Eteka Sourou kennt sich aus mit Wasserstoff. Er arbeitet auf der Shell-Tankstelle am Hamburger Volkspark. Die Station ist eine von 34, die in Deutschland das Gas für Fahrzeuge mit Brennstoffzellentechnologie zur Verfügung stellen. „Es muss ‚klack‘ machen“, sagt der Tankwart, während ich versuche, den Tankstutzen mit dem Fahrzeug zu koppeln – einem Hyundai ix35 Fuel Cell. Weil das nicht klappt, zeigt er, wie es geht, und schiebt einen breiten Ring am Betankungsschlauch auf die Tankkupplung des Autos, bis ein Arretiergeräusch zu hören ist. Nach fünf Minuten ist der Wagen voll getankt. 5,9 Kilogramm Wasserstoff passen hinein. Gegenwert bei einem Preis von 9,50 Euro pro kg: 56,05 Euro.
Nur ein Sirren ist zu hören
Für das Brennstoffzellen-Fahrzeug selbst ist deutlich mehr zu zahlen. Rund 65.000 Euro beträgt der Neupreis – etwa 25.000 Euro mehr als bei einem klassischen Vergleichsmodell. Dafür hat er etwas Besonderes. Statt einem Benzin- oder Dieselmotor arbeitet hier ein Stapel von 400 Brennstoffzellen – und das fast lautlos. Nur ein leichtes Sirren ist bei offener Motorhaube zu hören, während die Zellen Wasserstoff aus dem Tank und Sauerstoff aus der Umgebungsluft zu Wasser verbrennen und dabei Strom erzeugen, der entweder in der Batterie gespeichert wird oder den Elektromotor direkt antreibt. Die Deutschland-Zentrale Hyundais hat den Mini-SUV für zwei Wochen als Testwagen zur Verfügung gestellt. Zu klären sind drei Fragen: Wie fährt sich ein Wasserstoffauto, wie ist das Handling mit dem Kraftstoff und wie sieht es mit Verbrauch und Reichweite aus?
Ich danke Eteka Sourou für seine Hilfe und dann geht‘s los. Rund 300 Kilometer sind es bis zur nächsten Tankstelle südlich von Münster. Laut Angaben des Herstellers sollte das kein Problem sein. Der Verbrauch liegt offiziell bei 0,95 Kilo pro 100 Kilometer. Doch in Zeiten des Dieselskandals ist Skepsis gegenüber Herstellerangaben kaum zu vermeiden. Um sicher zu gehen, wähle ich die Eco-Stufe aus, die über einen Kippschalter mit dem Automatikgetriebe verbunden ist. Sie drosselt die Kraftstoffabgabe bei der Fahrt.
Der Wagen zieht gut
Der Plan ist, zur ersten Einschätzung der Reichweite bei Geschwindigkeiten zwischen 80 und 100 Stundenkilometern Münster über Landstraßen zu erreichen. Der Wagen zieht sehr gut. Das maximale Drehmoment liegt bei 300 Nm. Auch im Eco-Gang reicht es problemlos, um auf der Landstraße zügig Lkw überholen zu können. Nach 315 Kilometern ist die Westfalen-Tankstelle in Münster-Amelsbüren erreicht. Der Verbrauch nach Abschluss des jetzt problemlosen Tankvorgangs: 3,18 Kilogramm. Das entspricht einer Reichweite von 590 Kilometern.
An allen Tankstellen in Deutschland ist der Preis für Wasserstoff mit 9,50 Euro je Kilogramm gleich, die Herkunft ist aber unterschiedlich. Während Westfalen den Kraftstoff aus Erdgas in einer eigenen Raffinerie erzeugt, stammt er in Hamburg bei Shell aus einem Elektrolyseur, der mit Überschussstrom arbeitet, also dann, wenn in windstarken und verbrauchsschwachen Zeiten in Norddeutschland Elektrizität sehr billig ist.
Auch wenn der Wasserstoff erst CO2-frei sein wird, wenn er vollständig mit regenerativem Strom hergestellt wird, lässt er schon jetzt das Ökoherz höherschlagen. Denn aus dem Auspuff – eine Art Austrittsstutzen aus Kunststoff – tröpfelt nur Wasser wie die nassen Fingerspitzen beweisen, die nach dem Betrieb vorsichtig das mäßig warme Rohr von innen abtasteten. Noch ist Wasserstoff auf den Straßen eine Rarität. Ein paar hundert Brennstoffzellenautos sind in Deutschland zugelassen. Neben Hyundai bieten nur Toyota und seit Kurzem Daimler Wasserstoffautos in Serie an.
400 Kilometer nach Hamburg
„Ein bis zwei Autos pro Tag tanken hier Wasserstoff“, sagt der Kassierer an der Star-Station in Mülheim an der Ruhr, während der Testwagen tags darauf für die Rückfahrt betankt wird. „Es gab aber auch schon Wochen, da ist keiner gekommen. Das muss sich noch herumsprechen“, zeigt er sich überzeugt. Schließlich sei die Station erst seit März in Betrieb und damit die erste im Ruhrgebiet.
Das Display zeigt eine Reichweite von 450 Kilometern. Nach Hamburg sind es 400 Kilometer. Das sollte passen. Doch als ich hinter Osnabrück wieder hinsehe, ist der Schreck groß: nur noch 200 Kilometer Reichweite bei 212 ausstehenden Kilometern. Ich muss wenden und 70 Kilometer zurück nach Münster fahren. Was mir nicht aufgefallen war: Bei sportlicher Fahrweise verbraucht das Fahrzeug deutlich mehr als im Eco-Modus auf der Landstraße. Ich achte nun bewusst auf die Anzeige im Cockpit, die den momentanen Verbrauch als beweglichen Balken abbildet. Mit Bleifuß und Beschleunigung in Richtung Spitzengeschwindigkeit von 160 km/h schnellt der Balken auf bis zu 3 Kilogramm pro 100 Kilometer hoch. In Münster zeigt sich, es waren 3,6 Kilogramm auf 234 Kilometer – ein satter Verbrauch von mehr als 1,5 Kilo. Ein ähnliches Bild später auch in Hamburg an der schmucken Tankstelle von Vattenfall in der Hafen-City. Zwar ist der Blick auf Speicherstadt und Elbphilharmonie erbaulich, aber nicht der Verbrauch: Mit 1,4 Kilo je 100 Kilometer schrumpft die Reichweite auf 420 Kilometer zusammen.
Neue Stationen für Bremen und Hannover
„Wir werden die Lücken zügig schließen“, verspricht ein Shell-Manager, den ich wenige Tage später bei einem erneuten Besuch der Station am Volkspark auf das dünne Tankstellennetz anspreche. „Noch in diesem Jahr eröffnen wir Stationen in Bremen und Hannover“, sagt er, bevor er mit seinem schnittigen Toyota Mirai davonbraust.
Das wäre gut – und auch, wenn an jeder Station ein kompetenter Mitarbeiter Neulingen das Tanken mit Wasserstoff zeigen kann. So wie Eteka Sourou eben. (Oliver Ristau)
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