Was haben die folgenden drei Beispiele gemeinsam? Erstens: Die Verfütterung von Schlachtabfällen an Wiederkäuer ist seit dem europaweiten Rindfleischskandal BSE nicht mehr erlaubt. Laut Verband der Fleischwirtschaft ist die heimische Massentierhaltungsindustrie deshalb ein wenig vegetarischer geworden. Zweitens: Ein Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln und Muskelaufbaupräparaten packt in jede Lieferung einen Apfel dazu. Das Unternehmen lobt sich als Kämpfer gegen Doping, weil die dank der Vitaminzufuhr gesünderen Kunden besser aufs Training ansprechen und weniger leistungssteigernde Medikamente benötigen. Drittens: Der FC Bayern München wird das umjubelte neue Mitglied der Bayerischen Klimaallianz, nachdem er die 1.056 beleuchteten Einheiten von insgesamt 2.760 mit Pressluft aufgepumpten Luftkissen in der Außenhaut des Stadions mit energiesparenden LED-Leuchten ausgestattet hat: Die 26.000 Quadratmeter große Außenhaut des Stadions in der Größe von drei Fußballfeldern ist nun mit mehr als 300.000 Lichtpunkten in 16 Millionen Farben ansteuerbar, bei Bildwiederholungsraten von bis zu 40 Bildern pro Sekunde und spart trotz Dauerbeleuchtung angeblich bis zu 60 Prozent der Kosten des vorherigen Beleuchtungssystems ein.
Realsatire? Nein: die ersten beiden Beispiele sind erfunden und doch vorstellbar. Das dritte ist echt und keineswegs witzig gedacht: Die Bayerische Klimaallianz hat den deutschen Dauerfußballmeister FC Bayern München tatsächlich als 33. Mitglied begrüßt: “Die Klima-Allianz ist in der Königsklasse angekommen”, jubilierte die bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf Mitte vergangener Woche. Dabei ist ihr Wortspiel mit der Königsklasse unverkennbar ein Verweis auf die ebenso genannte Champions-League, den Pokal der nationalen europäischen Fußballmeister und einiger weiterer hochrangiger Clubs speziell aus Fußballligen mit viel Kapital. Dort hat Bayern München so etwas wie ein Dauerabo. Was auch etwas mit dem vielen Geld der Münchner zu tun hat, die mit ihrer stets durch neue Spitzenspielerkäufe aufgerüsteten Mannschaftsstärke unter einen bestimmten Rang in der Bundesliga nicht mehr sinken können – und dank besonders vieler Startplätze der Bundesliga in der Champions League dort immer einziehen. Das hat auch wieder mit viel Geld zu tun, weil die Champions-League mehr Fernsehgelder einbringt und dadurch noch mehr europäische Spitzenspieler hinzugekauft werden können.
Will Ministerin Scharf also die bayerische Klimaallianz genauso als Dauerklasse der reichsten und wichtigsten industriellen Player des Landes aufbauen? Vielleicht irgendwann. Als Partner der Allianz fungieren bisher zunächst ausschließlich der bayerischen Identität dienende Vertreter wie auszugsweise der Alpenverein, der Radfahrverein ADFC, die Sparkassen, der Landesinnungsverband der Bayerischen Kaminkehrer, Süddeutsche Zeitung, Bayerische Architektenkammer und Deutsche Rentenversicherung.
Was aber qualifiziert die Bayern dann zur Champions-League beim Klimaschutz? Dass die Fußball-Bayern im Sommer noch mit einer Fanwerbetour durch das reiche aber Fußball-arme Saudi-Arabien getourt sind, um sich für das üppig vorhandene Kapital dort interessant zu machen? Das hatte den Bayern damals ein bisschen Hohn und Spott durch die Medien eingebracht, weil die Saudis ja Menschenrechte wenig achten. Das Königreich Saudi-Arabien ist ein Staat, der wie keiner sonst auf der Welt das Öl fördert, dessen Verbrennung für den Klimawandel starke Mitverantwortung trägt. Besteht hierin etwa ein genialer Schachzug der bayerischen Klimaallianz? Soll auch der FC Bayern das Schmiermittel für viele nicht am Klimaschutz interessierte Menschen sein, sich doch dem Thema zu nähern? Vielleicht hat der FCB den Glanz der Königskrone der Saudis gesucht, so wie der Club nun der Glanz der Königsklasse auf Bayerns Umweltpolitik abstrahlen soll. Schließlich ist es das erste volle Jahr der bayerischen Antiwindkraftregelung 10-H. Diese Regel verordnet größere Abstände für neue Windparks zu Wohnsiedlungen. Neue Windpark-Projektierungen haben daher in Bayern gar keine Chance mehr.
Die Klimaallianz der Ministerin Scharf ist so etwas wie ein Netzwerk, das Klimaschutz für jeden Bürger nachvollziehbar Machen – und die Bürger zum Mitmachen ermutigen soll.
Doch die Freude über den FC Bayern als Beispielgeber für die Energieeffizienz seiner Stadionfassade ist im Wortsinne kaum nachvollziehbar: Zahlen für einen zusammenhängenden Eindruck vom Klimaschutz bei dem Fußballclub bieten weder die Homepage des Stadions noch der Klima-Allianz. Manches lässt sich gerade noch herleiten: An jedem Spieltag verbrauchte das Stadion bis vor der Umrüstung auf LED-Beleuchtung 60 Megawattstunden (MWh), an spielfreien Tagen 20 MWh. Das wären zusammen grob aufs Jahr gepeilt achteinhalb Gigawattstunden. Es entspricht dem Jahresverbrauch von 1.940 Vierpersonenhaushalten in Deutschland. Durch die Umrüstung auf LED seien “100.000 Kilowatt” pro Jahr eingespart worden. Die Philipps-LED-Leuchten seien um bis zu 60 Prozent effizienter, als die vorherigen Leuchtmittel. Allerdings: 60 Prozent von was? Von den Betriebskosten der Beleuchtung?
Selbst wenn mit 100.000 Kilowatt pro Jahr 100.000 Kilowattstunden weniger Verbrauch als im Vorjahr gemeint gewesen sein sollten: Der Stromverbrauch hätte sich somit effektiv nur um ein Prozent vermindert.
Immerhin bezieht Bayern München für die Allianz-Arena nicht nur Strom vom Energiekonzern Eon, dem Betreiber des Münchner Atomkraftwerks Isar. Schon in der Vergangenheit hatte der Fußballclub mithilfe von Versorger Eon eine GWh Verbrauchsreduktion mit Energieeffizienz-Maßnahmen erreicht. Auf der Trainingshalle befindet sich inzwischen eine Solaranlage. Andere Fußballclubs in Deutschland allerdings haben die Solaranlage schon auf dem Stadiondach.
Andererseits hat der FCB die rote Laterne vom Magazin Zeo2 der Tageszeitung Taz für die schlechte Erreichbarkeit für Nicht-Autofahrer erhalten. Kein Fußballverein sonst sei in der höchsten deutschen Spielklasse für so viel CO2-Emissionen durch Verkehr verantwortlich wie der aus der Allianz-Arena, schrieb Zeo2 2013.
Aber beim Fußball geht es ja nicht ums ernste Grübeln sondern eher ums lässige Schau-Mer-Mal von Bayerns Lichtgestalt Franz Beckenbauer. Vielleicht müssen Bayerns staatliche Klimaschützer argumentativ dribbeln können, wie in der Königsklasse.
(Tilman Weber)