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Energieautarke Unternehmen

Avocadopower

Oliver Ristau

Wie sie dort unter der brennenden Sonne in den großen Holzkisten auf der roten Erde liegen, sehen sie aus der Ferne aus wie Eier aus dem Kohlenkeller. Und tatsächlich sind die Avocadokerne, deren Haut geschwärzt von Luft und Hitze ist, kleine Kraftpakete. Bisher können sie das allerdings nicht zeigen. Sie sind nur Abfälle für die Ölmühle im kenianischen Muranga, einem von Mango-, Ananas- und Avocadoanbau geprägten Ort, rund eine Stunde Autofahrt östlich der Hauptstadt Nairobi.

Und welche, die hohe Kosten verursachen. Denn das hochwertige Öl, das die neuseeländische Firma Olivado hier in Bioqualität für Verbraucher in Europa und anderen Industrienationen presst, macht nur elf Prozent des Gewichts einer Avocado aus. Der Rest seien Schalen, Fruchtfleisch und die Kerne, rechnet Hannes Muntingh vor. Der 43-jährige Südafrikaner ist dafür zuständig, eine nachhaltige Lösung für die Abfälle zu entwickeln, die nach dem Pressen übrig bleiben. Jährlich sind das bisher rund 3500 Tonnen, die aufwendig entsorgt werden müssen. Die weitgehend flüssigen Reste müssten mit Lkw nach Nairobi auf die Deponie gebracht werden. Das sei nicht nur nachteilig für die Umwelt: „Die Transport- und Entsorgungskosten machen etwa fünf Prozent der gesamten Kosten des Unternehmens aus“, sagt Muntingh.

Dagegen stecke in den Resten reichlich Energie, die ab der laufenden Erntesaison, die von März bis Oktober läuft, genutzt werden soll. Derzeit installieren zwei deutsche Ingenieure ein Blockheizkraftwerk, in dem Biogas aus den Reststoffen in Strom und Wärme umgewandelt wird. So will Olivado unabhängig vom Netzstrom werden. Der Elektroboiler, der bisher die Wärme für die Ölmühle liefert, wird zur Back-up-Lösung.

Dafür werden alle Abfallstoffe zusammen mit dem Prozesswasser in zwei Fermentern vergoren, die hinter der Fabrik auf einer Anhöhe stehen. Die Kerne werden zuvor zerstoßen. Muntingh kalkuliert mit einem Methanertrag von jährlich rund 2300 Kubikmetern. „Bisher kenne ich keine Anlage, die auf der Welt in nennenswerter Weise Biogas aus Avocadoresten herstellt“, sagt Muntingh, während er mit seinem Kollegen John Chege die Fermenter inspiziert.

Biomethan für Tank und Küche

Um die Auslastung der Fabrik zu erhöhen, will Olivado im laufenden Jahr auch in die Verarbeitung von Mangos einsteigen. Deren Saison ist zeitlich der Avocadosaison vorgelagert. Damit wäre die Fabrik weitgehend über das gesamte Jahr ausgelastet. Mittelfristig könnte auch die Verarbeitung von Macadamianüssen dazukommen.

Damit nicht genug. Um auch die Auslastung der Fermenter zu steigern, will Muntingh künftig Fruchtabfälle von benachbarten Betrieben einsetzen. Gülle von den Landwirten aus der Nachbarschaft soll auch genutzt werden, aber nur zum Starten der biologischen Prozesse.

Mittelfristig rechnet Muntingh damit, dass die Ölmühle mehr Biogas produzieren wird, als sie selbst für Strom und Wärme benötigt. Es gibt zwar in Kenia einen Einspeisetarif für regenerativen Strom aus Bioenergie. Doch der sei mit etwa neun Eurocent je Kilowattstunde nicht besonders attraktiv. Eine höhere Wertschöpfung sei stattdessen damit drin, das Gas für Mobilität und Kenias Haushalte zur Verfügung zu stellen, so Muntingh.

Aktuell baut eine indische Firma auf dem Gelände in Muranga eine Biogasreinigungs- und eine Abfüllanlage auf. „Wir wollen unser Biomethan als Kraftstoff für unseren Fuhrpark und Fahrzeuge von Beschäftigten verwenden“, sagt Muntingh. Kraftfahrzeuge mit Gasmotoren sind in Kenia anders als etwa in Deutschland durchaus Standard.

Etwaige Überschüsse könnten künftig als Kochgas in Flaschen verkauft werden. Damit das für die kenianischen Haushalte möglichst sicher wird, verfolgt Muntingh zusammen mit einer kalifornischen Firma ein Projekt, Biomethan nicht mit dem üblichen Druck von 150 bis 200 Bar als CNG (Compressed Natural Gas) abzufüllen, sondern nur mit 15 bis 20 Bar als ANG (Adsorbed Natural Gas). So könnten afrikanische Haushalte von Holz auf Biogas umstellen.

Für den umtriebigen Südafrikaner ist die Biogasproduktion in Muranga erst der Auftakt. So will Olivado das Konzept nicht nur für eine neue Avocadoölfabrik in Tansania umsetzen, sondern auch anderen landwirtschaftlichen Betrieben als Dienstleistung anbieten. Das Potenzial für Biogas ist in Afrika angesichts der großen Bedeutung der Landwirtschaft enorm, wird bisher aber kaum genutzt. Muntingh will dazu beitragen, das zu ändern.

Partner: Biogasszene Deutschland

Dafür bringt der hellhäutige Südafrikaner gute Beziehungen aus Deutschland mit. Vor rund zehn Jahren hat er ein mehrmonatiges Praktikum bei der Firma Biogaskontor in Obermarchtal absolviert. Das Unternehmen hat nach Auskunft von Firmengründer Erwin Köberle vier Bullaugen, Beregnungsdüsen, Luftdosierstationen zur Entschwefelung sowie Pumpen und Anzeigetechnik „zum Vorzugspreis“ für das Projekt in Kenia geliefert. Das ist nicht der einzige deutsche Beitrag. So hat der Leipziger Biogasspezialist Verbio einen Teil der Beregnungsdüsen geliefert. Konzeptioniert wurde das BHKW vom Elektrotechnik-Meisterbetrieb Jürgen Schwarz aus Krefeld. Die Lieferung hat schließlich die Firma Manfred Stumpf Energiesysteme aus Oberschwarzach übernommen.

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