Um die Dekarbonisierungsziele und die in Paris vereinbarte Begrenzung der Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad zu erreichen, isst weltweit der Ausbau der Photovoltaik auf 75 Terawatt Leistung notwendig. Das ist das Ergebnis eines Workshops von Solarforscher:innen aus aller Welt in Freiburg unter dem Vorsitz des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE). Daran haben neben den Forscher:innen des Fraunhofer ISE auch Wissenschaftler:innen des National Renewable Research Laboratory (NREL) in Golden, Colorado, und dem National Institute of Advanced Industrial Science and Technology (AIST) in Tokio und weiteren 38 Institutionen aus 15 Ländern teilgenommen.
25 Prozent mehr pro Jahr ist notwendig
Die Forscher:innen gehen bei ihren Prognosen davon aus, dass die Weltbevölkerung bis 2050 auf zehn Milliarden ansteigen wird. Auch der Energieverbrauch wird vor allem im globalen Süden weiter steigen. Das 75-Terawatt-Ziel bedeutet, dass in den nächsten zehn Jahren der Ausbau der Photovoltaik jedes Jahr um 25 Prozent steigen und danach kontinuierlich weitergehen muss. Denn derzeit ist gerade ein Terawatt Solarstromleistung installiert. 74 weitere Terawatt müssen innerhalb der nächsten 23 Jahre folgen. „Die Ermittlung eines Zielbereichs für den erforderlichen Photovoltaikausbau, der mit einem realistisch erreichbaren Pfad zu den Klimazielen und einem möglichen Photovoltaikproduktionsaufbau in Einklang steht, ist entscheidend, um wirtschaftliche und politische Ziele festlegen zu können“, begründet Andreas Bett, Institutsleiter des Fraunhofer ISE, die Notwendigkeit, eine konkrete Ausbauprognose zu erstellen.
Es sei keine Option mehr, Wachstumsprognosen für die Photovoltaik abzusenken und stattdessen auf andere Energiequellen zu setzen oder auf das Eintreten technologischer Wunder in letzter Minute zu warten, argumentieren die Wissenschaftler:innen. Sie sind optimistisch, dass der notwendige Ausbau gelingt, wenn die noch bestehenden politischen, administrativen und energiewirtschaftlichen Hindernisse beseitigt und keine neuen aufgebaut werden.
Industrie wächst mit
Um die notwendige Wachstumsrate zu erreichen, muss auch die Solarindustrie selbst wachsen. Dies stehe aber im Einklang mit dem, was die Photovoltaik in den vergangenen Jahrzehnten erreicht habe. Die Forscher:innen verweisen darauf, dass die Photovoltaikindustrie bisher die wektweite jährliche Produktion und installierte Leistung verdoppelt hat. Bei dieser Rate werde das nächste Terawatt an installierter Leistung voraussichtlich 2024 erreicht. Auch der geplante Ausbau der Polysiliziumkapazität lässt vermuten, dass eine Produktionsrate von einem Terawatt pro Jahr bis 2028 oder früher erreicht werden könnte. Vorteilhaft ist dabei, dass die Kosten für den Bau einer neuen Produktionslinie für Solarzellen und Module in den letzten zehn Jahren alle drei Jahre um 50 Prozent gesunken sind.
Forschung muss weitergehen
Doch auch die Forschung muss unvermindert weitergehen. Die Ausbauziele können nur mit höherer Effizienz von Modulen und Zellen erreicht werden. Auch hier sind die Forsch:innen zuversichtlich, dass das gelingen wird. Schließlich ist in den letzten 20 Jahren ist der Wirkungsgrad von Solarzellen im Durchschnitt um 0,5 Prozent pro Jahr gestiegen. Immer größere Zellgrößen ermöglichen in dieser Zeitspanne einen Anstieg der Leistung pro Zelle von etwa 2,5 auf zehn Watt. „Wir haben große Fortschritte gemacht, aber die Ziele müssen weiterverfolgt und beschleunigt werden“, sagt Nancy Haegel, Direktorin des National Center for Photovoltaics am NREL. Keiichiro Sakurai, leitender Forscher am AIST, fügt hinzu: „Technologische Entwicklungen haben eine große Rolle bei der Steigerung des Wirkungsgrads und der Senkung der Solarmodulkosten gespielt und werden dies auch in Zukunft tun.“
Forschungsergebnisse schneller industrialisieren
Auch die Überführung von Forschungsergebnissen in die Massenfertigung geht schneller. So habe es nur fünf Jahre gedauert, bis die Topcon-Technologie, die maßgeblich am Fraunhofer ISE entwickelt wird, in der Massenproduktion angekommen ist. Jüngste Analysen zeigen, dass es inzwischen nur noch etwa drei Jahre dauert, bis die durchschnittliche Zelleffizienz vom Labor in die Massenfertigung überführt wird.
In Kreisläufen denken
Es gibt aber auch Herausforderungen vor allem hinsichtlich der Versorgungskette. Dies hänge vor allem mit den begrenzten materiellen Ressourcen zusammen. So verbraucht die Solarindustrie inzwischen zehn Prozent der gesamten weltweiten Silberproduktion und wird damit absehbar das Hauptproblem bei der Materialverfügbarkeit. Doch auch hier sind die Forsch:innen zuversichtlich, dass das Silber in absehbarer Zeit durch Kupfer oder Aluminium ersetzt werden kann. Dennoch sei es wichtig, in Kreisläufen zu denken und bei der Entwicklung das Ökodesign und das Recycling mit einzuplanen.
Lieferketten verlagern
Zudem müssen die Lieferketten verlagert werden. Die Komponenten für Solaranlagen müssen dort hergestellt werden, wo sie verwendet werden. Damit würden nicht nur die Logistikkosten, sondern auch die mit dem Transport verbundenen Emissionen sinken. Zudem sei dadurch eine kontinuierliche Versorgung mit Komponenten gewährleistet.
Die gesamten Ergebnisse des Workshops finden Sie in einem gemeinsam verfassten Artikel „Photovoltaics at multi-terawatt scale: Waiting is not an option“ in der aktuellen Ausgabe des Magazins Science zum Download. (su)