Katharina Wolf
Deutschland will aus der Kohleverstromung aussteigen. Doch welche Folgen hat dies für Versorgungssicherheit oder Strompreise?
Für die Strompreise gibt es Entwarnung: Eine Kilowattstunde wird im Jahr 2030 nur etwa ein Prozent mehr kosten als heute, wenn wie vorgesehen die Kohleverstromung um zwei Drittel zurückgeht und der Anteil Erneuerbarer Energien auf 65 Prozent steigt, errechnete Agora Energiewende in einer aktuellen Analyse. Auch der energieintensiven Industrie gewährleiste der Kohlekompromiss weiterhin wettbewerbsfähige Preise.
Strompreis für Privathaushalte steigt um 0,4 Cent
In der Modellierung im Auftrag der Berliner Denkfabrik wurde der Ausstieg aus der Kohleverstromung nach den Empfehlungen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ mit einem Szenario ohne Kohleausstieg und ohne zusätzlichen Erneuerbaren-Ausbau verglichen.
Ergebnis: Insgesamt zahlen private Haushalte im Jahr 2030 real schätzungsweise 0,4 Cent mehr pro Kilowattstunde als heute. Größter Kostenpunkt bei den Strompreisen bleiben laut der Analyse weiterhin die Netzentgelte. Über diese finanzieren die Stromkunden den notwendigen Ausbau und die Modernisierung des Stromnetzes.
Vorteile für energieintensive Betriebe
Für die energieintensive Industrie sei der Kohlekompromiss sogar vorteilhaft, heißt es in der Studie: Da die zusätzlichen Wind- und Solaranlagen vermehrt günstigen Strom bereitstellen, sinkt der Börsenstrompreis im Jahr 2030 um 0,5 Cent je Kilowattstunde gegenüber einem „Weiter-wie-bisher-Szenario“. „Der schnelle Ausbau der Erneuerbaren ist die Versicherung der energieintensiven Industrie gegenüber hohen Strompreisen“, sagt Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die energieintensive Industrie auch künftig von der Zahlung der EEG-Umlage befreit bleibe.
Deutschland bleibt Stromexporteur
Mit dem Ausbau erneuerbarer Energien auf einen Anteil von 65 Prozent an der Stromversorgung bleibe Deutschland auch künftig Stromexporteur, so Agora. Bis 2023 sei zwar aufgrund des Atomausstiegs zunächst ein Rückgang der Stromexporte von heute 50 TWh auf 5 TWh jährlich zu erwarten, bis 2030 wüchsen die Exporte jedoch wieder auf 25 ThW. Insgesamt werde die inländische Stromerzeugung den Berechnungen zufolge bis 2030 um 11 TWh auf rund 630 ThW zulegen. „Auch mit Kohleausstieg produziert Deutschland weiterhin mehr Strom als hierzulande benötigt wird. Der günstige Strom aus erneuerbaren Energien verdrängt langfristig sogar Teile der konventionellen Stromerzeugung im Ausland“, betont Graichen.
Kohleausstieg kommt vor 2038
Die Agora-Studie fasst neben der Modellierung auch den 300-seitigen Abschlussbericht der Kohlekommission zusammen und legt eine Einordnung der Kommissionsarbeit vor. „Auch wenn der Kohlekompromiss erst 2038 als Enddatum nennt, dürfte der tatsächliche Kohleausstieg im Zuge der alle drei Jahre stattfindenden Überprüfungen früher kommen“, prophezeit Graichen. Die betroffenen Kohleregionen würden beim Strukturwandel durch jährlich zwei Milliarden Euro unterstützt, kein Beschäftigter falle ins Bergfreie. „Deswegen ist der Kohlekompromiss so wertvoll und sollte jetzt eins zu eins umgesetzt werden“, sagt Graichen.
Klimaziele 2030 werden erreicht, wenn Erneuerbaren ausgebaut werden
Gemäß dem Ausstiegsfahrplan der Kohlekommission werden in Deutschland im Jahr 2030 noch Kohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von 17 GW laufen, aktuell sind es 41 GW. Mit dem Rückgang sinken die CO2-Emissionen im Stromsektor von 319 Millionen Tonnen CO2 auf 182 Millionen Tonnen CO2 jährlich. Mit den Emissions-Einsparungen von rund 60 Prozent kann Deutschland seine Klimaziele bis 2030 für den Stromsektor einhalten – vorausgesetzt, die notwendigen Gesetze zum Kohleausstieg und der Nutzung Erneuerbarer Energien werden zeitnah auf den Weg gebracht.
In einem umfassenden Bericht hatte die Kohlekommission der Bundesregierung im Januar 2019 einen Maßnahmenkatalog für den Ausstieg aus der Kohleverstromung vorgelegt. Agora Energiewende hat die Arbeit der Kohlekommission sowie deren Empfehlungen strukturiert aufgearbeitet und mit Blick auf die energiewirtschaftliche Bedeutung analysiert.