Auf mehr als 70 Gigawatt summieren sich Photovoltaikanlagen und die großen Windturbinen 2014 in Deutschland. Und die kleine Windkraft? Die spielt mit ein paar Megawatt praktisch keine Rolle bei der Energiewende. Der Ausbau kommt nicht voran. Auch weil es sehr teuer und aufwändig ist, wirtschaftliche Standorte zu finden.
„Da musste etwas getan werden“, sagt Martina Klärle, Professorin für Landmanagement an der Fachhochschule Frankfurt. Sie hat in den letzten zwei Jahren ein Verfahren entwickelt, das die besten Windstandorte für die Kleinwindernte in der Stadt und auf dem Land finden soll.
Die Idee brachte der Supermarkt
Gäbe es gegenüber der Hochschule keinen Supermarkt, wäre es dazu wohl nie gekommen. „Wir gehen da häufig einkaufen. Und egal, bei welchem Wetter, vor dem Markt zieht es immer“, sagt Klärle. Diese Erkenntnis gab den Ausschlag für das Projekt Wind-Area. Das Ziel: Mithilfe einer Strömungssimulation soll Wind-Area aus den lokalen Geländeeigenschaften und Winddaten detailliert die Windverhältnisse berechnen.
Klärle weiß: „In der Stadt und auf dem Land gibt es immer zugige Ecken.“ Der sogenannte Venturi-Effekt lässt in Bodennähe, an Hauswänden, zwischen Böschungen und Mauern kleine Starkwindkanäle entstehen. Hier kann die durchschnittliche Jahreswindgeschwindigkeit im Stadtgebiet schon mal vier bis fünf Meter pro Sekunde erreichen – in Höhen zwischen einem und zehn Meter über Boden und Häusern. In einer Stadt wie Frankfurt am Main lassen sich laut Klärle viele Standorte finden, die sich für die Windenergienutzung eignen.
Zur Berechnung des Windaufkommens nutzte die Professorin 3D-Geodaten. „Die sind in hoher Auflösung mittlerweile in jedem Bundesland verfügbar.“ Die Bundesländer haben ihre Gebiete per Flugzeug mit einem Laserscanner abgescannt, um den Verlauf von Hochwasser und Schallausbreitung berechnen zu können. Zusammen mit den regionalen Winddaten lassen sich die 3D-Geoinformationen zur Bestimmung der Windverhältnisse verwenden.
Hilfestellung bei der Anlagensuche
„Für Frankfurt liegt die Auflösung bei 20 Messpunkten pro Quadratmeter“, sagt Klärle. Das Datenvolumen war anfangs so hoch, dass es die Kapazitätsgrenzen der Hochleistungsrechner der Hochschule gesprengt hat. Martina Klärle hat die Methode daher so weiterentwickelt, dass bei gleicher Genauigkeit nur noch etwa ein Zehntel der Daten verarbeitet werden muss.
Im Projekt entstanden Windkarten für drei Standorte: In einem Gebiet im Stadtteil Frankfurt-Höchst, auf dem Land im hessischen Lautertal und im bayerischen Waldaschaff ersetzt Wind-Area kostspielige Messkampagnen für die Kleinwindplanung. Die Genauigkeit der Methode wurde mit mehrmonatigen Anemometer-Messungen verifiziert.
Analyse auf andere Städte übertragbar
Die automatisierte Windpotenzialanalyse soll sich problemlos auf weitere Städte und Landschaften ausweiten lassen. Für eine komplette Stadt liegen die Kosten dafür je nach Stadtgröße im Bereich eines Klein- bis Mittelklassewagens. Das System arbeitet so genau, dass sich selbst entlang einer Straße noch punktuell die allerbesten Windstandorte finden lassen. Die Genauigkeitstoleranzen zwischen jedem untersuchten Quadratmeter liegen dabei unter 0,1 Meter pro Sekunde Windgeschwindigkeit.
Wind-Area gibt zudem Auskunft über die Windrichtung und darüber, wie stabil sie an einem Standort ist. Das sei bei der Wahl des Kleinwindrads entscheidend. „Wechselt die Windrichtung alle fünf Minuten, kann eine windrichtungsunabhängige Windenergieanlage mit vertikaler Achse durchaus mehr Sinn machen als der klassische Horizontalachser“, sagt Klärle.
Sie plant nun den Aufbau eines sogenannten Web-Gis. Solch ein Geoinformationsdienst könnte in der Optik von Google Maps die Windgeschwindigkeiten im Stadtgebiet online verfügbar machen. Zum Beispiel in Schritten von 0,1 Meter pro Sekunde für Höhenschichten von einem bis zehn Meter. (Denny Gille)
Dieser Artikel ist in der Printausgabe von ERNEUERBARE ENERGIEN von Juni 2014 erschienen. Gefällt er Ihnen? Holen Sie sich jetzt ein kostenloses Probeabo unseres Magazins.