Am Tag eins nach den Schlagzeilen der vergangenen drei Tage, findet sich heute auf den Online-Seiten in Deutschlands seriösen Leitmedien bis Mittag kein einziger Artikel mehr zu Aigners Idee. Die ehemalige Bundesverbraucherministerin war unmittelbar nach der Bundestagswahl im Dezember vorzeitig und freiwillig von ihrem Amt zurückgetreten, um vorzeitig im Oktober in das für Energie zuständige Wirtschaftsministerium in München zu wechseln. Die CSU-Politikerin hatte vorgeschlagen, dass die Beteiligung der Bürger an den Förderkosten für erneuerbare Energien mit Hilfe eines Fonds begrenzt werden sollten. Der Fonds sollte möglicherweise mit staatlichem Kapital ausgestattet werden, die Rechnung für die anfallenden Ausgaben, Zinsen oder gar Ausschüttungen erhielten die Bürger dann einige Jahre später. Allerdings würden die Bürger jetzt nicht nur deshalb profitieren, weil sie die Zahlungen so aufschieben könnten – auf Kosten nachgereichter Quittungen. Sie könnten auch von den zuletzt stark gesunkenen Erzeugungskosten und Vergütungen bei Solar- und Windstrom profitieren. Denn die jährlich neu ausgebauten Grünstromkapazitäten fallen in der EEG-Umlage in Wirklichkeit kaum mehr ins Gewicht. Für das Gros der Umlage sind vor allem die sehr hohen Vergütungssätze älterer Bestandsanlagen der Photovoltaik verantwortlich. Der Fonds würde diese Kosten als Altschuldentilgungsfonds zeitlich strecken. Möglich wäre dann noch, sie über Steuern gerechter zu verteilen.
Doch Aigner hatte den Vorschlag offenbar nicht mit ihrem Chef, dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) abgestimmt. Dieser hatte wenig diplomatisch den Vorstoß seiner Parteifreundin öffentlich zurückgewiesen. Laut zahlreicher Medienberichte hatte Seehofer wegen Aigners Äußerungen sogar demonstrativ seine Rede bei der alljährlichen, dreitägigen CSU-Klausursitzung um einen Tag verschoben.
Vorschlag wieder kassiert
„Die Überlegungen werden im Moment nicht weiter verfolgt. Vordringlich wird die bayerische Staatsregierung die Umsetzung des Koalitionsvertrages einfordern“, sagte Aigner zum Abschluss der kurzen Debatte in einem ARD-Interview am Dienstag knapp – und kassierte damit ihre Initiative wieder. Gerda Hasselfeldt, Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, erklärte derweil, dass der Vorschlag in die Debatte der Partei am Klausurort Wildbad Kreuth „mit eingeführt und abgewogen werden soll“. Doch am letzten Klausurtag, am heutigen 9. Januar, ist das Thema scheinbar tot, obgleich es aus der CSU richtigerweise hieß, der Vorschlag sei nicht ganz neu – also auch von anderen schon diskutiert worden.
Seehofer hatte die Forderung seiner bislang blass gebliebenen Wirtschaftsministerin lediglich damit abgelehnt, dass der Koalitionsvertrag in Berlin für ihn Vorrang hat. Darin sehen die neuen Regierungsparteien CSU, CDU und SPD zuerst eine Reform des EEG vor, die die Kosten für den Bürger über weniger Ausbau der Erneuerbaren sowie das rasche Zurückschneiden der garantierten Vergütung vorsieht. Damit soll die so genannte EEG-Umlage begrenzt werden. Bislang sind die Bürger als Stromverbraucher über diese an den Förderkosten des Grünstroms beteiligt. Netzbetreiber und Stromversorger reichen dabei die Mehrkosten der durchs EEG garantierten Einspeisevergütung verglichen mit dem Großhandelspreis an die Verbraucher weiter. Diese EEG-Umlage war in den vergangenen Jahren rasch gestiegen. Seit Anfang des Jahres zahlen die Stromversorger knapp ein Cent mehr und somit 6,24 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Und zumeist dürften sie diese wie in der Vergangenheit an die Kunden weiterreichen.
Kritik: Verschiebt Kosten und dringend nötige Energiemarktreform
Kritik an Aigners Initiative hatte auch die Energieexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion Bärbel Höhn geübt: Ein Fonds verschiebe nur Kosten auf zukünftige Generationen und sei daher unsozial. Zudem würden dann die Hauptfehler der aktuellen Energiewende-Refinanzierung ignoriert, nämlich eine falsche Berechnung der EEG-Förderkosten sowie die zunehmend um sich greifende Besserstellung von energieintensiven Unternehmen.
Diese müssen tatsächlich die Umlage nicht bezahlen. Die privaten Verbraucher und mittelständische Unternehmer bezahlen die Vergünstigungen für große Industriebetriebe über ihre Umlage mit. Die Berechnung der Umlage über den Börsenstrompreis sorgt hingegen für eine Potenzierung der Förderkosten: Weil immer mehr Wind- und Solarstrom den Börsenstrompreis auf historisch niedrige Werte drückt bei ungebremster Kohlestromerzeugung wächst die Differenz zur EEG-Vergütung weiter. Großverbraucher aber auch die Stromhändler selbst können den Strom hingegen billig einkaufen.
Lob von Grünenpoliitker und Energiewende-Unterstützer in der CSU
Auch das für Energiepolitik zuständige Bundeswirtschaftsministerium äußerte sich skeptisch. Lob kam hingegen vom Energieexperten Oliver Krischer, ein Fraktionskollege Höhns. Aigners Vorschlag sei „ausnahmsweise kein Populismus“ der CSU.
Befürworter ist auch Josef Göppel. Der Bundestagsabgeordnete ist über die CSU hinaus als entschiedenster Energiewende-Unterstützer seiner Fraktion bekannt. Er halte es für sinnvoll, erklärte Göppel in Medien, die Kosten zu strecken. Auf Anfrage von ERNEUERBARE ENERGIEN betonte er: „Nach Berechnungen des Bayerischen Energieministeriums würde eine Deckelung der EEG-Umlage bei 4,9 Cent pro kWh dazu führen, dass für den Streckungsfonds jährliche Zinszahlungen von bis zu 1,5 Milliarden Euro anfallen würden. Priorität hat für mich eine neue Strommarktordnung, die für erneuerbaren Strom einen angemessenen Marktwert schafft. Ergänzend kann ein Fonds aber die Last des vollständigen Umbaus der Energieversorgung zeitlich strecken. Auch die Finanzierung herkömmlicher Großkraftwerke läuft schließlich über Jahrzehnte.“
"Blackout des Monats" wegen Abstandsregeln gegen Windparks
Die Ex-Bundesministerin hatte in der Vergangenheit häufig Wechselbäder der Gefühle bei politischen Beobachtern und Bundestagskollegen ausgelöst. So hatte Aigner versucht, mit einem Mittelkurs bei Gentechnik und Tierhaltung sowohl bei Umwelt- und Tierschützern als auch bei den Agrarkonzernen nicht zu sehr anzuecken, allerdings für dieses Lavieren Kritik von beiden Seiten geerntet. Anfang dieser Woche hatte sie zudem von der bayerischen Bürgerinitiative Projekt 21 den Straftitel „Blackout des Monats Dezember“ erhalten. Die regelmäßig vergebene zweifelhafte Auszeichnung bewertet Aigners Ankündigung Anfang Dezember, schon im Januar 2014 konkret über verschärfte Abstandsregelungen für neue bayerische Windparks zu entscheiden. Bayern strebt unüblich große Abstandsregeln für Windparks zu Siedlungen von bis zu zwei Kilometern an. Die Windbranche fürchtet, damit bleibe nur noch ein Promille der Landesfläche für einen weiteren Windkraftausbau übrig.
(Tilman Weber)