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Netzausbau

"Augenmaß bei Netzenwicklungsplan"

Auf dem zweitägigen Wirtschaftskongress Branchentag Windenergie NRW in Köln mahnte Schnettler zu mehr Realitätsnähe in der Debatte über den Netzausbau. Zwar seien auch nach sieben Jahren Ausbauzeit seit der ersten Netzstudie der Deutschen Energie-Agentur nur 200 Kilometer neue Trassen errichtet. Doch Projekte mit zusammen 800 Kilometern Leitungslänge befänden sich in einem sehr weit fortgeschrittenen Stadium. „Bei nur 12, 18 oder 20 Monaten echter Bauzeit“, sagte Schnettler, könnten diese möglicherweise sehr rasch ausgebaut werden.

Der Gutachter und Professor des Aachener Instituts für Hochspannungstechnik sieht zudem das Konzept des von den Netzbetreibern geschriebenen NEP zu wenig analysiert. Demnach erlaubt das Konzept flexiblere Antworten als in der Öffentlichkeit wahrgenommen. So sieht der NEP vier parallel zueinander verlaufende Stromautobahnen mit Längen von 400 bis rund 800 Kilometer vor. Sie transportieren mit der bisher unüblichen Hochspannungsgleichstromtechnologie ausgerüstet norddeutschen Windstrom schnell und verlustarm in die großen Industrie- und Siedlungszentren Süddeutschlands.

Nicht alternativlos

Dabei seien diese Stromleitungsprojekte die Folge einer – nicht alternativlosen – Strategie, betonte Schnettler. Diese Fernleitungen seien dafür ausgelegt, eine Leistung von zwölf Gigawatt (GW) aufnehmen zu können. Doch wenn hiervon eine Trasse einmal ausfalle, erzeuge ein Leistungsausfall einer solchen Größenordnung Versorgungsprobleme in einer Größenordnung, die dann in ganz Europa spürbar seien. So müssten die Netzbetreiber entsprechend mehrere Trassen parallel betreiben, um den Strom umleiten zu können.

Als Alternative böte sich laut dem Netzexperten aber an, gar nicht erst für eine 100-prozentige Integration des Wind- oder Solarstromes in Deutschland zu planen. Möglicherweise sei es günstiger, in sehr wenigen Augenblicken etwa bei 100-prozentiger Windstromerzeugung Windparks von überlasteten Netzen abzukoppeln und die Windparkbetreiber für Ihren Erzeugungsausfall zu entschädigen – als sich ein dann weit größeres Netz zu leisten, dass sämtlichen Erneuerbaren-Strom jederzeit auch aufnehmen kann. Zu bedenken sei auch, dass mehr gezielter Verbrauch von Windstrom in Norddeutschland selbst angeregt werden könnte – um den Bedarf an Stromtransportkapazitäten gen Süden zu senken.

Schnettler mahnt zudem zu einer offeneren Debatte: „Wir müssen uns einigen, was wir wollen.“ Derzeit scheine es allerdings oft so, als wolle die Bundespolitik nur den Netzexperten hören, der das von ihr gerade gewünschte Ergebnis präsentiere.

(Tilman Weber)