Auf der Intersolar in München stelle Ralf Christian, CEO der Siemens Energy Management Division zunächst klar, wo die heutigen Herausforderungen liegen: "We eilen einer vollelektrischen Gesellschaft entgegen." Europa kommt heute auf einen Stromverbrauch von 22 Prozent beim Gesamtenergieverbrauch. Bei der Wärme seien es 45 Prozent. Der Schritt in Richtung Erneuerbare sei beeindruckend, aber "die viel größere Revolution wird es sein, dass wir bei Wärme und Mobilität auf regenerativen Strom umsteigen." Christian erinnert auch daran, dass längst nicht jeder auf der Welt Zugang zum Stromnetz hat: 1,1 Milliarden Menschen leben ohne Stromversorgung. Der Siemens-Manager erklärt, 3.139 Gigawatt zusätzlicher Strom aus erneuerbaren Quellen würde bis 2030 gebraucht, viel davon dezentral. Bis 2020 würden von neuen Stromquellen 62 Prozent dezentral errichtet.
Public Viewing zur Fußballweltmeisterschaft
Keine Wunder also, dass Siemens sich für eine Zusammenarbeit mit Solarkiosk entschieden hat, um in Afrikas netzfernen Regionen für Insellösungen mit Microgrids zu sorgen.Eine entsprechende Absichtserklärung wurde auf der Intersolar unterzeichnet. Thomas Rieger, Director Business Development bei der Berliner Firma, entschuldigt sich zunächst, er vertrete seinen Chef, der gerade mit Joe Kaeser und Angela Merkel in einem Flieger sitze. Klingt ganz so, als sei ländliche Elektrifizierung Afrikas gerade zur Chefsache erklärt worden. Bisher habe seine Firma mehr als 200 Solarkiosks am Laufen, mit denen rund fünf Millionen Menschen versorgt werden. außerdem eine kleine Klinik. Der mit Sonnenenergie betriebene Solarkiosk E-Hubb ist das Herzstück aller Dörfer ohne Netzanbindung, das den lokalen Gemeinden einzelhandels- und energiebezogene Dienstleistungen, wie etwa Ladevorgänge (Mobiltelefone, Batterien, Lampen), Internetverbindungen, das Kühlen von Produkten und Medikamenten, Wasseraufbereitung, Kopieren, Drucken oder Scannen, Finanzdienstleistungen sowie Nachrichten und Unterhaltung, ermöglicht. "Wir haben 800 Jobs in Afrika geschaffen", berichtet er. Das seien vor allem die Angestellten an den Kiosks. Derzeit würden die Kiosk auch für die Übertragung der Fußballweltmeisterschaft genutzt. "Public Viewing und in der Halbzeitpause eine kaltes Getränk", so Rieger, das käme gut an. Allerdings sei ein Monitoring unverzichtbar. "Die Leute wären natürlich nicht so glücklich, wenn in der letzten Viertelstunde des Spiels der Strom ausfällt." Entsprechend wird auch auf ein stabiles, intelligentes Netz Wert gelegt. Dazu kann Siemens jetzt seinen Beitrag leisten.
Solarkiosk in Rwanda
Erstes gemeinsames Projekt ist ein Solarkiosk in Rwanda. Fokus der Partnerschaft sollen insgesamt Solarkiosk-Projekte in Ost-Afrika sein, die lokale Unternehmen und Mittelständler in ländlichen Gebieten ohne Netzanbindung mit Solarenergie versorgen. Siemens Microgrid-Lösungen unterstützen das Sammeln von Daten, das Monitoring und die Analyse; außerdem soll eine einfache Fernsteuerung integriert werden. In dem ersten Projekt wird Siemens ganz konkret ein Microgrid Gateway implementieren, das sowohl Daten aus den bestehenden Solarkiosk-Energiesystemen als auch aus den Einzelhandelsgeschäften sammelt und eine Fernsteuerung des E-Hubb ermöglicht. So sollen Service, Energieverbrauch und laufender Betrieb, wie etwa das Lieferkettenmanagement, verbessert werden. Das Gateway wird mit Applikationen verbunden sein, die über die skalierbare Smartgrid-Anwendungsplattform Energy IP laufen und an Mindsphere, das cloudbasierte offene Betriebssystem für das Internet der Dinge (IoT), angebunden sind. In einem nächsten Schritt werden die Unternehmen die cloudbasierten Microgrid-Anwendungen und die zugehörige Lösung auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Stakeholder zuschneiden. Darüber hinaus werden die weitere Industrialisierung des vorhandenen elektrischen Equipments sowie die Erweiterung durch Siemens-Technik, wie eine lokale Regelung des Microgrids durch einen Controller oder kleine Batterie- oder Inverter-Lösungen, von Solarkiosk geprüft.
"Die analysierten Daten helfen, die wirtschaftlich sinnvollsten Entscheidungen durch die Bewertung der Produktivität verschiedener Serviceangebote zu treffen", sagt Ralf Christian. "Wenn das B2B-Microgrid weiter wächst, kann man die gesammelten Daten und die lokale Steuerungsmöglichkeit sogar für noch mehr Zwecke nutzen. Dies ist unsere Motivation für eine Co-Kreationsvereinbarung zur Entwicklung der nächsten Systemgeneration mit Mehrwertoptimierung für alle Partner."
(Nicole Weinhold)