Die Analysten von Agora Energiewende, Prognos und dem Wuppertal Institut haben ausgerechnet, dass eine ambitionierte Wärmewende und der massive Ausbau der Ökostromerzeugung den Gasbedarf Deutschland bis 2027 um rund ein Fünftel reduzieren kann. Das wären 200 Terawattstunden, die durch die Elektrifizierung der Wärmeversorgung in allen Bereichen ersetzt würden. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 lag der Erdgasverbrauch in Deutschland bei 912 Terawattstunden. Davon stammen 90 Prozent aus Importen.
Wärmewende beschleunigen
Allein der Einsatz alternativer Brennstoffe in der Industrie und die Absenkung der Raumtemperaturen um 0,5 bis 1,5 Grad Celsius würde eine Einsparung des Erdgasverbrauchs um 160 bis 260 Terawattstunden bewirken. Grundlegende Voraussetzung ist aber der Ausbau von erneuerbaren Energien und die Beschleunigung der Wärmewende. „Jede Wärmepumpe, jede Solarzelle und jedes Windrad macht uns unabhängiger von fossilen Energieimporten und hilft zugleich unser Klimaziel für 2030 zu erreichen“, betont Simon Müller, Direktor der Deutschlandarbeit von Agora Energiewende.
Erneuerbare schneller ausbauen
Deshalb sei der Zubau von 44,5 Gigawatt Windkraftanlagen, davon 39 Gigawatt Windkraftanlagen an Land, sowie 84 Gigawatt Solaranlagen entscheidend, um im Stromsystem innerhalb von fünf Jahren 50 Terawattstunden Erdgas zu ersetzen. Weitere 27 Terawattstunden Erdgas könnten in der Fernwärmeerzeugung durch eine Kombination von Wärmepumpen, Elektrodenkesseln, Solar- und Geothermie, Nutzung von Abwärme und grünem Wasserstoff eingespart werden.
Sanierungsoffensive notwendig
Zusätzlich sei eine Sanierungsoffensive des Gebäudebestands dringend notwendig. Nur eine geringe Steigerungsrate von 1,2 Prozent im Jahr 2021 auf 1,6 Prozent ab sofort, das Verbot des Einbaus neuer Öl- und Gaskessel flankiert mit einer sozial gerechten Förderung könnte weitere 55 Terawattstunden Gasverbrauch bis 2027 einsparen. Aber auch die Elektrifizierung in der Industrie wird ihren Anteil liefern. So könnten auch dort Wärmepumpen und Elektrodenkessel zur Produktion von Prozesswärme die bisherigen Gaskessel ersetzen. Auch der schnellere Hochlauf von grünem Wasserstoff ist zentral, um die Abhängigkeit der Industrie von Erdgas nachhaltig zu senken. Insgesamt liegen hier bis 2027 Erdgaseinsparpotenziale bei 69 Terawattstunden.
Ein Szenario für den Krisenfall
Doch auch für den Krisenfall haben die Analysten ein Szenario berechnet. So könnte in der ersten Stufe moderate bis starke Einschränkungen bei der Gebäudeversorgung und Produktionsrückgänge etwa 158 Terawattstunden Erdgas eingespart werden. Zu den Einschränkungen gehören die Absenkung der Raumtemperatur in allen Gebäuden um 0,5 bis ein Grad Celsius in Kombination mit kleineren Effizienzmaßnahmen wie dem Abdichten von Fenstern. Dazu gehören aber auch der Ersatz von Gaskraftwerken zur Strom- und Wärmeerzeugung etwa durch zusätzliche erneuerbare Energien oder im Extremfall sogar einen Rückgriff auf Kohle oder Öl. Bei Industrieanlagen wäre der Umstieg auf andere Brennstoffe in der Prozesswärme im Umfang von 15 Prozent erforderlich.
90 Prozent der russischen Importe einsparen
In einer zweiten Stufe wäre weitere Anstrengungen notwendig. Dazu zählen eine Absenkung der Raumtemperatur um ein bis 1,5 Grad Celsius und der Umstieg auf andere Brennstoffe in der Prozesswärme im Umfang von 33 Prozent. Auf diese Weise könnte Deutschland etwa 90 Prozent des nötigen Einsparvolumens beziehungsweise 261 Terawattstunden erreichen. Der Rest wäre in der chemischen Industrie machbar, die Erdgas auch als Ausgangsstoff für Produkte nutzt.
Die gesamte Studie „Energiesicherheit und Klimaschutz vereinen – Maßnahmen für den Weg aus der fossilen Energiekrise“ steht unten zum kostenlosen Download auf der Internetseite von Agora Energiewende zur Verfügung.
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