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Energiepflanzen

Widerstand formiert sich


Im Land regt sich Widerstand gegen Biogas. Im Januar hat erstmals ein Verband Position bezogen: Der Naturschutzbund (NABU) Niedersachsen verfasste ein Zehn-Punkte-Papier mit Grundsätzen für einen naturverträglichen Umgang mit Biogasanlagen. Herausragender Punkt: Sofortiger Baustopp für Biogasanlagen bis zum Vorliegen einer Regionalplanung. „Wir sind nicht gegen Biogas“, stellt Vizechef Uwe Baumert richtig. Doch in manchen Regionen sei die Entwicklung „stark aus dem Ruder gelaufen“.

„Wir haben hier in Niedersachsen unterschiedliche Räume“, erklärt Baumert. Eine Anlage im Harz für ein Bioenergiedorf sei eine „gelungene“ Lösung. Auf der anderen Seite zeigen sich aber negative Beispiele wie die Landkreise Bentheim, Cloppenburg, Soltau-Fallingbostel und Rotenburg (Wümme). In Rotenburg seien bereits 87 Anlagen in Betrieb und 20 weitere in Planung. „Das ist der Wahnsinn“, so Baumert. Zudem seien diese Landkreise allesamt Ver­ede-lungsregionen. Hier treffe die Biogas-Wirtschaft auf intensive Landwirtschaft mit großen Mastställen zusammen. Die Folge ist eine Nutzungskonkurrenz zwischen Nahrungsmittel-, Futtermittel- und Biogas-Produktion. Abzulesen sei diese Entwicklung an zwei Fakten: dem Anstieg der Pachtpreise und dem Zunehmen des Anbaus der Energiepflanze Mais.

Wie hoch die Pachtpreise mittlerweile gestiegen sind, beweist ein Beispiel aus Rotenburg. „Ein im Januar 2010 abgeschlossener Vertrag taxiert einen Preis von 1320 Euro pro Hektar und Jahr“, so Baumert. Zum Vergleich: Der „normale“ Pachtpreis in anderen Regionen liege bei 350 bis 400 Euro pro Hektar und Jahr. Bei diesen Preisen könnten Milchbauern nicht mehr mithalten. Zudem komme es bereits zu Abwerbeverträgen: Bestehende Verträge werden annulliert und die Konventionalstrafe gleich mit übernommen.

Ein weiteres Indiz solcher Regionen sei der hohe Anteil an Mais als Energiepflanze. Dieses Phänomen ist mittlerweile als „Vermaisungs-Effekt“ bekannt. „Wir haben mittlerweile Landkreise mit einem Anteil von 50 Prozent Mais“, verdeutlicht Baumert. Dies könne nicht im Sinne guter fachlicher Praxis sein. Sinnvoll für Boden und Umwelt sei eine dreigliedrige Fruchtfolge: in einem Jahr Getreide, im zweiten Mais und im dritten Kartoffeln oder Rüben. In genannten Landkreisen werde aber abwechselnd Mais und Getreide angebaut. Dies stelle eine ackerbauliche Verarmung dar. Zudem haben die Landwirte in Landkreisen mit hoher Nutzungskonkurrenz zunehmend neues Land bestellt und dabei Grünland und Moore umgebrochen. Nach Informationen der Grünen-Politikerin Cornelia Behm ist zwischen 2003 und 2009 das Grünland in Niedersachen um 6,4 Prozent zurückgegangen. Das Land Niedersachen hat deshalb am 21. Oktober 2009 ein Grünlandumbruchverbot erlassen. Schließlich entstehen beim Umbruch klimaschädliche Treibhausgasemissionen wie Methan oder Kohlendioxid.

Die Situation in einigen Regionen von Niedersachsen stellt sicherlich ein Extrembeispiel dar. Ein Blick auf Daten des Fachverbandes Biogas macht dies deutlich (siehe Grafik 1 und 2): Insgesamt gab es zum Ende 2009 4334 Anlagen in Deutschland. Die größte installierte Leistung findet sich mit 365 Megawatt in Niedersachsen. Bei 710 Anlagen ergibt sich ein Mittelwert von 0,51 Megawatt je Anlage. Nimmt man nun Bayern oder Baden-Württemberg zum Vergleich, so weisen Anlagen in Bayern durchschnittlich 0,22 oder in Baden-Württemberg 0,26 Megawatt auf. Nicht zu vergleichen sind westdeutsche mit ostdeutschen Bundesländer. Das wenig besiedelte Flächenland Brandenburg weist einen Durchschnitt von 0,62 Megawatt auf, kann aber nur 156 Anlagen vorweisen.

Widerstand wegen Gestank, höherem Verkehrsaufkommen oder Vermaisung – der Fachverband Biogas sieht die Sachlage nüchtern: „Biogas ist ein Erfolgsmodell. Und Erfolgsmodellen wird oft mit einem Gefühl von Neid begegnet“, erklärt Pressesprecherin Andrea Horbelt. Der Fachverband geht nun in die Offensive und bietet strategische Hilfe bei Neuprojekten an. Der Fachverband hält alle Neuprojektierer an, das Thema gut und offensiv zu kommunizieren. „Anwohnern von Biogasanlagen müssen die Vorteile vermittelt werden“, so Horbelt. So könne die Abwärme einer Biogasanlage sinnvoll für ein Nahwärmenetz genutzt werden. Hausbesitzer könnten die umweltfreundliche Wärme des Biogasprozesses nutzen. Schuldzuweisungen, Biogas sei für die zunehmende Vermaisung verantwortlich, tritt der Biogas-Verband entschieden entgegen. „Das ist eine sehr subjektive Wahrnehmung. Nur ein Teil des gesamten in Deutschland angebauten Maises wird von Biogasanlagen verbraucht“, machte Horbelt deutlich.

Mais ist nicht gleich Mais


Mais wird in der Tat zu unterschiedlichen Zwecken in Deutschland angebaut. „Man muss zwischen Silomais und Körnermais unterscheiden“, sagt Pressesprecherin Susanne Kraume vom Deutschen Maiskomitee. Bei Körnermais werde die Pflanze bis zur Reife der Kolben stehen gelassen und dann nur die stärkehaltigen Körner geerntet. Bei Silomais hingehen nutzen die Landwirte die gesamte Pflanze. Die Silage dient dann als Tierfutter für Rinder oder eben als Substrat für Biogasanlagen. In Zahlen stellt sich die Situation folgendermaßen dar: Im Jahr 2009 wurden insgesamt 2.111.000 Hektar Fläche mit Mais in Deutschland bestellt. Körnermais wurde auf rund 464.000 Hektar angebaut, Silomais auf rund 1.647.000 Hektar. Nach Berechnungen des Deutschen Maiskomitees nimmt Silomais für Biogasanlagen eine Fläche von rund 380.000 Hektar ein. Das entspricht rund 18 Prozent der gesamten Maisfläche.

Der Anbau von Silomais ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. So stieg die Anbaufläche seit Einführung des EEG 2004 von 1.248.000 Hektar auf 1.647.000 Hektar in 2009. Dies stellt eine Steigerung von 32 Prozent dar. Die Dichte der Maisbepflanzung ist dabei von Kreis zu Kreis sehr unterschiedlich. „In 364 von 413 Landkreisen beträgt der Maisanteil an der Ackerfläche im Durchschnitt 12,6 Prozent“, sagt Susanne Kraume vom Deutschen Maiskomitee. In 22 Landkreisen finde zudem überhaupt kein Maisanbau statt. Lediglich in 15 Landkreisen nehme der Mais einen Anteil von 50 Prozent der Ackerfläche ein.

Eine Alternative zu Mais – ergänzt durch Getreide- und Grassilagen – gibt es derzeit noch nicht für Biogas-Landwirte. „Mais weist zwei Vorteile auf: Er bietet relativ sichere Erträge und hohe Biogasausbeuten“, sagt Norbert Lütke Entrup. Zwar gebe es beispielsweise mit der Zuckerrübe Alternativfrüchte, die ebenfalls hohe Gaserträge bieten, doch die Aufbereitung dieser Frucht und ihre Vergärung im Fermenter führe noch zu technischen Problemen. Zudem sind Rüben nicht überall anbauwürdig. Für Grünlandregionen sei es, so der emeritierte Pflanzenbau-Experte der Fachhochschule Südwestfalen, auch sinnvoll, das preisgünstige Gras aus nicht benötigter Futterproduktion zu nutzen oder auch spezielle ausdauernde Gräser für die Biomasseproduktion zu verwenden. Zwar sei die Ausbeute niedriger im Vergleich zu Mais, doch könne ein Grünland-Bonus einen besseren Anreiz für dieses Substrat bieten. „Aus betriebswirtschaftlicher Sicht“ hält Lütke Entrup die derzeitige Boni-Regelung aber für „völlig richtig“. Schließlich gelte dieses System erst seit Anfang 2009 und davor mussten die Biogas-Landwirte harte Zeiten durchstehen.

Eine Veränderung des Boni-Systems wünscht sich hingegen der NABU. „Der NawaRo-Bonus ist überhöht“, sagt Sprecher Baumert. Diese hohen Boni haben den starken Anbau von Mais vorangetrieben. Besser wäre es, den Landschaftspflege-Bonus zu erhöhen. Dann wäre ein höherer Anreiz da, dieses Material besser zu verwerten. Damit es nun nicht zu weiteren Extremsituationen wie beispielsweise im
Landkreis Rotenburg (Wümme) kommt, fordert NABU weiteres Handeln. „Ein sofortiger Baustopp wäre sinnvoll“, so Sprecher Uwe Baumert. Zudem sollte man über eine neue Genehmigungspraxis nachdenken. „Wir brauchen eine Regionalplanung für Biogasanlagen“, sagt Baumert. Biogasanlagen werden auf kommunaler Ebene genehmigt. Für eine Gemeinde stellt eine Biogasanlage eine Einnahmequelle durch die Gewerbesteuer dar. Von daher wird ein Gemeinderat, in Zeiten klammer Kassen, gerne eine neue Einnahmequelle akzeptieren. Damit die Dichte an Biogasanlagen aber nicht überhand nehme, müsse eine regionale Instanz die Verteilung überwachen.

Bauernverband wehrt sich


Gegen diese NABU-Ziele wehrte sich der niedersächsische Bauernverband. „Wir schreiben anderen Branchen auch nicht die Gestaltung ihrer Produktpalette vor“, stellt Vizepräsident Heinz Korte in einer Presseerklärung fest. Niedersachsens Landwirte orientierten sich an gesetzlichen Vorschriften, guter fachlicher Praxis und ökonomischen Kriterien. Im vom NABU benannten Landkreis Rotenburg liege der Flächenbedarf aller bereits geplanten und genehmigten Biogasanlagen bei 16.000 Hektar. Dies mache gerade einmal einen Anteil von 16 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Landkreises aus.   
Der Bauernverband befindet sich in der Tat in einer prekären Situation; schließlich integriert der Verband sowohl die Interessen der traditionellen Bauern als auch der Biogas-Landwirte. Der Verband hat klare Prioritäten. „Biogasanlagen eröffnen Landwirten neben der klassischen Nahrungs- und Futtermittelproduktion ein zusätzliches Standbein. Konsens besteht, dass erneuerbare Energien und Industrierohstoffe sich auch in dieser Reihenfolge bei der Anbauplanung einordnen müssen“, erklärt Gabi von der Brelie, Pressesprecherin des Landesbauernverbandes Niedersachsen. Und ein weiterer Fakt stellt die Zunft vor ein Problem: Während nun Biogas über das EEG vergütet werde, sei bei der landwirtschaftlichen Produktion eine zunehmende Liberalisierung der Märkte angestrebt. Wenn nun die Politik zu stark in landwirtschaftliche Märkte eingreift, komme es zu einer Verzerrung des freien Spiels der Kräfte im Markt. Der Verband wolle jetzt den angekündigten EEG-Erfahrungsbericht abwarten und dann erst Position beziehen.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium sieht bereits Handlungsbedarf. „Der NawaRo-Bonus ist zu hoch und muss reduziert werden“, sagt Ministerialdirigent Dr. Rainer Gießübel bei der Jahrestagung des Fachverbandes. Als Zeitpunkt nannte er die Novellierung des EEG zu Beginn des Jahres 2012.        

Armin Leßner