Knapp acht Gigawatt Zubau: Damit war auch 2012 wieder ein Rekordjahr für die Photovoltaik in Deutschland. Doch der Erfolg sollte nicht täuschen. Seit Mitte 2012 ist im deutschen Solarmarkt nichts mehr so wie einst. Die galoppierende Absenkung der Einspeisevergütung für Sonnenstrom setzt den Markt unter Druck, nicht nur bei den Preisen für Solarmodule, Wechselrichter oder Gestelle. „Es wird erstaunlicherweise oft übersehen, wie günstig die Photovoltaik bereits ist“, sagt Jochen Hantschel, Leiter der Technologieentwicklung beim Wechselrichterhersteller Refusol in Metzingen bei Stuttgart. „Ging es bis vor Kurzem darum, möglichst viel Solarstrom ins Netz zu bringen, stehen künftig Eigenverbrauch, Energiemanagement und Speicherung im Vordergrund. Selbsterzeugter Solarstrom ist hoch rentabel.“
Nicht mehr die Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), sondern „die steigenden Energiepreise sorgen dafür, dass die Photovoltaik weiter wachsen wird“, prophezeit Hantschel. Denn: „In einigen Regionen ist der Eigenverbrauch bereits lukrativ. In Ländern mit hohen Stromkosten und hohen Kühllasten ist der direkte Verbrauch des Solarstroms im Gebäude schon jetzt wirtschaftlich.“ Dazu gehören die heißen Anrainer des Mittelmeers oder die USA, Australien, die Philippinen und Japan.
Jedermann produziert Strom selbst
Die Idee, dass jeder seinen eigenen Strom produziert, stand einst an der Wiege der Photovoltaik. Nun kehrt die Branche zu diesem Konzept zurück – allerdings mit deutlich besserer Technik und ausgefeilten Vertriebskonzepten. Schaltstelle für den Eigenverbrauch ist der Wechselrichter, das Herz des Solargenerators und die Nahtstelle zum Stromnetz.
Branchenprimus SMA war Vorreiter: Mit dem Sunny Home Manager bietet das Unternehmen aus Kassel seit 2012 eine Schaltzentrale für den Stromverbrauch im Gebäude an. Der kleine Regler leitet den Sonnenstrom zu Verbrauchern im Haus. Das können Waschmaschine, Geschirrspüler, Eisschrank oder Wärmepumpe sein, etwa für Warmwasser. Der Sunny Home Manager schaltet die Verbraucher rechtzeitig zu oder ab, allein dadurch kann er die Eigenverbrauchsquote des Sonnenstroms auf bis zu 40 Prozent steigern. „Ein solches Produkt amortisiert sich innerhalb von vier bis fünf Jahren“, schätzt Detlev Beister, Produktmanager bei SMA. „Je höher der Eigenverbrauch, desto schneller rechnet sich die Investition.“
Das Gerät bezieht sogar Wetterprognosen ein, um Stromverbrauch und Erzeugung in Einklang zu bringen. Seit Jahresbeginn verfügt der Home Manager über eine Funktion, mit der er die Menge des Stroms zur Netzeinspeisung begrenzen kann. Damit setzt er die neuen Vorschriften zum Einspeisemanagement um. Wenn der Netzbetreiber ein Steuersignal an die Solaranlage schickt, muss sie ihre Wirkleistung am Netz reduzieren können, entweder stufenlos oder schlagartig um 30 Prozent. Auch kann der Home Manager verschiedene Batterien einbinden, als Puffer für den Sonnenstrom.
Jedes Haus ist eine Insel
Mit dem neuen Inselwechselrichter Sunny Island 6.0H bietet SMA ein Basisgerät, um den Eigenverbrauch im Gebäude zu optimieren. Der Batteriewechselrichter eignet sich für sämtliche Anlagengrößen. Er steuert Wechselrichter zur Netzeinspeisung ebenso an wie Batteriepakete, unabhängig vom Bautyp. Sogar Kleinwindanlagen, kleine Blockheizkraftwerke oder Wasserkraftturbinen integriert er in die Stromversorgung.
Um eine einfache netzeinspeisende Solaranlage für den Eigenverbrauch zu erweitern, kann man ihn auch nachträglich in die Hauselektrik einbauen. Ganz neu hat SMA den Sunny Boy 5.000 Smart Energy entwickelt, einen Solarwechselrichter mit integrierter Lithium-Ionen-Batterie. Das komplette System steckt in einem handlichen Gehäuse, das an die Wand gehängt werden kann. Eigenverbrauchsquoten von immerhin 80 oder 90 Prozent lassen sich auf diese Weise erreichen.
Einen ähnlichen Weg geht der österreichische Hersteller Fronius mit seinem neuen Kleinwechselrichter Symo. Der trafolose Wechselrichter leiste drei bis 4,5 Kilowatt, erklärt Martin Hackl. „Er ist speziell für dreiphasige Stromnetze im deutschen Sprachraum vorgesehen“, so der Spartenleiter für die Solarelektronik in der Unternehmensgruppe im oberösterreichischen Wels. „Symo verfügt über Schaltrelais, um Stromverbraucher im Gebäude direkt anzusteuern.“
Eigenverbrauch für Gewerbebetriebe
Auf der Branchenmesse Intersolar im Juni wird Fronius eine Erweiterung des Symo zeigen, die eine Batterie und die Laderegelung beinhaltet. „Dieser Hybridwechselrichter kann verschiedene Batterietypen verwalten“, stellt Hackl in Aussicht. „Er stellt sich auf die jeweiligen Ladekurven ein.“ Dabei profitieren die Österreicher von der jahrzehntelangen Erfahrung mit Batterieladesystemen, dem zweiten Standbein des Unternehmens. Der Hybrid wird auf Wunsch des Kunden mit oder ohne integrierte Batterie verkauft. 2014 wird die Leistung der Symo-Wechselrichter auf acht Kilowatt erweitert, speziell für größere Anlagen. „Der Eigenverbrauch wird bei Gewerbebetrieben und Fabriken ein großes Thema“, prophezeit Hackl.
Doch zunächst konzentrieren sich die Österreicher auf kleine Systeme für Privatkunden. Im Juli beginnt der Serienstart des neuen Kleinwechselrichters Galvo, der zwischen 1,5 und 3,1 Kilowatt Solarleistung umsetzen kann. „In die Seriengeräte ist das Energiemanagement bereits integriert“, erläutert Martin Hackl, „in einem ersten Schritt sind die Stromverbraucher im Gebäude durch die Ausgänge des Wechselrichters direkt steuerbar.“
Der Galvo beinhaltet noch keine Batterie, ist aber nachrüstbar, weil er im Innern einen kleinen Transformator trägt. Durch die galvanische Trennung der Gleichspannungsseite vom Netz kann man jede Art von Solarmodul anschließen mit einer sehr hohen Bandbreite denkbarer Verschaltungsarten der Modulstrings.
Mit Blei und Trackern
Weitestgehende Unabhängigkeit vom Stromversorger hat sich Deger Energie in Horb am Neckar auf die Fahnen geschrieben. Das neue Eigenverbrauchssystem MSS vereint Solarmodule, Bleibatterien und einen Ladewechselrichter. Deger ist bekannt für Nachführtische oder auch Tracker, auf denen die Solarmodule dem Sonnenstand folgen. „Unser Eigenverbrauchssystem ist ein Komplettprodukt, das wir nach dem Jahresstromverbrauch und dem Nachtstrombedarf unserer Kunden auslegen“, erläutert Doru Grigorian, zuständiger Projektmanager bei Deger Energie. „Das Drei-Kilowatt-System verfügt über 15 bis 20 Solarmodule und einen Blei-Gel-Speicher, der elf Kilowattstunden Strom aufnehmen kann.“
Es ist geeignet für Privathaushalte, die zwischen 4.000 und 5.000 Kilowattstunden im Jahr verbrauchen und sich von den Preissteigerungen der Stromversorger unabhängig machen wollen. Das kleinere System für 2.200 Kilowattstunden Stromverbrauch im Jahr kommt mit fünf Kilowattstunden Batteriekapazität aus.
Deger baut Blei-Gel-Batterien ein, weil diese Technik erprobt ist. „Bei den Lithium-Ionen-Batterien wissen wir noch nicht genau, wie lange sie chemisch halten“, sagt Grigorian. „Deshalb beginnen wir mit wartungsfreien Blei-Gel-Batterien, die man jedoch später problemlos gegen moderne Lithium-Ionen-Batterien austauschen kann. In zwölf bis 15 Jahren ist die neue Technologie reif und preiswert.“
Lithium-Ionen-Speicher sind in aller Munde, wirklich bewährt haben sie sich bislang noch nicht.
Beim Opel Ampera beispielsweise brannte das Batteriepaket eines abgestellten Fahrzeugs aus, weil die Batterie nicht vorschriftsmäßig von der elektrischen Anlage des Autos getrennt worden war. Auch beim Dreamliner, dem neuen Superflugzeug von Boeing, gerieten Lithium-Ionen-Blöcke in Brand, die die elektrische Hilfsanlage versorgen sollten. Zwar werden die Lithium-Ionen-Speicher in der Solarenergie eine große Rolle spielen, weil man sie viel stärker entladen kann als Bleibatterien. Auch vertragen sie doppelt so viele Ladezyklen wie eine Bleibatterie und sind viel leichter. Es könnte allerdings noch ein Jahr dauern, bis wirklich belastbare Ergebnisse aus der Massenfertigung und dem Dauereinsatz solcher Batterien vorliegen.
Bis dahin arbeitet Deger Energie mit Bleiakkumulatoren – und das mit Erfolg: Aus einem Batterieblock für elf Kilowattstunden können nachts maximal 6,5 Kilowattstunden gezogen werden. Danach verbleibt eine Reserve für den Notstrom bei Netzausfall.
Das MSS lässt sich modular bis auf 22 Kilowattstunden Batteriekapazität erweitern, beispielsweise für Gewerbebetriebe, die 10.000 Kilowattstunden im Jahr verbrauchen. Auch der Netzwechselrichter und das Energiemanagement sind im System integriert, die Leistungselektronik wird von der Firma Nedap geliefert. Die Batterien stammen von einem Zulieferer aus Berlin. „Das Interesse ist sehr groß“, bestätigt Firmenchef Artur Deger. „Wir können mit unserem System günstigeren Strom erzeugen, als der Kunde für Netzstrom bezahlen muss.“
Modular erweiterbar
Deger legt die Solarmodule auf einen Tisch, der dem hellsten Punkt am Himmel nachgeführt wird. Auf diese Weise erzeugt die Solaranlage am Morgen viel früher Strom als eine fest aufgeständerte Anlage. Auch steigt ihre Erzeugungskurve steiler an. Diese Kurve passt besser mit der Batterie zusammen als der normale Lastgang einer Solaranlage, die nur kurzzeitig über Mittag ihr Maximum erreicht. „Dadurch braucht man weniger Solarmodule und vor allem kleinere Batterien, um ein Gebäude mit Strom zu versorgen“, sagt Artur Deger. Denn die Batterie wird nicht nur in wenigen Stunden um die Mittagszeit geladen, sondern faktisch zwölf Stunden lang. Während der Nacht wird sie wieder entladen.
Genehmigungsfreier Mast
Das MSS-System ist nach einer Testphase seit Oktober im Vertrieb. Der Mast des Modultischs der kleinsten Anlage ist drei Meter hoch und damit genehmigungsfrei. Sogar bei Schnee und Eis liefern die nachgeführten Anlagen noch Sonnenstrom, wenn klassische Dachanlagen längst unter einer weißen Decke verschwunden sind. Denn die Tracker verändern im Tagesverlauf ihren Stellwinkel zum Himmel. Da die Sonne im Winter nur flach über dem Horizont steht, stellen sich die Tracker sehr steil – der Schnee rutscht ab.
In Schopfloch im Schwarzwald nutzt Artur Deger ein solches System, um sein eigenes Wohnhaus mit Büro und Ladestation für zwei betriebseigene Elektroautos zu versorgen. „280 Tage im Jahr waren wir tatsächlich autark“, sagt er nach einem Blick auf die Betriebsdaten. „Die Anlage leistet bis zu 4,3 Kilowatt, die Batterie hat eine Kapazität von 20 Kilowattstunden. Oft erzeugen wir Überschüsse, die wir ins Netz einspeisen. An manchen Tagen kaufen wir aber noch Strom zu.“
Sobald Sonnenstrom anliegt, werden die elektrischen Verbraucher im Haus versorgt. Überschüsse beladen die Batterie, dann versorgt der Sonnenstrom Warmwasser und die Heizung über einen Elektroheizstab mit 3,5 Kilowatt in einem Pufferspeicher mit 300 Liter. Im Sommer reicht der Sonnenstrom aus, um neben den Stromverbrauchern auch Warmwasser komplett abzudecken; die Ölheizung bleibt ausgeschaltet. „Inklusive einer neuen Batterie nach zehn bis zwölf Jahren und dem Wartungsvertrag erzielen wir mit unserer Anlage einen Strompreis von 18 Eurocent je Kilowattstunde“, rechnet Artur Deger vor.
Der Pufferspeicher und die Heizungsanlage sind darin nicht enthalten. Viel wichtiger wiege jedoch die Autonomie: „Im vergangenen Jahr hatten wir hier im ländlichen Gebiet viermal einen Netzausfall von einer halben bis zu einer Stunde“, erzählt der 48-Jährige. „In diesem Fall trennt sich unser Wechselrichter automatisch vom Netz und fährt die Anlage im Inselbetrieb. So geschehen im letzten Sommer. Da kam plötzlich ein schweres Gewitter über den Schwarzwald und überall gingen die Lichter aus. Nur wir haben davon nichts gemerkt.“ (Heiko Schwarzburger) Dieser Beitrag ist erstmals in der April-Ausgabe 2013 von ERNEUERBARE ENERGIEN - Das Magazin erschienen.