Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) prognostiziert einen rascheren Zubau von Großspeichern zur Netzunterstützung für die kommenden Monate. Wie sehen Sie die Entwicklung der Nachfrage nach solchen großen Speichern?
Sarah Scharfen: Die Nachfrageentwicklung sehe ich sehr positiv. Gerade Batteriespeicher in Co-Location im Zusammenspiel mit Photovoltaik werden in Zukunft eine starke Nachfrage verzeichnen. Durch die Veränderung der regulatorischen Rahmenbedingungen im Paragraph 51 Absatz 1 des EEG 2023 wächst die Nachfrage nach großen Speichern aus diesem Bereich. Ein Speicher stellt hier ein zusätzliches, absicherndes Geschäftsmodell dar. Diese regulatorische Entwicklung gibt der Nachfrage einen Aufschwung. Bei Intilion merken wir, dass die Anfragen nach Speichern in den entsprechenden Systemgrößen zunehmen und rechnen künftig mit einer weiteren Zunahme.
Wie werden diese Speicher finanziert?
Sarah Scharfen: Die Finanzierung ist abhängig von diversen Faktoren – beispielsweise von der Projektgröße und den Kunden – und ist daher für jedes Projekt individuell zu betrachten.
Mit welchen Geschäftsmodellen können sich diese Speicher refinanzieren?
Sarah Scharfen: Das Hauptgeschäftsmodell ist die Vermarktung des Speichers in Form eines Multi-Market-Ansatzes. Der Speicher wird parallel am Spot- und Regelenergiemarkt vermarktet und kann darüber Erlöse generieren. Die Vermarkter haben dafür diverse Erlösmodelle mit unterschiedlichen Risikostufen im Portfolio.
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Welches Geschäftsmodell ist für welchen Großspeicher passend – nach welchen Kriterien richtet es sich, ob der Speicher am Regelenergiemarkt teilnimmt oder ob er sich durch Arbitragehandel oder ein anderes Geschäftsmodell refinanziert?
Sarah Scharfen: Um direkt am Regelenergiemarkt teilzunehmen, braucht der Speicher mindestens eine Leistung von einem Megawatt. Sinnvoll ist daher eine Dimensionierung ab circa 1,3 Megawatt und ein 0,5-C-System. Ebenso muss der Speicher für die Regelenergie präqualifiziert werden, was mit einem gewissen Aufwand verbunden ist. Marktüblich ist die Multi-Market-Optimierung, also die Kombination aus Wholesale und Regelenergievermarktung, da diese die besten Erlöse generiert.
Henrik Hauptmeier: Hierbei wird tagesaktuell entschieden, in welchem Markt und zu welcher Zeit die größten Erlöse erwartet werden. Auf Basis dieser Erwartung werden zunächst Angebote für die Regelenergiemärkte platziert und die verbliebenen Kapazitäten des Speichers dann in den Wholesale-Märkten vermarktet.
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Beim Arbitragehandel refinanziert sich der Speicher durch Preisunterschiede am Strommarkt. Mit welcher Entwicklung rechnen Sie hier?
Sarah Scharfen: Solange erneuerbare Energien stark ausgebaut werden, was ja ein eindeutiges Ziel in Deutschland ist, sehe ich in diesem Bereich eine positive Entwicklung. Die erneuerbaren Erzeuger bringen eine Volatilität mit, sodass Speicher die Spreads im Strommarkt nutzen können. Wenn die Batteriespeicher auf demselben Niveau wie erneuerbare Erzeuger angekommen sind, werden die Spreads geringer. Dies ist meiner Meinung nach aber kein Szenario der näheren Zukunft.
Henrik Hauptmeier: Die aktuellen Ausbauzahlen sehen eher einen schnelleren Zubau von regenerativen Erzeugungsanlagen, sodass das Erlösmodell Arbitragehandel gesichert erscheint.
Welche technischen Voraussetzungen sind notwendig, damit eines der Geschäftsmodelle umgesetzt werden kann?
Sarah Scharfen: Das Wichtigste ist die Schnittstelle zwischen dem Speicher und dem Vermarkter. Wir sind sehr gut mit diversen Vermarktern abgestimmt, sodass keine technischen Hürden bestehen.
Pascal Lefarth: Diese kann auf verschiedenen Wegen – beispielsweise Ethernet oder eine API – umgesetzt werden und wird durch unsere Intillion Application Unit bereitgestellt. Neben den auszutauschenden Daten sind abgestimmte Betriebsführungskonzepte zwischen Vermarkter und Speichersystem von entscheidender Bedeutung, wodurch ein optimales Ergebnis aus Erlösen am Energiemarkt als auch Auslastung und Lebensdaueroptimierung des Speichers erzielt wird.
Henrik Hauptmeier: Zudem muss eine stabile, dauerhafte Datenverbindung zwischen dem Vermarkter und der Steuerbox am Speicher vorhanden sein.
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Sind diese technischen Voraussetzungen unterschiedlich, je nachdem, wie der Speicher refinanziert wird, und wo liegen da die Unterschiede?
Sarah Scharfen: Da gibt es keine Unterschiede.
Sehen Sie größere Chancen für eine Investition in einen Netzspeicher, wenn er mit einer Solar- oder Windkraftanlage kombiniert wird – auch aufgrund der Möglichkeit der Teilnahme an einer Innovationsausschreibung – oder wie werden reine Netzspeicher jetzt schon wirtschaftlich?
Sarah Scharfen: Sowohl Standalone als auch Co-Located Energiespeicher in Verbindung mit einer Solar- oder Windkraftanlage sind bereits wirtschaftlich attraktive Geschäftsmodelle. Bei der Verbindung mit erneuerbaren Erzeugern ist die Überprüfung der Regulatorik wichtig. Bei Bestandsanlagen ist es laut EEG beispielsweise nicht zulässig, grauen und grünen Strom zu vermischen. Das bedeutet, dass die Speicher nicht mit Strom aus dem Netz nachgeladen werden dürfen. Das verringert die Flexibilität des Speichers und schränkt das Potenzial ein, da man nicht flexibel nachladen kann. Auch hier gibt es aber Lösungen, bei denen sich beispielsweise die Solaranlage und der Energiespeicher lediglich den Netzanschluss teilen und separat optimiert werden. Der Speicher ist in diesem Fall ein zusätzliches Geschäftsmodell mit wirtschaftlich guten Optionen und einer guten Finanzierbarkeit.
Henrik Hauptmeier: Speicher in der Innovationsausschreibung sind gegebenenfalls leichter zu finanzieren, da die Erzeugung der Photovoltaikanlage zusammen mit der Investition in den Speicher über die staatliche gesicherte Marktprämie besichert wird. Speicher in der Innovationsausschreibung dürfen allerdings nicht aus dem Netz laden und können somit nicht ihr volles wirtschaftliches Potenzial entfalten.
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Da wäre also noch ein Nachsteuern der Politik notwendig. Welche Rahmenbedingungen brauchen die Speicherbetreiber, damit sich die großen Anlagen rechnen?
Sarah Scharfen: Für ein wirtschaftliches Großspeicherprojekt ist ein abgestimmtes Konzept aus Hardware, Vermarktung und Service essenziell. Dies bieten wir bei Intilion beispielsweise mit unserem umfassenden Lifecycle Management an, bei dem wir den Kunden von der ersten Idee bis hin zum Recycling begleiten. Bei der Vermarktung ist ein Multi-Market-Ansatz die beste Wahl. Es würde zudem den Bau einer Speicheranlage beschleunigen, wenn Speicher im Baugesetzbuch privilegiert wären. Wenn der Baukostenzuschuss wegfallen würde, wäre den die Anlagen zusätzlich noch deutlich wirtschaftlicher. Je nach Netzbetreiber sind diese Kosten sehr hoch. Würde diese Regelung im aktuellen Gerichtsverfahren gekippt werden, würde es sich positiv auf die Gesamtkosten eines Projekts auswirken.
Henrik Hauptmeier: Ganz wesentlich ist der Fortbestand der Netzentgeltbefreiung nach Paragraph 118 Absatz 6 EnWG. Sollte ein Speicher mit normalen Netzentgelten belastet werden, ist das Geschäftsmodell nicht mehr tragfähig. Essenziell notwendig sind zudem die Spreads und die Volatilität am Strommarkt. Dies scheint durch die aktuellen Rahmenbedingungen jedoch nicht gefährdet. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass sich die Spreads weiter erhöhen.
Die Fragen stellte Sven Ullrich.