Die irische Firma Gavin amp; Doherty Geosolutions gab gerade bekannt, sie könne die Kosten von Offshore-Fundamenten um 25 Prozent reduzieren. „Dahinter steht das Forschungsprojekt Pisa, an dem zahlreiche Unternehmen und Wissenschaftler beteiligt sind“, erklärt David Igoe, Chefentwickler bei Gavin amp; Doherty (GDG). Igoe und seine Chefs, Ken Gavin und Paul Doherty, sind Teil der akademischen Arbeitsgruppe des Projekts. Beteiligt sind unter anderem Dong und RWE. Das Pile Soil Analysis Project, kurz Pisa, beschäftigt sich mit der Stabilität von Rohrgründungen für die Meereswindkraft. „Mithilfe neuer Computeranalyse-Methoden haben wir festgestellt, dass Monopiles bei voller Stabilität kürzer und dünnwandiger ausgelegt sein können“, so Igoe. „Die Berechnungen wurden durch Messungen an Onshore- und Offshore-Testrohren bestätigt.“ GDG entwickle das entsprechende Design für seine Kunden. Die kostengünstigen Gründungsstrukturen werden in einigen Jahren erstmals in einem Meereswindpark eingesetzt.
„Das Forschungsprojekt Pisa hat gezeigt, wie konservativ die Baugrundsteifigkeit bisher eingeschätzt wurde“, erklärt Marc Seidel, Siemens Wind Power and Renewables Division. „So bleibt für künftige Projekte noch reichlich Luft nach oben“, resümiert er. Er verweist auf ein Projekt mit dem Titel Slic (Structural Lifecycle Industry Collaboration). Dieses bringe Erkenntnisse hinsichtlich der Materialermüdung. Und in einem deutschen Forschungsprojekt mit dem Namen Tandem – Towards an Advanced Design of Large Monopiles – arbeiten das Fraunhofer IWES, die IMS Ingenieurgesellschaft mbH und das Testzentrum der Uni Hannover bis Mitte 2018 an Design-Verbesserungen für Monopiles. Es wird also auf Hochtouren an der Gründungsstruktur geforscht.
Interessant: Die Branche war sich vor ein paar Jahren noch weitgehend einig, dass Monopiles für Multimegawatt-Anlagen in großen Wassertiefen ausscheiden. Eine Studie von Trendresearch aus dem Jahr 2013 zum Einsatz von Offshore-Fundamenten sieht Monopiles hauptsächlich bis 25 Meter Wassertiefe, ab 35 Metern so gut wie gar nicht mehr. Damals war allein schon eine Ramme nicht vorstellbar, die in der Lage ist, ein Rohr mit solch großem Durchmesser im Meeresboden zu versenken. Vierbeinige Gittermasten, sogenannte Jackets, sollten stattdessen verstärkt zum Einsatz kommen. Laut einem Report des Europäischen Windverbands waren 2014 rund 91 Prozent alle Offshore-Fundamente Monopiles und lediglich acht Prozent Jackets.
Rohre mit fast acht Metern Durchmesser
Längst ist klar, dass Monopiles uns auch in den nächsten Jahren erhalten bleiben. Spätestens seit die EEW Special Pipe Constructions GmbH aus Rostock im März dieses Jahres die neue XXL-Klasse präsentierte – 84 Meter lange Stahlrohre mit einem Durchmesser von fast acht Metern. Eingesetzt werden sie an 67 Windturbinen der Sechs-Megawatt-Klasse von Siemens im Offshore-Park Veja Mate. Wassertiefe: 39 bis 41 Meter.
1.200 Tonnen wiegt ein Monopile dieser Größenordnung. Zum Vergleich: Die von RWE für Sechs-Megawatt-Anlagen im Windpark Nordsee Ost verbauten Jackets wiegen nur 550 Tonnen. Die Kosten für den Rohstoff fallen also beim Vierbeiner kleiner aus. Allerdings ist der Stahlpreis in den vergangenen Jahren um 40 Prozent gesunken, weil China den Markt überschwemmt. 2015 produzierte die Volksrepublik etwa die Hälfte des weltweiten Rohstahls. Nimmt man das Kostensenkungspotenzial durch reduzierten Materialeinsatz hinzu, wie das Pisa-Projekt festgestellt hat, gewinnt das Monopile also an Attraktivität.
Doch die Projektkosten setzen sich aus viel mehr Faktoren zusammen als nur dem Stahlpreis. Peter Schaumann, Leiter des Instituts für Stahlbau an der Leibniz-Universität in Hannover, gibt zu bedenken, dass die Riesenrohre bei Transport und Errichtung an ihre Grenzen stoßen. „Krankapazitäten von über 1.000 Tonnen sind nicht so leicht zu finden“, so Schaumann. Schallschutzmaßnahmen für die Rammarbeiten nehmen zusätzlich rund 15 Prozent der Baukosten in Anspruch.
Wie ist der Meeresboden beschaffen?
Wenn die Monopiles wieder etwas leichter werden, hat das also für die Logistik Vorteile. Bisher sind die Fundamente mit wachsendem Durchmesser immer dickwandiger geworden, um die Stabilität zu gewährleisten. Tatsächlich kann die Wanddicke aber nicht beliebig erhöht werden. „Die erforderliche Ermüdungsfestigkeit nimmt mit zunehmender Blechdicke ab“, erklärt Schaumann. Das heißt, wenn sich XXL-Monopiles laut Pisa-Studie dünnwandiger auslegen lassen, ist das nicht nur eine Kostenersparnis, sondern auch eine Chance für die Stabilität beim Upsizing.
Die Frage, ob Jacket oder Monopile, ist aber keine reine Kostenfrage. Ein wichtiger Aspekt ist die Beschaffenheit des Meeresbodens. „Eine große Zahl an Projekten ist in der deutschen Nordsee geplant. Dort haben wir Sandböden, die für Monopiles gut geeignet sind“, erklärt Tim Fischer, Vice Director Ramboll Wind amp; Towers. Bei sehr harten Böden, wie sie im Nordosten von England vorkommen, und bei Wassertiefen von mehr als 40 Metern stoßen Monopiles an ihre Grenzen. „Sehr weiche Böden wie in der Ostsee können ebenfalls schwierig sein“, so Fischer. „Bei großen Wassertiefen ist das Jacket dort oft besser geeignet.“ Die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Technologie hängt manchmal aber auch einfach nur an den Produktionsbedingungen. „Für Monopiles braucht man spezielle Fertigungsstraßen, die es zum Beispiel in Amerika nicht gibt. Entsprechend kommen dort aktuell nur Jackets zum Einsatz.“ Derweil ist es in Europa derzeit nicht leicht, in großer Stückzahl an diesen Fundamenttyp zu kommen. „Für den Windpark Wikinger in der Ostsee kommt daher etwa eine Hälfte der Jackets aus Spanien und eine Hälfte aus Dänemark“, sagt Fischer. Dies macht die Koordination sehr komplex, da jede Fertigungsstätte einen eigenen Ansatz verfolgt, der dann im Entwurf, aber auch in der Logistik berücksichtigt werden muss.
Jackets punkten bei großen Wassertiefen
Jacket-Fundamente punkten gleichwohl bei größeren Wassertiefen und Meeresböden, die für lateral belastete Monopiles zu wenig Steifigkeit bieten. Die Verankerung am Meeresgrund erfolgt – sofern die Bodenbeschaffenheit dies zulässt – nahezu geräuschlos mit sogenannten Suction Buckets. „Jackets setzen schwerer See und höherer Welle eine überlegene Steifigkeit entgegen“, erklärt Marc Seidel und fügt an: „Klar, dass ihre komplexere Struktur deutlich höhere Baukosten mit sich bringt.“ Zulieferer arbeiten bereits an automatisierten Schweißverfahren zur Realisierung großer kostengünstiger Serien.
„Siemens entwickelt derzeit das Jacket-Prinzip weiter“, verrät Seidel. Das Konzept sehe kostengünstige Materialien wie Standard-Stahlrohre, automatisierte Schweißtechnik und ein neu entwickeltes Transition-Piece aus Beton vor. Das in kostengünstigen Großserien gefertigte Betonelement biete zusätzlichen Raum für Anschlusstechnik und verringere durch seine Masse die Zuglasten in den Suction Buckets. Im nächsten Jahr solle es in einem Testfeld erprobt werden. „Bei den Kosten stellen wir damit den Wettlauf zwischen Monopile und Jacket buchstäblich auf ein neues Fundament“, prophezeit Seidel. (Nicole Weinhold)
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