawandels anpassen müssen, um negative Auswirkungen zu vermeiden. Das Ausmaß der Klimafolgen hängt insbesondere davon ab, wie gut sich Haushalte auf die prognostizierten Klimaänderungen, hier Hitzewellen, anpassen können. Diese Widerstandsfähigkeit nennt man in der Forschung Resilienz.
1. Kältebedarf als Grundbedürfnis anerkennen
Hitze belastet den menschlichen Körper, und kann neben Dehydration auch einen Sonnenstich oder Hitzschlag hervorrufen. Doch Hitze kann insbesondere bei Vorerkrankungen auch tödlich sein. Als Risiko gelten insbesondere Herz-Kreislauf-Probleme und Atemwegserkrankungen. In Berlin und Brandenburg sind letztes Jahr 635 Menschen hitzebedingt verstorben – eine Vervierfachung im Vergleich zu Durchschnittswert der vorgehenden 40 Jahre. Eine kürzlich veröffentliche Studie schätzt, dass im Hitze-Sommer 2022 in Europa 60.000 Menschen in Folgen von Hitze gestorben sind.
Neben den Vorerkrankungen spielt dabei auch Alter, Geschlecht, Ausbildung, soziale Isolation und Armut sowie Wohnsituation eine Rolle darin, wie hoch das Gesundheitsrisiko von Hitze ist. So wird geschätzt, dass rund 60% mehr hitzebedingte Todesfälle bei Frauen auftreten. Für Deutschland weist die Studie eine Sterberate von 93 Frauen im Vergleich zu 68 Männern pro Millionen aus. Sollte eine wirksame Anpassung an Hitzewellen ausbleiben, wird eine Verdopplung der Todesfälle bis 2050 prognostiziert.
Als ersten Schritt ist es deshalb wichtig, das menschliche Bedürfnis nach Kälte im Sommer ebenso anzuerkennen wie den Wärmebedarf im Winter. Damit kann die persönliche Erfahrung von Hitze zu einem gesellschaftspolitischen Thema werden, bei welchem Ungleichverteilungen als politische Herausforderungen verstanden werden und gezielt die Resilienz von Risikogruppen gefördert wird.
2. Politische Hitzeschutzpläne müssen bis ins Private reichen
Die Einrichtung von öffentlichen Kälteräumen oder Wärmesenken wie beispielsweise Parks, insbesondere in Städten, zielt dabei auf den schnellen Aufbau von Resilienz ab. Solche Hitzeaktionspläne haben aber bisher nur wenige Kommunen entwickelt. Im selben Geiste hat das Bundeskabinett kürzlich das Klimaanpassungsgesetz auf den Weg gebracht, welches sich insbesondere mit der Anpassung der öffentlichen Infrastruktur beschäftigt.
Gleichzeitig spielt auch das Private eine große Rolle. So kann ein soziales Netzwerk die Resilienz stärken, indem zum Beispiel die Enkel den Großeltern an heißen Tagen den Einkauf abnehmen. Hilfreich ist es aber auch, wenn vulnerable Personen im privaten Haushalt eine Klimaanlage nutzen. Im Rückkehrschluss bedeutet daher ein fehlender privater Zugang zu Raumkühlung, dass das Risiko für Gesundheitsfolgen von Hitzewellen steigt.
Die Installation einer Klimaanlage geht aber auch mit Kosten einher. Einkommensschwache Haushalte, die bereits jetzt an Energiearmut leiden, also Schwierigkeiten haben ihre Energiekosten zu decken, stehen dabei vor einem Problem. Neben den Anschaffungskosten für eine Klimaanlage kommen auch die laufenden Kosten für den Strombedarf dazu. Dazu eine Beispielrechnung: Menschen in Energiearmut geben mindestens 10 Prozent ihres Einkommens für Energie aus. Für einen Ein-Personen-Haushalt an der Armutsgrenze würde das bedeuten, dass vom monatlichem Einkommen von 781 Euro pro Monat insgesamt 78 Euro für Energie aufgewendet werden müssen. Bei einem üblichen Strombedarf einer Klimaanlage von 1 kWh pro Stunde, einem Strompreis von 30 ct/kWh und einer täglichen Laufzeit von drei Stunden ergibt sich für die Sommermonate ein Anstieg der Stromrechnung um rund 27 Euro monatlich. Das würde heißen, dass der Haushalt insgesamt sogar 13 Prozent des Einkommens für Energie aufbringen muss – Geld, welches an anderer Stelle, zum Beispiel bei Verbrauchsprodukten oder Nahrungsmitteln, gespart müsste.
Demensprechend können einkommensschwächere Haushalte Schwierigkeiten haben, ihre Resilienz zu stärken und sich an zukünftige Hitzewellen anzupassen. Während in Deutschland Klimaanlagen in Privathaushalten aktuell noch nicht üblich sind, zeigt sich in anderen Ländern bereits, dass einkommensstarke Haushalte zu größerem Anteil Klimaanlagen besitzen als einkommensschwächere. Im Ergebnis werden sie dadurch von Hitzewellen stärker betroffen, und es kann auch zu statistisch häufiger auftretenden Gesundheitsbelastungen kommen. Eine steigende Schere zwischen Einkommensstarken und –schwächeren hinsichtlich der gesundheitlichen Belastungen durch Klimafolgen, in diesem Fall Hitzewellen, kann somit vorausgesehen werden. Da einkommensschwächere Haushalte weniger zum Klimawandel beigetragen haben, handelt es sich hierbei um eine Klimafolgenungerechtigkeit, die mit politischen Maßnahmen begegnet werden muss.
3. Vier Ansatzpunkte für die Förderung von PV-gekoppelten Klimaanlagen
Wie oben beschrieben kann die Nutzung von Klimaanlagen das Gesundheitsrisiko in Hitzewellen senken. Insbesondere von Armut betroffene Haushalten können aber die finanziellen Mittel fehlen, eine Klimaanlage zu installieren oder zu betreiben. Um die Installation und den Betrieb einer Klimaanlage für einkommensschwächere Gruppen zu erleichtern, sollten daher Förderungen in Betracht gezogen werden.
Besonders attraktiv können Förderungen für einkommensschwache Risikogruppen sein, die eine Installation von PV in Kombination mit einer mobilen Klimaanlage, Split-Klimaanlage oder Wärmepumpe unterstützen. Diese Förderungen würden zugleich an mehreren Punkten auf einmal ansetzen: Erstens würden die Förderungen für eine erhöhte Hitzewellen-Resilienz im Sinne der Klimawandelanpassung eingesetzt, und damit Gesundheitsschäden und -belastungen abgeschwächt oder vermieden. Zweitens könnte durch die Anlagen eine höhere Durchdringung erneuerbarer Erzeugung sowie CO2-Emmissionsvermeidung erzielt werden. Drittens könnte Energiearmut durch eine größere Unabhängigkeit einkommensschwächerer Haushalte von Energiepreisen vermindert werden. Und letztens könnte die dezentrale Erzeugung, welche zeitgleich zum Kältebedarf auftreten würde, potentiell eine Entlastung der Verteilnetze bieten.
4. Versorgungssicherheit in Hitzewellen gewährleisten
Gleichzeitig bedeutet eine Erhöhung und elektrisch betriebene Bereitstellung des Kältebedarfs im Sommer, dass der Strombedarf durch dezentralen Klimaanlagen im Netz steigt. Diese Verbrauchssteigerung tritt bereits jetzt ein, da die Nachfrage nach Klimaanlagen in Privathaushalten bereits merklich erhöht ist. An Tagen großer Hitze kann dann lokal und zeitlich konzentriert besonders viel Strom abgefragt werden. Besonders im Spätsommer, wo sich Land- und Wassermassen stärker aufgeheizt haben, könnte aber die Versorgung durch konventionelle Großkraftwerke limitiert sein. Dies konnte man letzten Sommer an den Kühlwasserproblemen von Atomkraftanlagen in Frankreich und von Kohlekraftwerken in Deutschland beobachten.
Es ist daher anzuraten, neben einer Betrachtung der Erzeugungsseite in Hitzewellen auch die dezentral auftretenden erhöhten Kühlbedarfe durch private Klimaanlagen zukünftig in der Netzplanung zu bedenken. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Stromnetz weiterhin verlässlich betrieben werden kann, und nicht wie in Kalifornien Sommer-Hitze zu Netzausfällen führt. Eine Betrachtung solcher Hitzeereignisse ist dabei vergleichbar mit den Stresstests, die für das Stromnetz im Winter 2022/2023 durchgeführt worden sind, um die Auswirkungen vom vermehrten Einsatz elektrischer Heizgeräte zu untersuchen.
Zusammenfassung der Forderungen
Aus den obigen Ausführungen lässt sich zusammenfassen:
1. Die Politik sollte den individuellen Bedarf nach Kälte im Sommer als Grundbedürfnis anerkennen, vergleichbar mit dem Bedarf nach Wärme im Winter.
2. Politische Maßnahmenkataloge sollten über öffentliche Infrastruktur hinaus in den privaten Haushalt reichen. Eine Versäumnis von Maßnahmen im privaten Bereich für besonders betroffene Gruppen kann zu hitzebedingte Gesundheitsfolgen führen, die Einkommensärmere stärker betreffen könnten. Dies ist als Klimafolgenungerechtigkeit zu bewerten.
3. Eine Förderung von dezentralen mobilen Klimaanlagen, Split-Klimaanlagen, Wärmepumpen in Kombination mit PV für einkommensschwache Risikogruppen, insbesondere Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen, kann gleichzeitig der Klimafolgenanpassung und Klimawandelvermeidung dienen und ist daher besonders empfehlenswert.
4. Der steigende private Kältebedarf muss in künftigen Energieszenarien und Netzplanungen miteinbezogen werden. Kurzfristig sollten die Folgen von Hitzetagen und lange anhaltenden Hitzewellen unter Annahme eines steigenden Durchdringungsgrades von Klimaanlagen auf das Verteilungsnetz untersucht werden.
Zusammenfassend sollten wir uns mit Blick auf den aktuellen Hitzesommer nicht nur fragen, welche Auswirkungen er auf die Gesundheit der Bevölkerung hat – sondern auch, wer durch die Hitze besonders gefährdet ist. Diese Gruppen müssen dann gezielt unterstützt werden. Dazu ist sowohl gute Planung von Energiesystemen, als auch die Politik gefragt.
Autorin: Martha Hoffmann, Reiner-Lemoine-Stiftung, weitere Infos hier.