Tilman Weber
Die Stadtwerke Lübeck (SWHL) statten derzeit die Stromkreise an den Trafostationen im Gebiet der Hansestadt mit Funksensoren aus. Diese sollen künftig 24 Stunden täglich und permanent Daten zur Belastung des städtischen Strom-Verteilnetzes flächendeckend über das SWHL-eigene sogenannte LoRaWan-Funknetz übertragen. Diese englisch als Long Range Wide Area Network (LoWaRan) bezeichnete Datenübertragungstechnik hatten die Stadtwerke 2018 in der Stadt an der Ostsee in einem Pilotprojekt eingeführt – genauer: durch das Dienstleistungsunternehmen Items, an dem die Lübecker sowie sechs weitere Stadtwerke auch Teilhaber sind.
Straßengenaue Lastenregelung, intelligente E-Auto-Ladesteuerung
SWHL zielt mit dem umfassenden und flächendeckenden Monitoring von Strom- und Spannungskurven zunächst darauf ab, Stressstellen im Netz zu erkennen und damit auch den Ausbaubedarf für stärkere oder zusätzliche Leitungen frühzeitig festzustellen. Denn durch den anhaltenden Ausbau der Photovoltaik (PV) auf den Dächern der Hansestadt, aber auch durch den nun rasch Fahrt aufnehmenden Ausbau von Lade-Infrastruktur für Elektroautos, werden neuartige Ein- und Ausspeisespitzen auftreten oder sich verstärken. Für den mittelfristigen Einsatz der neuen Netz-Sensorik nehmen die Lübecker auch eine straßengenaue Laststeuerung in den Blick: Falls Leitungen lokal zum Beispiel durch zeitgleich aufladende Elektroautos die Überlastung droht, wollen die Stadtwerke dort angesiedelte Betriebe bitten, große Stromfresser abzustellen. Natürlich soll das dann nicht durch plötzliche Eingriffe sondern über frühzeitige und generelle Absprachen mit den Betrieben geregelt sein.
Letztendlich aber wollen die Lübecker eine durchgreifende Digitalisierung ihrer Stromversorgung im Verteilnetz erreichen. Langfristig soll das Netz automatisch die Zählerstände der Kunden auslesen können. Und es sollen intelligente Sensoren den Fahrern von Elektroautos signalisieren, wo öffentliche Ladestationen noch frei sind. Damit würde das Netz sprichwörtlich die Ampeln für E-Autos auf Grüne Welle schalten.
Ausbau und Digitalisierung gewinnen bundesweit an Fahrt
Der Ausbau und die Digitalisierung der Verteilnetze, die sich meist im Besitz der kommunalen Versorger befinden, gewinnen ohnehin bundesweit derzeit an Fahrt. Verantwortlich dafür sind wohl auch zwei gesetzliche und regulatorische Fortschritte, die den Stadtwerken nun neue Perspektiven öffnen: Gemeint ist erstens die Zulassung der Verteilnetzbetreiber für Aufgaben der Netzregulierung im April wie beispielsweise das Abschalten von Stromerzeugern in Phasen überlasteter Netze. Diese Rolle räumt Ihnen erstmals das neue Netzausbaubeschleunigungsgesetz ein. Und zweitens kommt die Bundesnetzagentur mit der Zertifizierung von Systemen zum flächendeckenden Betrieb intelligenter Stromzähler in den Haushalten und Firmen voran – und eröffnet damit die Perspektive für die Einführung von Smart-Grids.
Schon im Juni hatte der VKU daher ein Online-Portal für Verteilnetzbetreiber eingerichtet, auf dem sich die Stadtwerke über das Vorantreiben von Digitalisierung der Netze, über neue Netz-Steuerungskonzepte und über neue Geschäftsmodelle austauschen können.
VKU-Netzforum
Die sich ergebenden Perspektiven sind daher nun bei einer Tagung, beim VKU-Netzforum vom 13. bis 14. November in Berlin des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), auch das Hauptthema: Verteilnetzbetreiber als Systemmanager, mehr Flexibilität in der Stromversorgung, das Ermöglichen der Energiewende und die Förderung von Sektorenkopplungs-Anlagen – um aus überschüssigem Strom beispielsweise Wärme fürs Fernwärme-Heizen oder synthetische Treibstoffe für den Verkehr zu produzieren. Auch die Nutzung der Gas- und Wärmenetze sind in diesem Zusammenhang ein Thema beim Berliner Netzforum. Hier könnten sich den Stadtwerke neue und zusätzliche Geschäftsmodelle aufzuzeigen.