Henning Weisbarth, Originator Eurowind Energy, spricht über Strompreise und Direktvermarktung.
Womit beschäftigen Sie sich als Originator?
Henning Weisbarth: Als deutscher „Power Originator“ auf Seiten des großen dänischen Anlagenbetreibers Eurowind Energy mit Sitz in Hobro, Dänemark, bin ich für eine ganze Bandbreite an Fragestellungen und Prozessen im Zusammenhang mit der Stromvermarktung unserer erneuerbaren Anlagen, Stand 2023 noch immer vornehmlich Windkraftanlagen, befasst und kommerziell verantwortlich. Dabei spielt die zunehmend jährlich kommerziell und regulatorisch abzustimmende Direktvermarktung nach wie vor die zentrale Rolle. Als Eurowind Energy arbeiten wir mit über 20 Direktvermarktern im Deutschen Markt zusammen. Dabei sind wir nicht allein an anlagen- und marktgerechten Preisen für den Handel unserer Anlagen gegenüber den beiden Spotmärkten Day-Ahead-, Intraday-Markt interessiert, sondern schauen auch – je nach Preis- und Projektlage – mit unseren Partnern nach Möglichkeiten, wie wir uns als Anlagenbetreiber gegenüber dem Risiko fallender Preise so aufstellen können, dass die Projekte gut und mit hinreichend sicheren Deckungsbeiträgen ihren Beitrag zur gelingenden Energiewende liefern können.
Was muss man bei der Abrechnung über Monatsmarktwerte bei der Direktvermarktung beachten?
Henning Weisbarth: Bei der für viele Anlagenbetreiber und in der Branche tätigen Unternehmen bekannten geförderten Marktprämienvermarktung ist in den letzten Jahren ein zunehmendes Bewusstsein rund um die häufiger auftretenden Marktlagen mit negativen Strompreisen im Spothandel gewachsen. Häufig wurde in diesem Zusammenhang über den § 51 EEG und die sogenannte Sechs- bzw. Vier-Stunden-Regel insbesondere im Zusammenhang mit der Finanzierbarkeit neuer Anlagen gesprochen und auf politischer Ebene gegen eine weitere Verschärfung der wegfallenden Marktprämienförderung gearbeitet. Weniger breit verstanden ist der Umstand, dass bei geringen oder gar negativen Stundenpreisen entgegen der Tatsache des sehr guten Wind- oder Solardargebots eine Anlage kontra-intuitiv keinen Strom produzieren sollte. Das ist unabhängig von der getroffenen Abrechnungsregelung im jeweiligen Direktvermarktungsvertrag, dass man zu diesen Zeiten den Monatsmarktwert ausgezahlt bekommt oder nicht.
Sind nach Ihrer Erfahrung viele Windparkbetreiber betroffen? Gibt es dort häufig negative Auswirkungen?
Henning Weisbarth: Tendenziell ist jeder Betreiber ohne eine langfristige Preisabsicherung (hier variiert die Betroffenheit) von dieser Mechanik des Spotmarktes betroffen: Energie, die zu Zeiten erzeugt wird, zu denen kein einziger Abnehmer in einer Preiszone eine weitere (zur Erzeugung angemeldete) Kilowattstunde aufnehmen kann bzw. will, erhält auch für alle „benötigten“, d.h. unter dieser Lastgrenze nachgefragten Kilowattstunden das Etikett „hat keinen Wert“ (das heiß: Der Preis ist gleich Null oder negativ). Dies ist in gewisser Weise der im Zusammenhang mit der Hochpreisphase häufig in der Diskussion auftauchende Merit-Order-Effekt am anderen Ende der Kraftwerkspyramide: Die erneuerbaren Energien (und einige unflexible Kraftwerke) würden ohne Abregelungen mehr Leistung bereitstellen, als benötigt wird. Was auf den ersten Blick als widersinnig erscheint, erzielt jedoch auf sehr einfache Weise eine wichtige und notwendige Koordinationsfunktions im Stromsystem: Zu niedrigen bzw. negativen Preisen bringt diese Art der Preisbildung die Erzeugungs- und Verbrauchsprognosen schon weit vor der physischen Lieferung in ein bestmöglich passendes Gleichgewicht. Und das ohne, dass es der hundertausendfachen Abstimmung über Fahrpläne zwischen Erzeugern und Verbrauchern oder dem nur für die unvermeintlichen Restmengen vorgesehenen Einsatz der aufwändig vorzuhaltenden Regelenergie bedarf.
Was folgt daraus? Wie kann man zusammen mit dem Direktvermarkter hier eine Lösung finden?
Henning Weisbarth: Es ist zentral für die Funktion eines zunehmend von erneuerbaren Energien getragenen Stromsystems, dass Anlagenbetreiber bereitwillig und proaktiv ihre Anlagen an den Lastprognosen ausrichten und mit entsprechend sicher und zuverlässig funktionierenden Fernsteuerungssystemen ausstatten und ihre Direktvermarker auch aktiv zur Abregelung ihrer Anlagen bei negativen Spot-Preisen auffordern. Die Regelungungen in § 10b EEG zu den Anforderungen an die funktionierenden Fernsteuerungssysteme in Zusammenhang mit den Zahlungen bei Pflichtverstößen gem. § 52 EEG sollten Anlagenbetreiber nicht allein als Ärgernis von Seite des Gesetzgebers aufnehmen, sondern als zusätzlichen Anschub und Aufforderung für die kommerzielle Relevanz dieser bedarfsangepassten Fahrweise mit aktiver Entscheidung zur „Nicht-Produktion“ betrachten.
Gewähren Sie uns zum Abschluss noch einen Blick in einen wenig transparenten Markt: Intraday-Optimierung. Was muss man hier wissen, etwa bezüglich der Erlöse der Direktvermarkter?
Henning Weisbarth: Anders als der Day-Ahead-Spotmarkt gilt auf dem Intraday-Markt der Preisbildungsmechanismus Pay-as-Bid. Das bedeutet, dass es keinen einheitlich gültigen und für alle Markteilnehmer für ein Produkt geltenden Preis gibt, sondern je nach gebotenenem Preis, der gebotenen Menge und der Nachfrage zu diesem Produkt (hier werden unter anderem auch die kürzer andauernden 15-Minuten-Scheiben gehandelt), es unterschiedliche Preise für die Bezuschlagung in der gleichen Zeitscheibe gibt. Dieser Umstand macht die Beobachtung durch den Anlagenbetreiber ohne Einblicke in die Orderbücher der Händler nur in einer gewissen Näherung möglich: Minimal-, Höchst- und Durchschnittspreis je Produkt bzw. Zeitscheiben werden von der Börse für den Intraday-Markt veröffentlicht. Bekannt ist, dass auf diesem Markt kaum ein Händler Verluste macht – ob er diese Erlöse jedoch mit dem Anlagenbetreiber teilt oder weitergibt – dies gilt es einmal für die BWE-Konferenz im März abzuschätzen. Man darf gespannt sein.
Fachkonferenz
Windenergie Finanzierung und Direktvermarktung
13. – 14. März | Berlin
Mehr unter: www.bwe-seminare.de/fiwi