Wenn die Finanzwelt das Klimaabkommen von Paris ernst nimmt, müsse sie den Ausstieg aus der Kohle nun so schnell wie möglich vollziehen. "Nachdem zahlreiche Banken und Investoren im vergangenen Jahr konkrete Maßnahmen angekündigt haben, mangelt es der Deutschen Bank noch nicht einmal an Vorbildern. Wir fordern daher eine sofortige und konsequente Kohle-Ausstiegsstrategie“, sagt Sebastian Rötters, Urgewald-Experte für Kohlefinanzierung.
Bereits 2015 wurde die Deutsche Bank als Unterstützerin der Kohleindustrie ausgemacht. Der von Urgewald mitveröffentlichte Report „The Coal Test“ führte damals den Frankfurter Finanzkonzern mit fast 14 Milliarden US-Dollar auf Platz 7 der internationalen Banken, die 2009 bis 2014 die Kohleindustrie finanzieren. Der Report beschreibt das alarmierende Ausmaß, in dem der Bankensektor die Kohleindustrie zwischen den Klimagipfeln von Kopenhagen und Paris unterstützt hat. 257 Milliarden US-Dollar sind im Zeitraum 2009 bis 2014 in den Sektor geflossen. Die fünf größten Kohle-Finanzierer unter den Großbanken seit dem Kopenhagener Klimagipfel sind Citigroup (19,65 Mrd. $), JPMorgan Chase (18,80 Mrd. $), Royal Bank of Scotland (15,86 Mrd. $), BNP Paribas (14,84 Mrd. $) und Bank of America (14,44 Mrd. $). "Dabei ist Kohle nicht nur aus Klimasicht schädlich, unter Abbau und Verbrennung von Kohle leiden Mensch und Umwelt weltweit Tag für Tag", so die Umweltschützer.
Hinsichtlich der Finanzierung des umweltschädlichen Kohleabbauverfahrens „Mountaintop Removal“ (MTR) hat die Deutsche Bank erstmals auf die jahrelange Kritik von Nichtregierungsorganisationen reagiert. Im Nachhaltigkeitsbericht schreibt sie, sie ziehe sich „schrittweise aus der Vergabe von Krediten an und der Ausgabe von Anleihen und Aktien für Bergbauunternehmen zurück, sofern diese wesentlich zur Kohleproduktion durch MTR-Verfahren in den USA beitragen.“ (siehe Bericht Unternehmerische Verantwortung 2015“, S. 37).
Wald-, Wasser- und Landverlust
Nach einer Studie der US-Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) sollen in den Appalachen bis zum Jahr 2012 rund 5.700 Quadratkilometer Land (überwiegend Waldflächen) betroffen sein. Seit dem Beginn des mountaintop removal minings wurden in den Appalachen von den 1970er Jahren bis 2008 rund 500 Bergkuppen abgetragen. Die Landschaft werde großflächig zerstört und durch das Abtragen der Bergspitzen in ihrem Charakter tiefgreifend verändert. Im Wise County in Virginia sind die MTR-Tagebaue nach den Wäldern bereits zweitgrösster Flächennutzer des Counties. Nach Vorgaben der EPA sollen die abgeflachten Berge nach Abbau der Kohle renaturiert werden. Die getroffenen Renaturierungsmassnahmen sind jedoch nicht geeignet, die vormals auf den Bergspitzen vorhandenen Wälder zu ersetzen.
Durch die Verkippung des Abraums in die angrenzenden Täler (englisch valley fills), die häufig Flussläufe führen, kann es zu massiven Eingriffen in den Wasserhaushalt kommen. Diese Eingriffe führen zu einer Beschädigung der biologischen Qualität der betroffenen Gewässer. Nach Angaben der EPA wurden von 1992 bis 2014 etwa 1200 Meilen (entspricht rund 1900 Kilometern) Flussläufe von Abraum verschüttet. Mit dem Abraum können Substanzen wie Selen, Quecksilber, Arsen und Aluminium in Oberflächen- und Grundgewässer gelangen.
Sebastian Rötters kritisiert das Vorgehen als nicht ausreichend. Andere Finanzierer wie etwa Unicredit hätten längst einen weitergehenden MTR-Ausschluss beschlossen. "Zudem ist durch die unkonkrete Formulierung noch völlig offen, wie schnell und umfassend die Deutsche Bank ihre Gelder abziehen will. Klar ist: MTR ist so brutal und so schädlich, dass ohne Wenn und Aber keine Gelder in diesen Bereich fließen dürfen.“
MTR sei ein extrem brutales Abbauverfahren, bei dem im US-Gebirge Appalachen ganze Bergspitzen gesprengt werden, um an die Kohle zu gelangen. Den giftigen Abraum kippen die Firmen laut Urgewald in umliegende Täler. "Wasserläufe werden kontaminiert, Menschen leiden unter der hohen Staubbelastung und vergifteten Gewässern. Studien gehen pro Jahr von bis zu 1.500 zusätzlichen Todesfällen im Zusammenhang mit MTR aus", so die Umweltorganisation. Trotzdem habe die Deutsche Bank noch bis in die allerjüngste Vergangenheit zu den wichtigsten Finanzierern von MTR-Firmen gehört.
(Nicole Weinhold)