Oliver Hummel
Betreiber alter Windenergieanlagen hatten den Countdown sicher schon ticken gehört: Zum Jahresende läuft die EEG-Vergütung für rund 5.000 Anlagen mit einer Leistung von circa 3.700 Megawatt (MW) aus. Bis zuletzt war offen, ob es für diese Anlagen in der aktuellen EEG-Novelle eine Anschlusslösung geben würde. Das ist nun der Fall, die Koalitionsfraktionen haben sich auf der Zielgeraden doch noch geeinigt. Der Worst Case für die Energiewende, nämlich die drohende Stilllegung vieler dieser ausgeförderten Anlagen, dürfte somit vom Tisch sein.
Ausgeförderte Windräder, die noch keinen Vertrag abbekommen haben, können den Strom weiter an den Netzbetreiber abgeben. Hierfür bekommen sie eine Vergütung in Höhe des Windmarktwertes auf Jahresbasis sowie einen kleinen Aufschlag. Dieser Aufschlag beträgt von Januar bis Ende Juni 1 Cent pro Kilowattstunde (kWh), von Juli bis September 0,5 Cent/kWh und von Oktober bis Ende 2021 noch 0,25 Cent/kWh. Hiervon wird wiederum ein Abschlag abgezogen, den die Netzbetreiber für die Vermarktung erheben. Der Abschlag beträgt 0,4 Cent/kWh und reduziert sich auf 0,2 Cent/kWh für alle Anlagen, die mit einem intelligenten Messsystem ausgestattet sind. Unter dem Strich werden also die meisten Anlagenbetreiber mit einem Aufschlag von 0,6 Cent/kWh im ersten Halbjahr 2021 leben müssen, der sich dann auf 0,1 Cent/kWh reduziert und der im letzten Quartal 2021 nicht einmal die Abschläge der Vermarktungsentgelte aufwiegt. Zudem muss dieser Aufschlag von der Europäischen Kommission noch beihilferechtlich genehmigt werden, was nach ersten Einschätzungen keineswegs sicher ist.
Des Weiteren soll das Bundeswirtschaftsministerium möglichst rasch eine Verordnung nachschieben, damit bis spätestens Juni Ausschreibungen für Altanlagen starten können. Teilnehmen dürfen sollen nur Windenergieanlagen außerhalb von Windeignungsgebieten, für die also kein Repowering infrage kommt. Zwei Ausschreibungsrunden sind vorgesehen, das Volumen beträgt vermutlich 1.500 MW in der ersten und nach aktuellem Stand 1.000 MW in der zweiten Runde. Das Bundeswirtschaftsministerium kann das Volumen jedoch per Verordnung noch rauf oder runter regeln und auch die genauen Termine der Ausschreibungen festgelegen. Über die Ausschreibungen sollen die Vergütungen für den Rest des Jahres 2021 und für das Jahr 2022 im Wettbewerb bestimmt werden. Der zulässige Höchstwert für Gebote soll zwischen 3,0 und 3,8 Cent/kWh liegen, die genaue Ausgestaltung legt das EEG in die Hände von Wirtschaftsministerium und Bundesnetzagentur.
Diese Regelungen sind für die Betreiber sicherlich kein Ruhekissen – und das ist bei allem Respekt vor der Pionierleistung der ersten Windmüller auch gut so. Wenn auch die Spätfolgen der Corona-Turbulenzen ausgestanden sind und sich die gegenwärtig zu beobachtende Erholung der Börsenstrompreise fortsetzt, müssen sich die Anlagen im Markt behaupten können. Es gibt genug Kniffe, von der Vermarktung über eine Pachtreduzierung bis zu Service und Wartung, die dies für einen Großteil der Anlagen ermöglichen.
Allerdings: Auch wenn die kurzfristige Auffanglösung also grundsätzlich zu begrüßen ist, hätte sie – wie so vieles in der EEG-Novelle – besser ausfallen können. Mit den pauschalen Zuschlägen wird die sehr unterschiedliche Ausgangslage von Anlagen an der Küste und im Binnenland ignoriert. Während Betreiber an guten Standorten mit den Regelungen sicher gut zurechtkommen werden, dürfte es für etliche Anlagen im Binnenland sehr eng werden. Immerhin werden die Ausschreibungen aller Voraussicht nach einen Ausgleichsmechanismus beinhalten, da die Gebote auf einen anzulegenden Wert abzugeben sind, der wie schon in den bisherigen Ausschreibungen für Neuanlagen die unterschiedlichen Standortgüten mittels Korrekturfaktor angleicht.
Besser wäre es dennoch gewesen, von vornherein die Höhe einer Auffangvergütung am Referenzertrag auszurichten, wie wir von Naturstrom es schon im Sommer vorgeschlagen hatten. Der Aufschlag an Binnenlandstandorten hätte dann etwas höher ausfallen können, während es für Anlagen an Top-Standorten je nach Marktlage gar keinen Zuschlag hätte geben müssen.
Eine bittere Pille ist zudem die Beschränkung der Übergangslösung auf die klassische Stromabgabe an die Netzbetreiber. Nichts spräche dagegen, die Vermarktung der Stromerzeugung analog zur regulären Direktvermarktung zuzulassen – und somit natürlich ohne Ausstellung von Herkunftsnachweisen. Es ist nicht ersichtlich, warum der Gesetzgeber diese marktliche Variante, die ansonsten ja absoluter Standard bei der Windenergie ist, unterbunden hat.
Das Fazit ist dennoch positiv: Das EEG enthält eine Übergangslösung für ausgeförderte Windräder, was noch im September in weiter Ferne schien. Trotz mancher Tücken wird sie ihren Zweck erfüllen und den Betreibern nach dem auch im Strommarkt sehr turbulenten Corona-Jahr 2020 Sicherheit im Übergang zum Markt vermitteln. Die Wahrscheinlichkeit, dass Anlagen überhastet stillgelegt werden, ist nun deutlich geringer – gut für die Betreiber, die Vermarkter und die Energiewende. Und mit weiterer Erholung der Stromgroßhandelspreise und angesichts des degressiv angelegten Aufschlags wird der Markt spätestens ab dem zweiten Halbjahr 2021 auch bei den ausgeförderten Anlagen Einzug halten.
Gastbeitrag von Oliver Hummel, Vorstand von Grünstromversorger Naturstrom
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