Nicole Weinhold
Professor Edmund Brandt, Leiter der Koordinierungsstelle Windenergierecht (k:wer) an der TU Braunschweig, Thorsten Müller, Vorsitzender des Stiftungsvorstands der Stiftung Umweltenergierecht, und Jan Hinrich Glahr, Vorsitzender des BWE-Landesverbands Berlin-Brandenburg sowie Vorsitzender des Fördervereins der k:wer, über Windenergie, Recht und Gesetzgebung.
Die Arbeit der k:wer soll zum 1.1.2020 in Würzburg bei der Stiftung Umweltenergierecht fortgesetzt werden. Was ist der Grund für diese Veränderung?
Edmund Brandt: Die Universität Braunschweig, an der die k:wer bisher verankert ist, hat sich entschieden, andere Schwerpunkte zu setzen und die k:wer als Einrichtung des Instituts für Rechtswissenschaften nicht fortzuführen. Angesichts der gewaltigen Herausforderungen rund um das windenergierelevante Planungs-, Genehmigungs- und Energierecht ist unerlässlich, dass die in und von der k:wer geleistete Arbeit eine Fortsetzung findet. Vor dem Hintergrund erfüllt es mich mit großer Dankbarkeit, dass die k:wer-Ansätze mit den bestehenden Aktivitäten der Stiftung Umweltenergierecht zusammengeführt und in Würzburg weitergeführt werden. In dem Zusammenhang wird es wichtig sein, auch zukünftig für eine ausreichende Finanzierung zu sorgen. Gerade angesichts der Tatsache, dass zur Finanzierung dann keine öffentlichen Mittel mehr zur Verfügung stehen, ist es wichtig, die Finanzierung durch private Förderer auszubauen.
Jan Hinrich Glahr: Der Bedarf an wissenschaftlicher Arbeit rund um die Energiewende ist enorm. Es sind so viele Rechtsbereiche vom Umbau des Energiesystems betroffen, dass ganz neue Fragestellungen zu beantworten sind. Daher freue ich mich sehr, dass es uns gelungen ist, mit der Stiftung Umweltenergierecht eine gute Perspektive für die Fortsetzung der wertvollen Arbeit von Professor Brandt und seinem Team zu entwickeln.
Aktuell wird viel über die Änderung des Rechtsrahmens diskutiert, um den Ausbau der Windenergie wieder zu beschleunigen. Wie ist aus Sicht der Rechtswissenschaft die aktuelle Situation einzuordnen?
Edmund Brandt: Bedauerlicherweise ist es in den vergangenen Jahren nicht gelungen, ein kohärentes Windenergierecht zu entwickeln. Erschwerend kommt hinzu, dass die Partikularregelungen im Planungs-, Genehmigungs- und Energierecht durchweg defizitär, manchmal sogar kontraproduktiv sind. Und leider hat die höchstrichterliche Rechtsprechung es nicht vermocht, die gesetzgeberischen Defizite auszugleichen – eher im Gegenteil: Der Handlungsdruck ist also enorm, ein „weiter so“ darf es nicht geben.
Welche Schritte sollte der Gesetzgeber aus Sicht der Rechtswissenschaft gehen, um den Windenergieausbau zu beschleunigen?
Thorsten Müller: Es gibt leider nicht den einen Hebel, um die aktuellen Probleme zu lösen. In den letzten Jahren haben der bisherige Windenergieausbau und die dadurch knapper werdenden Flächen einerseits sowie die Einführung der Ausschreibungen im EEG und eine unterbliebene Weiterentwicklung des Rechts der Flächenbereitstellung für die Windenergie und der Genehmigung konkreter Projekte andererseits dazu geführt, dass die Probleme immer zahlreicher wurden und sich gegenseitig verstärkt haben. Diese Faktoren, gepaart mit einer zunehmend negativen Bewertung der Windenergie durch viele verantwortliche Politiker im Bund und in den Ländern, haben dazu geführt, dass die Genehmigungszahlen eingebrochen sind und die Verunsicherung groß ist.
Aus meiner Sicht muss jetzt zweistufig vorgegangen werden: Zum einen braucht es gesetzgeberische Sofortmaßnahmen, die Probleme wie die überdimensionierten Sperrflächen rund um Radare oder die unzulänglichen Regelungen für Ausnahmen vom Tötungsverbot lösen und ein deutliches Signal der Politik senden, dass Windenergie wichtig und gewollt ist. Daneben muss mittel- und langfristig der Rechtsrahmen an verschiedenen Stellen sehr grundsätzlich umgestaltet werden, um den mit Klimaschutz einhergehenden Paradigmenwechsel umzusetzen. Dabei geht es nicht darum, alles dem Windenergieausbau unterzuordnen. Dieser wird auch in Zukunft in einem extrem beschränkten Raum stattfinden und nur rund zwei Prozent der Landesfläche in Anspruch nehmen. Daher bleibt noch genug Raum für andere Anliegen wie den Artenschutz. Energiewende findet notwendigerweise in der Fläche statt, daher brauchen wir leistungsfähigere Instrumente, um diesen Raum für den Windenergieausbau zu schaffen und andere Belange wie den Artenschutz auf den anderen rund 98 Prozent der Fläche zu stärken. Für die Windflächen könnte dann allein die Umdrehung des bisherigen Regel-Ausnahme-Verhältnisses helfen. Dafür brauchen wir aber auf allen Ebenen neue rechtliche Strukturen und geändertes Verwaltungshandeln, angefangen in Europa bis hin zu den Ländern und Kommunen.
Was kann die Rechtswissenschaft leisten, um diese Verbesserungen herbeizuführen?
Edmund Brandt: Ein wichtiger Beitrag der Wissenschaft ist das Aufdecken von Regelungsdefiziten, rechtlichen Inkonsistenzen, Wertungswidersprüchen und weiteren Unzulänglichkeiten des Rechtsrahmens. Denn Wissenschaft kann – anders als der Gesetzgeber – mit ihrem systematisch-methodischen und regelungsübergreifenden Vorgehen einzigartige Erkenntnisse gewinnen, die unverzichtbar sind. Damit legen wir die Basis für die Entwicklung von neuen Regelungsansätzen in den einzelnen Rechtsbereichen, um „Handlungssicherheit durch Rechtssicherheit“ zu bewirken. Unter diesen Leitspruch haben wir unser Handeln gestellt. Nur mit einem solchen umfassenden Vorgehen ist es möglich, letztlich deduktiv einen Baukasten für die Windenergie zu entwickeln, der übergeordneten umwelt-, klimaschutz- und energiepolitischen Vorgaben gerecht wird und geeignet ist, den selbstverständlich unabdingbaren Abgleich mit kollidierenden Schutzgütern herbeizuführen. Mit diesem Gerüst haben wir in den letzten Jahren viele Impulse setzen können. Mit zahlreichen Veröffentlichungen und Gutachten, mit Veranstaltungen und Vorträgen sowie im Austausch mit anderen Wissenschaftsdisziplinen und der Praxis aus Unternehmen wie der Politik sind wir vielfältigen Fragestellungen zum Windenergierecht nachgegangen.
Jan Hinrich Glahr: Meines Erachtens können auch Wissenschaftler heute gar nicht anders, als sich politisch zu engagieren. Die Energiewende ist hochpolitisch, sie betrifft zentrale Lebensbereiche von uns allen, die Forschungsthemen liefern Ergebnisse, die in den politischen Entscheidungsprozess einfließen müssen und damit helfen, gesamtgesellschaftliche Herausforderungen zu lösen.
Wir haben doch aktuell die Situation, dass weltweit 99 Prozent der Klimaforscher davon ausgehen, dass der Klimawandel von uns Menschen verursacht wird. Maßnahmen, um die Katastrophe zu verhindern, liegen auf dem Tisch. Dennoch bleiben die dringend notwendigen Entscheidungen des Gesetzgebers aus – ein falsches Signal an Deutschland und die Welt. Die intensive Auseinandersetzung der Wissenschaft mit Politik, Verwaltung, Verbänden und anderen Interessengruppen führt letztlich zur Lösung von Problemen und zu einer zielgerichteten, neuen Politik.
Thorsten Müller: Ich stimme der Aussage zu, dass Klimaschutz und Energiewende sowie die damit verbundenen Verteilungsfragen und Zielkonflikte hochpolitische Themen sind. Daher dürfen – ja ich finde sogar müssen – auch für Wissenschaftler gesellschaftliche und politische Motive eine große Rolle spielen. Allerdings nur insoweit, wie es darum geht, die konkreten Themen auszuwählen und die zu beantwortenden Forschungsfragen aufzuwerfen. Wenn aber erst einmal das Thema feststeht, dann müssen politische Erwägungen zur Seite treten und wir Wissenschaftler müssen uns auf unsere Methodik beschränken. Nur so können wir einen echten Mehrwert gegenüber Politik, Ministerien, Anwälten, Verbänden und Unternehmen bieten. Und genau das ist die Gründungsidee der Stiftung Umweltenergierecht und der Anspruch an unser Wirken. Wir wollen wissenschaftlich fundiert praxistaugliche Ideen entwickeln, wie sich der Rechtsrahmen ändern muss, um die energie- und klimapolitischen Ziele erreichen zu können.
Entsprechend dieser Leitlinien werden wir wie bisher mit großem Engagement zu den Fragen rund um die Weiterentwicklung des Windenergierechts arbeiten. Dabei werden wir versuchen, auch die ertragreiche und wertvolle Arbeit der k:wer fortzuführen und die großen Fußstapfen von Edmund Brandt so gut wie möglich auszufüllen.
Die Arbeitsweise der k:wer und der Stiftung Umweltenergierecht passen gut zusammen, daher werden wir Synergien heben können und, hoffentlich durch zusätzliche finanzielle Ressourcen gestärkt, noch ertragreicher wirken können. Im Mittelpunkt werden dabei weiterhin konkrete Ideen für neues Recht als Antwort auf die drängenden Probleme ebenso wie zu den grundlegenden Fragestellungen rund um die Themen Planung, Genehmigung und Betrieb von Windenergieanlagen stehen. So werden wir zum Beispiel eine Reihe von konkreten Vorschlägen zur Lösung des Genehmigungsstaus veröffentlichen, gleichzeitig aber auch eine Weiterentwicklung des europäischen Rahmens in den Blick nehmen. Wir werden unsere Veranstaltungsreihe verstetigen und ausweiten, um den Transfer unserer Forschungsergebnisse in die Praxis und den Austausch zwischen Behörden und Planern sowie Betreibern zu ermöglichen. Auch den sehr informativen Newsletter WER-aktuell werden wir ebenso wie andere Formate der k:wer fortführen.
Herr Glahr, warum braucht es aus Sicht der Branche diese rechtswissenschaftliche Arbeit?
Jan Hinrich Glahr: Im Rahmen der Verbandsarbeit beim BWE ist mir klar geworden, dass ein Schlüssel für die gigantische Aufgabe der Energiewende in einer interdisziplinären Zusammenarbeit und einem Austausch bzw. der Zusammenführung unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen liegt. In 2012 lernte ich die Arbeit der k:wer und deren Leiter Professor Brandt kennen. Ein Rechtswissenschaftler, der stets über den disziplinären Tellerrand hinausschaut und dem es darum geht, wissenschaftliche Erkenntnisse praktisch wirksam werden zu lassen.
Planungsrecht mit Naturschutz- und Artenschutzrecht, Luftverkehrsrecht, Energierecht etc. zusammenzudenken und Handlungsempfehlungen an die Politik zu geben, das war und ist sein Anliegen. Dafür bin ich ihm sehr dankbar! Ebenso dankbar bin ich, Thorsten Müller kennengelernt zu haben, der in der Stiftung Umweltenergierecht einen ganz ähnlichen Forschungsansatz verfolgt.
Wie kann die Windenergiebranche die Wissenschaft unterstützen?
Jan Hinrich Glahr: Sie kann über den regelmäßigen Austausch zu den aktuellen Herausforderungen bei der Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen der Wissenschaft helfen, Forschungsschwerpunkte zu setzen. Und sie muss auch finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, denn Wissenschaft braucht ein ausreichendes finanzielles Fundament, zum Beispiel für wissenschaftliche Mitarbeiter, um mit ihrem unabhängigen Blick glaubwürdige Impulse für die Rechtsentwicklung und Praxis geben zu können.
Wir haben das mit dem Förderverein der k:wer in den letzten Jahren erfolgreich ermöglicht. Ich wünsche mir von den bisherigen Förderern, dass sie ihr finanzielles Engagement jetzt für die Stiftung Umweltenergierecht fortsetzen, und von allen Akteuren der Windenergiebranche, dass sie sich künftig an dieser Gemeinschaftsaufgabe beteiligen.
Vielen Dank, meine Herren!
Auf den Windenergietagen:
Forum 13, 5.11.: „Windenergierecht: Defizite in Gesetzgebung und Rechtsprechung – Handlungserfordernisse und die Rolle der Wissenschaft“. Mit feierlicher Verabschiedung von Professor Brandt und Vorstellung der Fortführung seiner Arbeit durch die Stiftung Umweltenergierecht.
Die Koordinierungsstelle
Die Koordinierungsstelle Windenergierecht (k:wer) befasst sich unter der Leitung von Professor Edmund Brandt seit 2012 an der TU Braunschweig mit allen Facetten des Windenergierechts und verknüpft dabei naturwissenschaftliche sowie juristische Aspekte dezidiert praxisorientiert.
Zum 1. Januar 2020 wird die Arbeit der k:wer in der Stiftung Umweltenergierecht weitergeführt und stärkt den dortigen Forschungsschwerpunkt zum Windenergierecht. Die wichtigen inhaltlichen Impulse und verschiedenen Formate der k:wer sollen fortgeführt werden.
Weitere Informationen:
Thorsten Müller, Vorsitzender des Stiftungsvorstands, Stiftung Umweltenergierecht, https://stiftung-umweltenergierecht.de/
Professor Edmund Brandt, Leiter der Koordinierungsstelle Windenergierecht, TU Braunschweig, http://k-wer.net/