"Die Bundesregierung hat das Ziel, bis 2030 65 Prozent erneuerbare Energien im Strommix zu haben. Wir sind ein Teil davon", erklärt Hans-Peter Lang, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Wasserkraftwerke (BDW), bei der Veröffentlichung eines Gutachtens der Bergischen Universität Wuppertal unter der Leitung von Markus Zdrallek. "Wir waren die Vorreiter, jetzt stehen wir nur noch an vierter Stelle", so Lang. Notwendig sei Stabilität, wenn sich der Anteil volatiler Energien im Stromnetz erhöht. Die Wasserkraft könne diese Stabilität sicherstellen.
„Die Kleine Wasserkraft verringert die Kosten für den Netzausbau und stabilisiert die Netze“, so Lang. Durch einen geringeren Netzausbau und einen stabilen Netzbetrieb reduziert der Bestand der kleinen Wasserkraftanlagen die Kosten um rund eine Milliarde Euro gegenüber einem Szenario ohne diese Anlagen, das ist das zentrale Ergebnis der Kurzstudie. „Damit die kleine Wasserkraft diese Vorteile ausspielen kann, sollte die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode Rahmenbedingungen schaffen, die den Erhalt und den Ausbau der kleinen Wasserkraft sichern“, so Lang weiter.
Wie ist die Studie aufgebaut? Zdrallek erklärt, in den vergangenen zehn Jahren hätten sich die Erzeuger und Nutzer in den Netzen massiv verändert. Früher habe es vornehmlich zentrale Großkraftwerke gegeben, von denen aus der Strom zu den Verbrauchern geleitet wurde. Heute kämen mehr und mehr kleine Erzeuger etwa von Photovoltaikstrom dazu, die zum Teil sowohl erzeugen als auch verbrauchen. Und dann aber eben nicht stabil, sondern dann wenn die Sonne scheint. Hinzu kämen in den nächsten Jahren Elektroautos, die geladen werden müssten. Das Ziel der Bundesregierung laute immer noch 1/2 Million E-Autos bis 2020. Wärmepumpen kämen in den Haushalten mehr und mehr hinzu und soweiter. "Wie wir dieses Durcheinander auf der Verbraucherebene beherrschen sollen, dafür haben wir bisher keine Lösung." Fest stehe aber, dass die Wasserkraft die Netze stabilisieren könne. "Wasserkraftwerke könnten sogar bei einem flächendeckenden Stromausfall ein Inselnetz fahren", so der Professor aus Wuppertal. Für die Studie hatten seine Mitarbeiter und er fünf Regionen mit Wasserkraft untersucht und dort zwei Dutzend Netze analysiert, ausgehend von der Frage: Was wäre, wenn wir die Kleine Wasserkraft nicht hätten? Die Antwort: Statt Wasserkraft bräuchten wir die dreifache Leistung aus Windkraft oder sogar die fünffache Leistung aus Solar.
Probleme, die durch die volatilen Regenerativquellen Wind und Solar auftreten, seien Spannungsbandverletzung (keine gleichmäßige Sinuskurve) und eine Betriebsmittelüberlastung (Netzüberlastung). Für eine Region lautete sodann das Ergebnis: Wenn man Wasserkraft durch Wind oder Sonne ersetzt, muss man 46,5 Kilometer zusätzliche Kabel verbauen - mit Kosten von rund 3,7 Millionen Euro. "Das haben wir für über 30 Netze gemacht", so Zdrallek. "Umgerechnet auf alle Netz entstanden Kosten von 550 Euro pro Kilowatt an Wasserkraft, die ich aus dem Netz nehme."
Die Studie zeigt in einem Szenarienvergleich, dass die Netzausbaukosten ohne kleine Wasserkraftanlagen um 750 Millionen steigen können und weitere Netzdienstleistungen im Wert von 250 Millionen Euro verloren gehen. „So reduzieren zum Beispiel die über 7.000 Wasserkraftwerke in Deutschland wegen ihrer Nähe zu den Stromverbrauchern die Netzverluste erheblich. Sie erzeugen den Strom konstant und meistens dort, wo er gebraucht wird. Wasserkraftstrom muss daher nicht über lange Distanzen über die Netze transportiert werden,“ sagt Lang. So ergibt sich die Zahl von einer Milliarde Euro Kosten, die durch die kleine Wasserkraft vermieden werden.
Die Fisch kommen nicht zurück
Die derzeitigen ökologischen Auflagen, wie Fischaufstiege und -abstiege seien laut Wasserkraft-Verband zwar technisch umsetzbar, untergraben aber die Wirtschaftlichkeit der Anlagen. Daher empfiehlt der BDW der Bundesregierung, die Finanzierungsgrundlage für die Wasserkraft zu verbessern. Lang: „Ein Wasserkraftbetreiber, der seine Anlage ökologisch modernisiert, erfüllt auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deshalb sollte die Bundesregierung über ein Bundesförderprogramm die ökologische Modernisierung unterstützen.“ Zudem müsse die Degression in der Vergütung abgeschafft und Systemdienstleistungen müssten vergütet werden. An die Bundesländer gerichtet empfiehlt Lang: „Bei den Genehmigungsverfahren muss zudem das Wirtschaftlichkeitsgebot beachtet werden.“ Dazu gehörten längere Umsetzungsfristen, angepasste Anforderungen bei Restwasser und Durchgängigkeit sowie straffere und kürzere Genehmigungsverfahren.
Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie sei schwierig, betont auch Beisitzer Gerhard Eckert. 4.000 der rund 7.000 Kleinwasserkraftanlagen seien bereits mit Kosten von rund 100.000 Euro pro Anlagen umgerüstet worden, sodass Fische am Werk vorbei auf- und absteigen könnten (Fischtreppen und Co.). Allerdings habe sich die Erwartung nicht erfüllt, dass durch den Umbau die Fische wieder in die Bäche zurück kommen würden. "Die Fische sind nicht wiedergekommen. Und die weiteren Maßnahmen werden auch nicht dazu führen, dass die Fische wiederkommen." Es gebe andere Gründe, warum die Fische verschwunden seien. "Das Oberflächenwasser bringt zu viele Schadstoffe mit sich: aus Klärwerken, der Abrieb von Autoreifen wird von den Straßen in die Bäche gespült, Düngemittel und Pestizide aus der Landwirtschaft und so weiter." 35.000 Wehre in Deutschland bremsten den Fischzug zudem im gleichen Maß wie die 7.000 Wasserkraftwerke.
(Nicole Weinhold)