Jochen Bettzieche
Wasserkraft leidet unter dem Klimawandel. Fließt wenig Wasser, produzieren die Kraftwerke wenig Strom. Deutlich wurde das im vergangenen Jahr. „Das Jahr 2018 stand ganz im Zeichen des Klimawandels“, sagt Andreas Friedrich, Sprecher beim Deutschen Wetterdienst. Wärmer und trockener als je zuvor aufgezeichnet, so wenige Niederschläge wie seit 1881 nicht mehr. Damit bekommt ausgerechnet eine erneuerbare Energie Probleme, die eigentlich helfen soll, den Klimawandel zu bekämpfen. Denn langfristig müssen Betreiber von Wasserkraftwerken mit reduzierter Produktion rechnen. Das kann sich auch auf die erwartete Rendite auswirken.
Die Meldungen im Jahr 2018 waren dramatisch: Binnenschiff e konnten wegen niedriger Pegelstände weniger Fracht transportieren. In der Schweiz lieferten manche Wasserkraftwerke zeitweise weniger als 25 Prozent des Stroms, den sie in normalen Jahren produzierten. In Österreich brach die Wasserkraftproduktion vorübergehend um mehr als 40 Prozent ein. Auch in Deutschland ist das Minus signifikant.
„Erste Daten der Arbeitsgruppe Erneuerbare-Energien-Statistik (AGEE-Stat) zeigen, dass die Stromerzeugung aus Wasserkraftanlagen im Vergleich zum Vorjahr um etwa 18 Prozent gesunken ist“, erklärte ein Sprecher des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Ende Januar auf Anfrage. Ein Minus von fast vier Terawattstunden verglichen mit dem langjährigen Mittel.
Ein bis vier Prozent weniger erwartet
Auch wenn 2018 ein extrem trockenes Jahr war – für die nähere Zukunft bis zum Jahr 2050 erwartet das Ministerium ein Minus von ein bis vier Prozent bei der Stromerzeugung durch Wasserkraftanlagen. Dabei stützt es sich auf die Ergebnisse des Forschungsvorhabens „Klimafolgen für die Wasserkraftnutzung in Deutschland und Aufstellung von Anpassungsstrategien für die nähere Zukunft.“
Was tatsächlich passiert, wenn das Wasser weniger wird, zeigt ein Beispiel aus München. „Das Praterkraftwerk konnte 2018 nur halb so viel Strom produzieren wie prognostiziert“, weiß Michael Solic, Sprecher bei den Stadtwerken München (SWM). Er kennt aber noch andere Folgen des heißen Sommers. Zu wenig Wasser wirkt sich nicht nur negativ auf die Produktion aus. Der geringe Zufluss hat beispielsweise beim Leitzach-Kraftwerk der SWM den Austausch der Pendelwassermenge verhindert. Das Seegras wuchs erheblich – und verstopfte die Rechen vor den Pumpen. „Wir haben es daraufhin großflächig abgemäht und entsorgt“, sagt Solic.
Österreichischer Versorger bleibt gelassen
Gelassen bleibt der österreichische Versorger Tiwag. In den kommenden Jahrzehnten erwartet der Konzern keine substanziellen Verschiebungen bei der Stromproduktion durch klimatische Veränderungen. Zwar könnten niedrigere Abflüsse im Sommer zu Produktionsverlusten führen, erklärt ein Sprecher des Konzerns: „Diese führen jedoch nicht zwangsläufig bei allen Anlagen zu einer geringeren Erzeugung, weil die Wasserführung in den Sommermonaten meist so hoch ist, dass diese derzeit nicht bei allen Anlagen vollumfänglich genutzt werden kann.“
Elisabeth Sötz, Fluss-Expertin beim WWF Österreich, ist nicht so optimistisch. Sie verweist unter anderem auf den Sachstandsbericht Klimawandel 2014 des Austrian Panel on Climate Change. Darin sind verschiedene Szenarien berechnet mit dem Ergebnis, dass die Jahresproduktion aus Wasserkraft bis 2050 um 6 bis 20 Prozent zurückgehen wird. „Wasserkraft hält jedoch den überwiegenden Anteil an der nationalen Stromproduktion“, warnt Sötz vor den Folgen. Auf Basis des Berichts hat der WWF auch ausrechnen lassen, was das für das umstrittene Kraftwerk Kaunertal heißt, das auf mehr als die doppelte Produktionsgröße erweitert werden soll. Demnach werde sich bis 2051 die Wassermenge halbieren. „Schon 2031 bis 2040 würde die Energieausbeute nur 57 Prozent des Werts von 2008, der der Projektplanung zugrunde liegt, betragen“, sagt Sötz. Betreiber und Projektentwickler sollten in ihre Wirtschaftlichkeitsberechnungen die Folgen des Klimawandels einbeziehen. Mit konstanten Wassermengen zu rechnen, könnte sich als zu optimistisch erweisen.
Kurzfristig jedoch hilft der Klimawandel sogar manchen Betreibern von Wasserkraftwerken. Wissenschaftler der Universität Lausanne haben ausgerechnet, dass durch das Abschmelzen der Gletscher seit 1980 in der Schweiz im Durchschnitt pro Jahr 1,4 Terawattstunden Strom mehr produziert wurden. Das entspricht vier Prozent der gesamten Produktion des Landes. Klingt im ersten Moment gut. Aber im Jahr 2070 werde der Anteil auf 0,4 Terawattstunden zurückgehen, erwarten die Forscher.
Zudem profitieren davon nicht alle Kantone. „Für das Jahr 2085 muss im südlichen und östlichen Wallis mit mittleren Einbußen in der Produktion von vier bis acht Prozent gerechnet werden“, heißt es in einer gemeinsamen Studie der eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, der ETH Zürich, der Universität Zürich und der Universität Bern aus dem Jahr 2011. Andere Regionen wird es früher oder später auch treffen.
Bleiben die Sommer trocken, wird es schwer, das aufzufangen. Zumal nicht nur die Wasserkraft betroffen ist. „Während langanhaltender Niedrigwasserphasen wie im Jahr 2018 sind konventionelle Kraftwerke in der Entnahme von Kühlwasser beeinträchtigt“, erläutert der Ministeriumssprecher. Da sind die Vorgaben für die Temperatur der Gewässer bei Entnahme und Rückleitung. Darüber hinaus kühlt warmes Wasser weniger gut als kaltes. Und in trockenen und heißen Sommern ist das Wasser in den Flüssen nun mal wärmer als in nass-kalten Sommern. Der Ministeriumssprecher stellt klar: „Das bedeutet, dass konventionelle Kraftwerke bei Niedrigwasserperioden gegebenenfalls ihre Leistung teilweise oder vollständig reduzieren müssen.“
Kanäle zu erhitzt für Betrieb
Die Stadtwerke München mussten bereits im Sommer 2018 eingreifen. „Der Werkkanal in München sowie der Mittlere Isar-Kanal, die zur Kühlung unserer beiden Heizkraftwerke herangezogen werden, waren im vergangenen Sommer durch die Sonneneinstrahlung teilweise so weit aufgewärmt, dass der Betrieb des HKW Nord 2 und des HKW Süd zu gewissen Zeiten nur eingeschränkt möglich war“, erinnert sich Solic. Dabei steigt gerade in der heißen Jahreszeit die Nachfrage. Je wärmer der Sommer, desto häufiger laufen die Klimaanlagen.
Und dann sind da noch Effekte, auf die Betreiber von Wasserkraftwerken kaum Einfluss haben. Denn in trockenen Sommern wird Wasser zum raren Gut. Meldet eine andere Branche Bedarf an, entscheidet die Politik. Umweltschützerin Sötz verweist auf den ebenfalls heißen und trockenen Sommer 2017. Damals benötigten die Landwirte an Etsch und Po Wasser für ihre Felder.
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