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Kohle bremst Innovationen

"Große Energieversorger profitieren von Marktverzerrung"

Ist die Speicherindustrie auf dem richtigen Weg, um die nötigen Entwicklungssprünge – Kostenreduktion, Netzintegration – zu meistern?

Clemens Triebel: Das Handy war ja auch nicht irgendwann einfach da war und dann war Schluss mit den Innovationen. Entsprechend wäre auch nicht Schluss mit der Innovation, wenn wir ein Smart Grid in Deutschland hätten. Wir brauchen unglaublich viel Hirn, um die Erneuerbare in den Netzen unterzubringen. Wenn wir Kohle haben, brauchen wir keine Innovationskraft.

Aber das Handy war eine Neuentwicklung und das Stromnetz existiert bereits. Es ist schon ein unterschied, ob ich ein funktionierendes Stromsystem nehme und umbaue.

Triebel: Wir konnten nur kabelgebunden telefonieren. Die Erfindung war ja über den Äther zu gehen. Das ist doch genau dasselbe in der Energieversorgung, wenn ich frage, wie dezentral kann denn Energieversorgung werden? Da steckt ein riesen Innovationspotenzial, die Energie dort zu verbrauchen, wo sie erzeugt wird. Im Idealfall ist das kleinteilig, also bei mir zu Haus.

Der Bau eines neuen Kohlekraftwerks bremst dagegen Innovation aus. Umgekehrt beflügelt es Innovation, wenn wir statt eines Kohlekraftwerks etwas anderes aufbauen: Das ist auf jeden Fall innovativer. Auch wenn es noch nicht zu ende gedacht ist, kann es kein Fehler sein, innovativ zu sein.

Wird das Kohlekraftwerk nicht aus wirtschaftlichen Überlegungen aufgebaut?

Volker Quaschning: Kohlekraftwerke rechnen sich nur, wenn man die Klima- und Gesundheitsschäden vernachlässigt. Müssten die Betreiber dafür haften, würden sich Kohlekraftwerke schon lange nicht mehr rentieren. Die Regierung unternimmt eine Marktverzerrung indem sie die Folgekosten und das Risiko auf die Bevölkerung abwälzt. Durch diese Marktverzerrung heißt es dann immer, die erneuerbaren Energien sind teuer. Sind sie gar nicht. Wenn man das gesamtwirtschaftlich betrachtet, sind erneuerbare Energien heute schon wirtschaftlicher als konventionelle Energien. Und was die Innovationskraft der großen Energieversorger anbelangt, die von der Marktverzerrung profitieren, sprechen deren Geschäftsberichte eine eindeutige Sprache: RWE weist dort für 2012 einen Anteil erneuerbare Energien von einem Prozent aus.  

Innovationen sind nötig, wenn der Kostendruck steigt.

Triebel: Der Wettbewerb bei den Speichern wird helfen, die Kosten zu senken. Wir sind aber noch nicht in einem Wettbewerb, sondern haben bisher nur ein paar Ausschreibungen weltweit. Wir sind in Italien in einem Wettbewerb mit fünf Konsortien mit Saft, Samsung, Toshiba und Siemens dabei. Wir können noch nicht von einem Roll-out sprechen. Noch gibt es keinen Wettbewerb wer das größte und beste Batteriekraftwerk baut oder den besten Hausspeicher. 

Wie bewerten Sie denn das KfW-Speicherprogramm?

Space-Atmosphäre bei Younicos zwischen riesigen Speichern. - © Foto: Nicole Weinhold
Space-Atmosphäre bei Younicos zwischen riesigen Speichern.

Quaschning: Wir müssen die Energiewende von hinten denken und fragen: Was für Innovationen brauchen wir und in welchem Tempo? Dass bis jetzt 4.000 Speicher gefördert wurden, die sich auch noch auf eine Vielzahl an Herstellern verteilen ist ganz nett - das ist aber immer noch Manufaktur. Wenn man da jetzt einen harten Wettbewerb einführt, bricht alles wieder zusammen. Das ist ein zartes Pflänzchen wie die Photovoltaik in der 1990er Jahren. Momentan ist man an dem Punkt, wo man die Speicher komplett abwürgen oder gedeihen lassen kann. Der künftige Speicherbedarf ist ja um Dimensionen größer, als das, was wir heute haben. Da reden wir ja über einen Faktor 100 bis 1000. 4.000 Systeme kann ich da auch sein lassen. Wenn das für die Energiewende Bedeutung erlangen soll, muss man noch ein paar Nullen dran hängen. Das Speicherprogramm müsste deutlich größer sein.

Ein 100.000-Speicher-Programm?

Quaschning: Mindestens, eine Million wäre besser. Das jetzige Programm ist doch jetzt nicht mehr als eine Beruhigungspille: Da habt ihr was zum Spielen und damit tut ihr niemandem weh. Das ist besser als gar kein Programm, aber es wird uns nicht in neue Dimensionen bringen. Ich habe gehört, dass bis zu zwei Drittel der Speicher ohne KfW-Förderung gebaut wurden. Für viele ist das Speicherprogramm zu kompliziert. Dann kommt noch hinzu, dass die Photovoltaikanlagen auf 60 Prozent abgeregelt werden müssen, und Kunden damit vermeintlich mehr verlieren als das Programm bringt. Dann lasse ich es lieber gleich.

 Triebel: Ich muss mir oft anhören, ihr mit eurem Photovoltaik-Kram habt ja eine Technologieförderung bekommen. Wollt ihr jetzt für Speicher auch wieder eine Förderung? Wenn es ein KfW-Kredit aus dem Volk ist, der einer Einzelperson zufließt, dann kommt das bei der Bevölkerung nicht gut an. Besser ist ein Programm, das mit Steuergeldern die Energiewende voran bringt, indem die Netze intelligenter gemacht werden. Da ist klar, dass das eine Gemeinschaftsaufgabe ist. Ich hätte mir gewünscht, dass man Speicher fördert, die mit dem Netz kommunizieren können. Energiespeicher, die intelligent sind, würden auch wieder Innovationsdruck bringen. Sie würden ins Netz kommunizieren und Stadtwerken die Möglichkeit geben, darauf zuzugreifen.

Wie wäre es mit einem Bürgerspeicher?

Triebel: Community Storage ist das richtige Wort. Dafür möchte ich Modelle entwickeln. Ich möchte, dass Herrn Müllers PV-Anlage mit Herrn Meyers Speicher kommuniziert. Dann kommt Intelligenz in die Netze. Wenn alle mit RWE einzeln verhandeln, dann kommt nicht viel dabei raus. Insofern ist ein Bürgerspeicher keine schlechte Idee.

Würde man denn so auch eine Wirtschaftlichkeit hinkriegen?

Triebel: Bei kleinen Systemen nicht, aber bei größeren zum Beispiel bei Gewerbekunden schon. Aber das ist ja jetzt im EEG drin, dass sie das nicht mehr machen können. Auch wenn die Politik da jetzt voll reingrätscht, denke ich, die Vernunft bahnt sich ihren Weg.

Der Speicher in so einem Handy ist nach drei Jahren hinüber.

Triebel: Das ist ein Imageproblem, das stimmt. Es gibt da ein paar Ansätze, das zu verbessern. Die Pedilecs zum Beispiel, da wissen die Leute, da kann man weit mit fahren und muss wenig aufladen, weil die Dinger ganz schön gut sind. Wenn ein Hausspeicher im zehnten Jahr noch funktioniert, dann ist das gut. Wir müssen jetzt erstmal in einer Pilotphase beweisen, dass es geht.

Quaschning: Noch ein Wort zum KfW-Programm: Speicher können ja auch jetzt schon sinnvolle Aufgaben übernehmen. Da wo viel Photovoltaik gebaut wird, müssen die Ortsnetztrafos ausgetauscht werden. Wenn wir dort Speicher in die Hausnetze einbauen und die Speicher noch sinnvoll regeln, also die PV-Leistung in Abhängigkeit der Netzbelastung begrenzen, dann können Speicher heute schon zu Kosteneinsparungen beim Netzausbau beitragen. In schwachen Netzen könne man Speicher in Abhängigkeit der Netzentlastung fördern. Je stärker die Photovoltaikleistung begrenzt und Netze entlastet werden, desto größer könnte der Investitionszuschuss sein. Damit könnten wir Innovationen bei Speichern fördern und zudem noch der Energiewende weiterhelfen. Diese Innovationen dürfen dann natürlich nicht gleich wieder durch die geplante Eigenverbrauchsumlage abgewürgt werden. Es gibt also schon sinnvolle Maßnahmen, um die Energiewende wirklich voranzubringen. Um diese zu erkennen und umzusetzen, müsste man allerdings die Energiewende auch ernsthaft wollen.

Das Gespräch führten Sven Ullrich und Nicole Weinhold. Über den vermeintlichen "Exportschlager Braunkohlebagger" und über die ideale Speichertechnologie diskutieren Quaschning und Triebel in unserem Solar Investor's Guide in der gedruckten Juni-Ausgabe von ERNEUERBARE ENERGIEN. Kostenloses Probeabo gefällig?