Doch was bei niedriger Leistung eine vernünftige Lösung ist, wird im Multimegawattbereich zur Last für den Wirkungsgrad. Denn bleibt die Spannung bei höherer Leistung gleich niedrig, muss die Stromstärke erhöht werden. Zwischen einer 500-Kilowatt-Anlage und einer Fünf-Megawatt-Turbine bedeutet das einen Anstieg der Stromstärke um das Zehnfache. Dabei steigen die Energieverluste im Quadrat zur Stromstärke. Das Resultat: Die Verlustwärme in den Kabeln nimmt vom Generator in der Gondel zum Transformator im Turmfuß um den Faktor 100 zu. Das ist mit dickeren Kabelquerschnitten lösbar, die wiederum die Investitionskosten erhöhen.
Spannung erhöhen
Diese Verluste lassen sich vermeiden, wenn die Amperezahl niedrig gehalten und stattdessen die Spannung erhöht wird. Für diese höheren Spannungen gibt es Mittelspannungsumrichter – jedoch verzichten die Windenergieanlagenhersteller meist auf ihren Einsatz. Den Grund dafür führt Lars Lindenmüller, Experte für Leistungselektronik an der Technischen Universität Dresden, vor allem auf eine Ursache zurück: den Preis. Den Preis bestimmen die sogenannten IGBTs – das sind Leistungshalbleiter, die den frequenzvariablen Drehstrom vom Generator zunächst in Gleichstrom umwandeln, damit er danach wieder in netzkonformen Sinusstrom mit 50 Hertz umgesetzt werden kann. „Für Niederspannungsanwendungen sind die IGBTs nur etwa halb so teuer wie im Mittelspannungsbereich“, sagt Lindenmüller.
An dieser Preisbarriere arbeitet die TU Dresden mit dem Leistungselektronik-Hersteller Semikron und F amp;S Prozessautomation. Ihr Lösungsansatz im Projekt „Robuste und energieeffiziente Leistungselektronik für Offshore-Windenergieanlagen (MLUoff)“: Ein neuer Mittelspannungsumrichter aus Niederspannungshalbleitern soll den Wechselstrom bei einer Generatorspannung von über 6.600 Volt verarbeiten.
Dafür bauen die Forscher den Umrichter modular auf. Dieser Ansatz ist in der Branche im Prinzip bekannt. Bisher wurden die einzelnen Umrichtermodule allerdings stets parallel geschaltet. So teilt sich die Stromstärke beispielsweise bei einem Sechs-Megawatt-Generator mit 690 Volt und 5.000 Ampere gleichmäßig auf die parallel geschalteten Umrichtermodule auf.
In Reihe schalten statt parallel
Beim MLUoff sollen die Module hingegen in Reihe geschaltet werden. Dadurch kann ein Sechs-Megawatt-Generator auf eine verlustärmere Arbeitsweise beispielsweise mit 5.000 Volt und 690 Ampere eingestellt werden. Durch die Reihenschaltung verteilt sich die Spannung gleichmäßig auf die Umrichtermodule – bei fünf Modulen in Reihe sind das 1.000 Volt pro Modul, bei zehn Modulen 500 Volt. „Wir setzen pro Phase sechs Module ein, sodass der Umrichter aus insgesamt 18 Modulen bestehen wird.“
Die Herausforderung: „Da wir viele Module einsetzen, haben wir sehr viel mehr Leistungshalbleiter. 150 bis 200 IGBTs müssen koordiniert schalten, damit sie den Wechselstrom sauber in Gleichstrom umwandeln und sich Spannung und Leistung gleichmäßig auf die Module aufteilen“, sagt Lindenmüller. Diese Koordination der Schaltvorgänge sei bei der Reihenschaltung komplexer als bei Parallelschaltung.
Neben der präzisen Kommunikation zwischen den Modulen liegt der Entwicklungsschwerpunkt auf einer hohen Systemzuverlässigkeit mit einer genauen Fehleranalyse und -behebung. Der fertige Umrichter soll einige Module mehr erhalten, als zum Betrieb notwendig sind. „So kann die Windenergieanlage bei voller Leistung weiterarbeiten, selbst wenn ein Modul ausfällt“, erklärt Lindenmüller. Bis 2017 läuft das Forschungsprojekt. Am Ende soll ein herunterskaliertes Modell entstanden sein – sowie ein Umrichtermodul im Originalmaßstab. (Denny Gille)
Dieser Artikel ist in der Printausgabe von ERNEUERBARE ENERGIEN von März 2015 erschienen. Gefällt er Ihnen? Holen Sie sich jetzt ein kostenloses Probeabo unseres Magazins.