Windgegner und -skeptiker spekulieren seit Jahren über eine gesundheitsschädliche Wirkung von Geräuschen von Windenergieanlagen. Dabei geht es häufig um Schlafstörungen und daraus ableitbare Symptome wie Kopfschmerzen und Gereiztheit.
Forscher des Instituts für Psychologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und des Deutschen Windenergieinstituts DEWI untersuchten die Geräuschwirkungen nun genauer. Gefördert durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) und Windparkbetreiber WPD haben sie beim Windpark Wilstedt untersucht, wie viele Bürger sich von den neun Zwei-Megawatt-Anlagen belästigt fühlen – und in welchem Betriebszustand.
„Dieser Feldversuch ist weltweit einmalig“, sagt Projektleiterin Gundula Hübner, Professorin für Psychologie an der Universität Halle-Wittenberg und der Medical School Hamburg. 200 Anwohner haben die Psychologen befragt, zehn Prozent beklagten eine starke Beeinträchtigung – vor allem nachts. Wer sich belästigt gefühlt hat, konnte die störenden Geräusche mit einem speziellen Audiorekorder aufnehmen. Zusätzlich hat auch das DEWI Akustikmessungen vorgenommen.
Das Ergebnis aus den Audioaufnahmen und den Befragungen der vom Windschall beeinträchtigten Personen: Verantwortlich für die Schlafstörungen ist wahrscheinlich die so genannte Amplitudenmodulation. „Das ist ein kleiner Ausschlag im Schallpegel“, sagt Gundula Hübner. Der kleine akustische Ausreißer tritt in etwa dort auf, wo der Flügel den 90-Grad-Winkel zum Turm passiert, hat das DEWI ermittelt. Anwohner beschreiben das Geräusch als eine Art Fauchen oder an- und abschwellendes Rauschen.
Die Nähe des einzelnen Bürgers zum Windpark spielt für das Störempfinden kaum eine Rolle. „Das spricht für unsere Richtlinien im Schallimmissionsschutz. Nachts überschreiten die Anlagen nicht den Richtwert von 45 Dezibel. Die meisten Anwohner nehmen sie daher kaum wahr“, sagt Hübner. Das Flüstern im Park ist viel leiser als dieser Grenzwert – dafür kann er empfindliche Personen in 1.000 Meter Entfernung genauso aus dem Schlaf reißen wie in 2.000 Meter Entfernung.
Vor allem in der Einschlafphase und bei mittlerer Windgeschwindigkeit nehmen die Betroffenen das Windparkgeflüster wahr. Bei Starkwind dagegen nicht, denn hier übertönen die vielen Nebengeräusche die Amplitudenmodulation. „Das Geräusch bindet Aufmerksamkeit. Betroffene, die es im flachen Schlaf wahrnehmen, schrecken zunächst hoch. Erst dann wird ihnen bewusst, dass die Störung nur von den Windenergieanlagen kommt“, sagt Hübner. In der Fachsprache bezeichnet man das als Trigger – den Auslöser einer psychologischen Reaktion.
Den wollen die Projektbeteiligten nun reduzieren. Im nächsten halben Jahr wird Enercon verschiedene Betriebsmodi des Windparks zwischen 22 und 2 Uhr ausprobieren. Alle zwei Wochen werden Interviews mit den Betroffenen geführt, wie sie die Nächte empfunden haben. Was dabei jeweils an den Anlagen geändert wurde oder ob man überhaupt etwas verändert hat, erfahren die Interviewten dabei nicht. Der Grund: „Das ist ein richtiges Experiment. Den Einfluss persönlicher Erwartungen auf die Wahrnehmung wollen wir dabei ausschalten“, sagt Hübner. So hoffen die Beteiligten, die letzten zehn Prozent der Bevölkerung von störenden Windparkgeräuschen zu befreien. Ob das funktioniert, wird bis Sommer 2014 geklärt.
(Denny Gille)