Das 2050-Ziel des Europäischen Rates sieht bekanntlich die CO2-Reduktion um 80 bis 95 Prozent vor. Das könne, so der DWV in einem aktuellen entsprechenden Papier, "nur unter Einbeziehung des Verkehrs erreicht werden." Denn die Treibhausgasemissionen seien bisher nicht rückläufig, sondern 2015 sogar erneut gestiegen. Sie liegen auf dem Niveau von 1990. Gleichzeitig gibt der DWV zu bedenken, dass zunehmend Konsens zu einer Verzahnung der drei Sektoren Strom, Wärme und Verkehr bestehe. Einfach gesprochen heißt das: Wenn derzeit Regenerativanlagen in großer Zahl bei Sonnenschein und Wind abgeschaltet werden, weil sie die Netze überlasten, dann könnte diese Energie künftig gespeichert und in anderen Sektoren als dem Strombereich genutzt werden. Für das langfristige Verfügbarmachen von Regenerativstrom eignet sich nach Ansicht des DWV Wasserstoff am besten. Das heißt Regenerativstrom wird für die Wasserstoffproduktion genutzt. Dieser kann dann wiederum für Brennstoffzellenfahrzeuge, zum Beispiel auch die Wasserstoff-Industrie genutzt oder ins Erdgasnetz gespeist werden.
Laut aktueller Shell-Studie besitzt Wasserstoff aus erneuerbaren Energien (wie Wind oder Biogas) sehr niedrige spezifische Treibhausgasemissionen. Zusammen mit dem effizienteren Antrieb von FCEV ergeben sich gegenüber verbrennungsmotorischen Fahrzeugen, die mit fossilen Kraftstoffen betrieben werden, bis zu 90 Prozent niedrigere entfernungsbezogene Treibhausgasemissionen. Je nach Erzeugungspfad weisen FCEV (etwas) höhere/niedrigere spezifische Treibhausgasemissionen auf als batterieelektrische Pkw (BEV).
In einem ambitionierten 2DS high H2-Szenario der Internationalen Energieagentur, welches die klimapolitischen Anforderungen des 2°C-Klimaziels erfüllt, nimmt in drei Schwerpunktmärkten (USA, ausgewählte Pkw-Märkte in Europa sowie Japan) der Bestand an Brennstoffzellenfahrzeugen bis 2050 auf circa 113 Mio. Einheiten zu; hierfür steigen die ierfür steigen die FCEV-Neuzulassungen im Jahr 2030 auf je 1 Mio. in EU und USA sowie 2050 für alle betrachteten Regionen auf rund 10 Mio.
In seinem Szenario zur Energiewende 2030, The Big Picture, schreibt auch der Think Tank Agora Energiewende dem Sektor Verkehr und damit der Umwandlung von Strom in Wasserstoff eine wichtige Rolle zu. Agora-Chef Patrick Graichen beschreibt sogar ein Szenario, nach welchem vielleicht einmal Offshore-Windparks gebaut würden, nur um Kraftstoff für den Straßenverkehr zu produzieren. Graichen kommt zu dem Schluss, dass Power-to-Liquid besonders dann unverzichtbar wird, wenn es der Bundesregierung nicht gelingt, eine Kehrtwende einzuleiten, wenn also der Verbrauch nicht massiv zurück geht. Bisher sieht es nicht danach aus.
Fest steht auch, dass die Ausbauziele der Bundesregierung im Bereich der erneuerbaren Energien die Sektoren Wärme und Verkehr nicht berücksichtigt haben. Diese müssen gleichwohl maßgeblich über Regenerativstrom abgedeckt werden. Längst ist klar, dass die Ausbauziele massiv angehoben werden müssen, wenn man es mit den EU-Zielen ernst meint. Vor den Bundestagswahlen will in der Regierung aber niemand das heikle Thema anschneiden. Danach wahrscheinlich auch nicht - der Druck der EU ist relativ gering.
Gleichwohl führt an der Verkehrswende kein Weg vorbei. Aber könnte nicht auch Biokraftstoff hier weiter eine bedeutende Rolle spielen? Burkhard Reuss, Direktor Kommunikation und Public Affairs der Total Deutschland GmbH, sieht nicht, dass Biokraftstoffe die Lösung der CO2-Reduktion bringen werden. "Biokraftstoffe sind politisch immer weniger gewünscht", sagt er. Im Straßenverkehr seien sie zwar gesetzlich vorgeschrieben, träfen bei den Verbrauchern aber nicht auf große Akzeptanz, im Flugverkehr seien sie derweil weiterhin wichtig. Er fügt an: "Wir könnten ohnehin nicht mit fast reinem Biokraftstoff fahren, weil der Mengenbedarf und damit die benötige Anbaufläche zu groß wäre." Was die Kraftstoffe zweiter Generation betrifft, baut Total zwar eine Bioraffinerie in Marseille, die großenteils auch Abfallfette verarbeitet, aber auch hier sei die Menge begrenzt. Ebenso bei Holzabfällen und bei Kurzumtriebsplantagen
Zudem gibt es einen EU-Beschluss zur Reduktion des Palmöleinsatzes. Werner Diwald, Geschäftsführer des DWV betont, mittelfristig würden Wasserstoffautos einen festen Platz im Mobilitätsmix der Zukunft einnehmen. Er fügt an: "Wasserstoffmobilität sichert und schafft Arbeitsplätze in Deutschland. Zudem ist Europa bisher zu 100 Prozent von Ölimporten abhängig. Wenn sich der Weltenergiebedarf verdoppelt, steigt das Konfliktpotenzial darum erheblich." Daher sei eine Reduzierung der Abhängigkeit auf mindestens 50 Prozent schon einmal ein gewaltiger Vorteil.
In einem Punkt sind sich Energiepolitiker und Regenerativbranche einig: Spätestens bei einem Anteil von 80 Prozent Erneuerbaren wird Wasserstoff zum Ausgleich volatiler Erneuerbarer zur Pflicht. Vorher kann Gas das noch leisten. Dass man allerdings die Technologie nicht erst 2030 aus dem Hut zaubern kann, das ist vielen nicht klar. Nur wenige Länder haben einen so hohen Anteil von Wind und Sonne, es ist also kein Wunder, dass wir hier Vorreiter sein sollten. Für unsere Regenerativwirtschaft und für unsere Versorgungssicherheit.
Was brauchen wir dafür? Ein erster Schritt wäre die rechtliche Umsetzung der EU-Richtlinien zur effektiven Markteinführung von grünem Wasserstoff. Das kann zum Beispiel über die Anrechnung des Wasserstoffs auf die Treibhausgasminderungsverpflichtung passieren.