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Neue Erkenntnisse zur „kalten Dunkelflaute“

Vollversorgung mit Erneuerbaren ist problemlos möglich

Die Energiewende wird nur gelingen, wenn das gesamte System mitgedacht wird. Da muss die Bundesregierung noch kräftig nachlegen, wenn die Energiewende tatsächlich gelingen soll. Das ist eine der grundsätzlichen Ergebnisse, die man aus der aktuellen Studie zur sogenannten „kalten Dunkelflaute“ ziehen kann, die der Ökostromversorger Greenpeace Energy gerade vorgestellt hat. Dabei handelt es sich um Zeiten, in denen einerseits das Wetter sehr kalt und damit die Energienachfrage entsprechend hoch ist. Andererseits scheint in solchen Perioden die Sonne nur wenig oder gar nicht. Gleichzeitig weht der Wind nur schwach, so dass auch die Windkraftwerke die natürlich gegebene schwache Einspeisung von Solarstrom nicht kompensieren können. Bisher können die fossilen Kraftwerke solche Perioden überbrücken. Ein großer Teil wird durch Flexibilitätsoptionen wie abschaltbare Lasten abgedeckt. Einen nicht unerheblichen Teil stellen die regelbaren erneuerbaren Energien wie Biomasseanlagen oder Wasserkraftwerke bereit. Doch in Zukunft werden dies zunehmend auch die volatil ins Netz einspeisenden erneuerbaren Energien übernehmen müssen.

Nur zwei Wochen pro Jahr entscheiden

Die Experten von Energy Brainpool, die im Auftrag von Greenpeace Energy die Studie erstellten, haben untersucht, wie die Stromversorgung im Jahr 2030 gelingen kann, wenn die Witterungsbedingungen und damit auch die Erträge aus den Solar- und Windkraftanlagen ähnlich denen am Anfang dieses Jahres sind. Denn bis dahin soll der Anteil der erneuerbaren Energien von derzeit gut 30 Prozent auf 69 Prozent steigen.

Konkret war dies teilweise eine solche Periode einer kalten Dunkelflaute. Diese Perioden treten vor allem zwischen 23. Januar und 6 Februar eines jeden Jahres auf, wie die Experten aus der Analyse der Wetterdaten der vergangenen zehn Jahre herausgefunden haben. In solchen Perioden liegt die Nachfrage der Leistung teilweise mehr als 70 Gigawatt über dem Angebot, das Wind- und Solaranlagen bereitstellen können.

Residuallast steigt auf 80 Gigawatt

Die gleichen Wetterdaten auf das Jahr 2040 angewendet, ergibt im Falle der Fortführung der jetzigen Energiepolitik, dass die Residuallast, also die Last, die die dann installierte Erzeugungsleistung aus Wind- und Solaranlagen nicht abdecken können, in den Perioden der kalten Dunkelflaute zeitweise auf über 80 Gigawatt steigt. Betrachtet auf das gesamte Jahr erreichen die Wind- und Solaranlagen witterungsbedingt nur in 78 Prozent der Zeit die Hälfte der mittleren durchschnittlichen Einspeiseleistung – betrachtet auf Zeitperioden von sechs Stunden. Dies verteilt sich etwas über die Zeit. So erreichen die Anlagen – betrachtet auf Perioden von einer Woche – immerhin in 96 Prozent aller Fälle mindestens die Hälfte der durchschnittlichen Einspeiseleistung. Die Analysten haben so ein Zeitfenster von 362 Stunden pro Jahr ausgemacht, in denen die Wind- und Solaranlagen nicht mindestens die Hälfte der durchschnittlichen Einspeisung ausgleichen können. Hier ist allerdings der innereuropäische Austausch über Grenzkuppelkapazitäten noch nicht mit eingerechnet. Doch selbst mit diesem Austausch könne bei extrem stabilen Großwetterlagen die fehlende Leistung der deutschen Anlagen nicht ausgleichen. „Bei einer europaweiten Energiewende muss der grenzüberschreitende Stromaustausch in den kommenden Jahren dringend durch weitere Flexibilitätsoptionen ergänzt werden, um Wetterereignisse wie die kalte Dunkelflaute abzufedern“, resümieren Fabian Huneke von Energy Brainpool die Ergebnisse der Studie.

Wasserstoff und synthetisches Erdgas als Lösung

Soll die Energiewende gelingen und meint es die Bundesregierung ernst damit, muss sie weiter denken als bisher. „Für eine nachhaltige Versorgung braucht das Energiesystem auch nachhaltige technologische Lösungen“, sagt Sönke Tangermann, Vorstand bei Greenpeace Energy, angesichts der Tatsache, dass in Zukunft mehr langfristige Flexibilitätsoptionen gebraucht werden. Konkret haben die Experten von Energy Brainpool dabei die langfristige Speicherung von Strom in Zeiten von Überkapazitäten in Form von erneuerbaren Gasen, hier vor allem Wasserstoff, aber auch synthetisches Erdgas. Diese könnten dann in den Perioden der kalten Dunkelflaute wieder verstromt werden. Das ist zwar nicht gerade effizient, aber immer noch besser, als die Windkraft- und Solaranlagen abzuregeln und in den Flautezeiten wieder fossile Energieträger zu verbrennen.

Erzeugungskosten sinken auf 5,7 Cent

Die Analysten haben herausgefunden, dass bis zum Jahr 2040 Gaskraftwerke mit einer Leistung von 67 Gigawatt sowie Elektrolyseure mit einer Gesamtleistung von 42,7 Gigawatt installiert sein müssen. Da die Zeiten der Dunkelflaute viel kürzer sind als die Perioden, in denen ein Überschuss an Ökostrom aus den dann installierten Solar- und Windkraftanalgen produziert wird, muss die Leistung der Gaskraftwerke, die nur dann einspringen, viel geringer sein als die Leistung der Elektrolyseure. „Ein solches System wäre nicht nur klimaneutral, sondern kann während einer kalten Dunkelflaute die Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleisten – und das zu unterm Strich günstigeren Kosten“, sagt Sönke Tangermann. Die Analysten von Energy Brainpool haben ausgerechnet, dass die spezifischen durchschnittlichen Erzeugungskosten in einem solchen Stromsystem bis 2040 auf 5,7 Cent pro Kilowattstunde sinken. Die Erzeugungskosten im derzeitigen Stromsystem liegen bei etwa sieben Cent pro Kilowattstunde, unter Einrechnung nicht eingepreister Umweltschäden sogar bei 14,5 Cent je Kilowattstunde.

Eine zweite Variante wäre die Installation einer entsprechend hohen Leistung an Windkraft- und Solaranlagen, die komplett auch die Dunkelflauten abdecken. Diese würden dann in Zeiten genügend hoher Produktion entsprechend abgeregelt. Doch ein solches System würde nicht nur viel Platz beanspruchen, sondern es wäre ebenso unwirtschaftlich wie ein Rückfall in die alten Zeiten der Stromerzeugung mit fossilen Energieträgern. (Sven Ullrich)