Die Debatte um die Kapazitäten des Stromnetzen kommt immer wieder auf, wenn es um die Frage geht, wie volatile Stromerzeuger wie Solar- und Windkraftanlagen ins Gesamtsystem integriert werden können. Die Lösung scheint einfach: Speicher. Hier geht es aber nicht nur um Stromspeicher wie Batterien oder Pumpspeicherkraftwerke, sondern auch darum, wie Strom, der nicht sofort verbraucht wird, in anderen Formen wir beispielsweise Wärme gespeichert werden kann. Welches Potenzial steckt hinter den sogenannten Power-to-Heat-Anwendungen? Wie kann damit der Rückstand des Wärmesektors bei der Energiewende aufgeholt werden. Wie viel überschüssiger Solar- und Windstrom kann im Verkehrssektor verwendet werden? Und welchen Beitrag können Wärme- und Verkehrssektor wiederum für die Stabilität des Stromssystems leisten, um dieses angesichts steigender Anteile volatiler Erzeuger zu stabilisieren.
Boiler heizen bei Sonnenschein
Einer dieser Frage haben sich die Forscher der Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) angenommen. Sie haben in Rickenbach-Sulz, einem kleinen Ort etwa vier Kilometer nordöstlich von Winterthur die Warmwasserboiler einer ganzen Siedlung mit einer intelligenten Steuerung ausgestattet, die in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Hochschule für Technik (ETH) in Zürich entwickelt wurde. Alle 30 Haushalte im Quartier Dörnler nahmen an dem Feldversuch teil. Dieser besteht aber nicht nur aus einer intelligenten Steuerung von Wasserboilern, sondern auch aus einer großen Solaranlage auf den Dächern des Holzverpackungsherstellers Wegmüller. Dieser hat seiner Produktionsgebäude direkt neben der Siedlung.
Einen großen Teil des produzierten Solarstroms verbraucht das Unternehmen selbst. Doch auch wenn das Lastprofil mit dem Erzeugungsprofil sehr gut übereinstimmt, bleibt immer etwas Solarstrom übrig, der dann einen Abnehmer finden muss. In der Regel wird der Strom ins allgemeine Netz eingespeist und an Verbraucher vermarktet. Die EKZ wollten aber den überschüssigen Strom vor Ort verbrauchen. Deshalb haben die vorhandenen Boiler immer dann das Wasser aufgeheizt, wenn Wegmüller zu viel Strom produziert hat. Dann war auch genügend Wärme vorhanden, wenn die Sonne nicht geschienen hat. Die Steuerung hat mit Hilfe einer Smart-Metering-Architektur die Boiler sogar abhängig von Verbrauchs- und Erzeugngsprognosen gesteuert.
Weitere flexible Verbraucher einbeziehen
Zwei Jahre lang wurde der Feldversuch „Sonne in den Boiler“ durchgeführt. Das Ergebnis: Etwa 22 Prozent des Stroms für die Wärme haben die angeschlossenen Haushalte aus der Solaranlage auf den Dächern der benachbarten Produktionshallen bezogen, während der überschüssige Solarstrom nur die lokale Netzinfrastruktur belastet und zu keine Netzkapazitäten außerhalb der Siedlung belegt hat. „Wir haben damit gezeigt, dass durch intelligente Laststeuerung die Leistungsspitzen von Solaranlagen im Stromnetz effektiv reduziert werden können“, resümiert Projektleiterin Marina González Vayá von den EKZ. „Dank dieser Technologie kann der Netzausbau minimiert und die Kapazität für Solarstrom im Netz gesteigert werden“, sagt sie mit Blick auf die immer wieder aufkommende Debatte um die Integration von Solarstrom ins Netz.
Die gewonnenen Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt wollen die EKZ jetzt in die Praxis überführen. Die Züricher werden den vielversprechenden Ansatz weiterentwickeln, um auch andere flexible Erzeuger und Verbraucher integrieren zu können. Dazu gehören neben Wärmepumpen und kleinen Solaranlagen auch Elektroautos. (Sven Ullrich)