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EEG-Systemwechsel 2017

Frühanalyse Ausschreibungen: Vom Windmarkt Deutschland …

„Unter dem Strich war dies formal ein gelungener Start“, sagte der Präsident des Bundesverbands Windenergie (BWE), Hermann Albers“ am Montag vorige Woche in Berlin. Mit einem Wochenende Abstand zur Präsentation der Ausschreibungsergebnisse durch die Bundesnetzagentur (BNA) verwies er so bei einer Pressekonferenz auf erste wichtige Schlussfolgerungen der Branche. „Die erste Ausschreibungsrunde Wind an Land wird von Bürgerenergie geprägt, das ist in dieser Massivität überraschend, aber erst einmal ein erfreuliches Signal. Diese Akteursgruppe bildet eine Basis für die Akzeptanz vor Ort“, sagte Albers.

Außer dem BWE hatten auch der Maschinen- und Anlagenbauverband VDMA und die Organisationsgesellschaft der diesjährigen Branchenmesse in Husum zu der Pressekonferenz eingeladen um die Bilanz der BNA vom Freitag – drei Tage zuvor – zu kommentieren. Die BNA ist die Organisatorin der neuen deutschen Ausschreibungen für Windenergie an Land, deren erste Runde am 1. Mai stattgefunden hatte. Wie der BWE werten auch der VDMA und die Messe Husum das Ausschreibungsergebnis als insgesamt eher positiv. In der Ausschreibung von 807 Megawatt (MW) hatten laut BNA 65 von 70 siegreichen Projekten als Bürgerwindvorhaben einen Zuschlag erhalten. Der mittlere Zuschlagspreis der Vergütung ergab 5,71 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Die Bürgerwindprojekte hatten sich die höchste bezuschlagte Vergütung von 5,78 Cent pro kWh sichern können. Als niedrigste Vergütung hatte der Bieterwettbewerb 5,25 Cent pro kWh ergeben.

Der energiepolitische Sprecher des VDMA, Matthias Zehlinger, sagte, herausgekommen sei ein „ausreichend hoher Wettbewerb, der … zu relativ günstigen Vergütungssätzen führt.“ Während der BWE den Ausschreibungen vom Grundsatz her skeptisch gegenüber steht, war der VDMA immer für das im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2017 eingeführte Instrument: Die Ausschreibungen seien ein „geeignetes Instrument für Innovation und Mengensteuerung“, betonte Zehlinger auch jetzt. Schon am Freitag drei Tage zuvor hatte er gelobt: „Überzeichnung und damit Wettbewerb sowie im Ergebnis relativ günstige Vergütungssätze zeigen in die mit den Ausschreibungen beabsichtigte Richtung.“ Der Geschäftsführer der Messe Husum, Peter Becker, nannte die erzielten Vergütungswerte „durchweg positiv. Durch das neue Vergabeverfahren konnte das Zuschlagsniveau gesenkt und ein vitaler Wettbewerb generiert werden.“

Hintergrund des Interesses an erfolgreicher Beteiligung von Bürgerenergiegesellschaften einerseits und an Wettbewerb andererseits sind die im EEG 2017 genannten Ziele. Die Befürworter der bisherigen kleinteiligen Struktur deutscher Windstromerzeugung hatten kurz vor deren Beschluss in die Novelle des bisherigen EEG von 2014 noch einen Passus hineinbekommen, der Bürgerenergie besonders fördert: Gesellschaften, die gemäß bestimmten Kriterien wie Investitionen durch Anwohner eines Windparkprojekts als Bürgerwindgesellschaften gelten, müssen für die Ausschreibungen noch keine Baugenehmigung vorweisen. Außerdem haben sie zwei Jahre länger Zeit als andere Bieter und damit 54 Monate, um die Windparks zu bauen. Und schließlich: Zwar erhalten sie den Zuschlag auch nur, wenn sie für die Windstromeinspeisung am wenigsten Vergütung verlangen. Doch ihre tatsächliche Vergütung bemisst sich dennoch nach dem höchsten noch siegreichen Gebot der Ausschreibungsrunde. Hauptziel des EEG 2017 aber ist es, einen gesunden Wettbewerb mit vielen Beteiligten zu garantieren, in dem die Preise für Windstrom fallen.

Weitere Daten der BNA illustrieren die hohe und erfolgreiche Beteiligung an der ersten deutschen Windstrom-Auktionsrunde für Bauprojekte an Land – und die starke Rolle der Bürgerwindprojektierer in diesem Wettbewerb: 256 Gebote für ein Gesamt-Erzeugungsvolumen von 2.137 MW bedeuteten eine dreifache Überzeichnung der ausgeschriebenen Vergütungen von 807 MW. Und diese Gebote kamen zu 70 Prozent von Bürgerwindgesellschaften.

Andererseits: Weil die Bürgerwindparks erst spätestens in viereinhalb Jahren ans Netz angeschlossen werden müssen, mahnen nicht wenige Stimmen zu einer vorzeitigen Bilanz der ersten Ausschreibungen. So warnen Verbände wie der BWE bereits: Welche Windparks aus den Projekten mit Zuschlägen aus dieser ersten Auktion wirklich gebaut werden können, und für welche in der Hitze des Wettbewerbs unrealistische Gebote beziehungsweise Ziele gesetzt wurden, müsse sich erst noch zeigen. Der BWE fordert entsprechend, dass aufgegebene Erzeugungsvolumen aus gescheiterten Ausschreibungsprojekten als zusätzliche Ausschreibungsmengen in späteren Auktionsrunden neu versteigert werden.

Von ins Bodenlose fallenden Ausschreibungsgeboten, die für die Windkraft ein Ende aller finanziellen Förderung bedeuteten, ist nicht mehr die Rede. Als „erwartbar“ hatte der BWE die nun herausgekommenen Einspeisepreise in seiner ersten Reaktion eingestuft. Allerdings ist das nicht ganz richtig. Hinter vorgehaltener Hand war unter dem Eindruck der ersten deutschen Offshore-Windenergie-Ausschreibungen mit auf 0 Cent gefallenen Einspeisevergütungen noch im April sogar schon von Preisen von um die vier Cent pro kWh bei den Onshore-Windparks die Rede.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hatte sogar gleich nach Bekanntgabe der Onshore-Auktionsergebnisse gewarnt, es sei nun sofort zu prüfen, „ob hier Gesellschaften zum Zug kamen, in denen tatsächlich engagierte Bürger die Zügel in der Hand halten – oder in wie vielen Fällen am Ende doch versteckte Großinvestoren dahinterstecken“. So äußerte sich Marcel Keiffenheim, der Politikleiter der Energiegenossenschaft der Organisation, Greenpeace Energy, mit Verweis auf mögliche Schlupflöcher in der Bürgerwindregelung des EEG 2017. Auch der Vorstand im Bündnis Bürgerenergie, René Mono, sagte: Denkbar wäre, „dass sich in Wahrheit Großinvestoren hinter Bürgerenergiegesellschaften verbergen“. Denn die Definitions- und Nachweisregeln im EEG für Bürgerwindprojekte sind zwar zahlreich und umfassend. Allerdings kann auch sie nicht endgültig definieren, woher das Kapital für die Investition der Bürger kommen darf und ob dadurch nicht zumindest mittelfristig im Verlauf der Betriebszeit eines Windparks die Kapitalgeber an Einfluss gewinnen.

Passt dazu die Erfolgsmeldung des traditionellen und stark gewachsenen Uckermärker Projektierungsunternehmens Enertrag vom Freitag, 20 Prozent des bezuschlagten Erzeugungsvolumens hätten von Enertrag organisierte und geplante Projekte gewonnen? „13 von uns in der Ausschreibung unterstützte Windenergieprojekte von Bürgerenergiegesellschaften mit insgesamt fast 160 MW haben in der Ausschreibung einen Zuschlag der Bundesnetzagentur erhalten. Wir sind stolz darauf“, teilte Enertrag mit und ergänzte: „Wir führen dies auf die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Bürgerenergiegesellschaften zurück. Diese Leistungen bieten wir seit mehreren Jahren erfolgreich durch eine eigene Abteilung am bundesdeutschen Markt an.“ Auf Nachfrage erklärt Enertrag, dass das Unternehmen für alle Projektierungen vertraglich mit der schlüsselfertigen Errichtung der Windparks beauftragt sei. Enertrag besitze aber keinerlei eigene Anteile an diesen Projekten.

Möglicherweise ist es aber, wie die Schweizer Energie-Investorengesellschaft Recap monierte: Das Unternehmen brachte sich unlängst mit ersten Investitionen in neue deutsche Windparks als neuer Akteur in Stellung. Nun kritisiert es mit Verweis auf den Siegeszug der Bürgerwindprojekte in der ersten Ausschreibungsrunde, es werde für „institutionelle Investoren … in Zukunft auf dem deutschen Wind-Markt deutlich weniger attraktive Anlagemöglichkeiten geben. Aus dieser Ausschreibungsrunde beispielsweise gibt es keine Projekte, die Finanzinvestoren zugänglich sind.“ Nach dieser Sichtweise würden die traditionellen Windenergie-Projektierer bei der ersten Ausschreibung und vielleicht auch künftig sich auf möglicherweise sogar gut bezahlte Dienstleistungen konzentrieren. Ihre eigene Investorenrolle gäben sie hingegen mehr und mehr auf.

Fest steht freilich auch, dass die statistisch nun herausgekommene Bürgerbeteiligung nicht automatisch zu einer breiten Verteilung der Projektierungen in ganz Deutschland führen muss. Zwar lobte das Bundeswirtschaftsministerium (BMWI) zunächst, dass sich die siegreichen Projekte auf immerhin 9 von 16 Bundesländern verteilten. Dies wertete das BMWI als Zeichen dafür, dass die Ausschreibungsregeln weiterhin Windenergie sowohl in küstennahen windreichen Regionen Nord- und Ostdeutschlands als auch in windschwächeren Regionen Süddeutschlands ermögliche.

Doch so großartig ist die großräumige Verteilung der Zuschläge für neue Windparks durch die Ausschreibung eben nicht: So ergab die Ausschreibung für ganz Süddeutschland mit Baden-Württemberg, Bayern, Saarland und Rheinland-Pfalz gerade einmal grünes Licht zu einem Ausbauvolumen von 50 MW. Die vier Zuschläge dafür entsprechen gerade einmal sechs Prozent des in der Ausschreibung zum Zuge kommenden Gesamtausbauvolumens auf rund einem Drittel beziehungsweise gut 30 Prozent der Fläche Gesamtdeutschlands. In den mitteldeutschen Bundesländern Sachsen und Thüringen gab es außerdem keinen einzigen Zuschlag – wobei Thüringen anders als Sachsen die Windenergie fördern möchte. Auch das süddeutsche Baden-Württemberg, seit Antritt des grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann eines der bundesdeutschen Vorreiterländer für Windkraft, ging leer aus. Und selbst Sachsen-Anhalt, ein eher zu den führenden Windkraftregionen zählendes mitteldeutsches Bundesland, erzielte nur einen Zuschlag mit 16,8 MW.

In Bayern war das geplante Sechs-Turbinen-Projekt Elfershausen mit 16,8 MW eines von nur zwei Vorhaben, die in dem Freistaat überhaupt einen Zuschlag bekamen. Beauftragt mit der Projektierung ist die Osnabrücker Firma Prowind. Sie hofft, die Baugenehmigung bis Jahresende zu erreichen. Zuvor müsse die Kommune noch den Flächennutzungsplan verabschieden, betont ein Sprecher bei Prowind. Die Investoren aus dem Landkreis stehen schon fest. „Wir selbst sind nicht mit Anteilen am Projekt beteiligt. Doch woher die Kommanditisten für das einzubringende weitere Kapital stammen werden, steht noch nicht fest“, sagt der Sprecher auch. Diese Bürgerbeteiligung dazu müsse noch organisiert werden.

(Tilman Weber)