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Messebericht aus Essen

Schöne neue E-World

Trianel ist kein ganz neues Unternehmen mehr. Der Stadtwerkeverbund mit Sitz in Aachen hatte sich bereits 1999 gegründet, um den Energieunternehmen und Versorgern von Gemeinden und Regionen für den unmittelbar bevorstehenden Start des liberalisierten Strommarktes mehr Marktmacht zu verleihen. Längst aber zählt Trianel zu einer der wichtigsten Investorengruppen in Deutschland für Windkraftprojekte. Thomas Spinnen, der Bereichsleiter Vertriebslösungen Stadtwerke bei Trianel, wirbt bei der E-World für eine neue digitale energiewirtschaftliche Dienstleistungsplattform als Antwort auf die zunehmende Marktausrichtung auch bei den erneuerbaren Energien. Trianel will mit dieser Dienstleistung – T-Desk genannt – den angeschlossenen Stadtwerken helfen, ihre Vertriebs- und Beschaffungsportfolios zu steuern und zu verbessern: Also beispielsweise maximal standardisierte Dienstleistungsangebote blitzschnell an neue Kunden zu bringen.

Spinnen hat ein eindrucksvolles Szenario, warum das Digitalisierungs-Angebot für die Stadtwerke und größeren kommunalen Energieunternehmen bei Trianel so wichtig ist: Auf einem Schaubild zeigt er ein halbes Dutzend neu auf den Markt getretener hochmoderner Dienstleistungs-Start-Ups. Sie heißen Beegy, Greenenergetic, DZ-4 oder beispielsweise Nest. Und sie sollen mal die intelligente Steuerung der privaten Strom- und Wärmenutzung in Privathaushalten oder Industrieunternehmen organisieren, mal die kluge Abstimmung eines Teil-Selbstversorgungskonzeptes regeln – mit Photovoltaikanlagen auf dem Dach, Batterie und Elektroauto – oder mal die Bereitstellung der eigenen Verbrauchslast als Verschiebemasse im sogenannten Strom-Regelenergiemarkt organisieren helfen. Allen gemein ist, dass die Stadtwerke die nach Energie-Autarkie strebenden Bürger mit ihren Investitionen in erneuerbare Energien nicht ziehen lassen wollen – ohne sich als Partner anzubieten. Und daran natürlich mitverdienen wollen.  Dem Bürger sollen die Dienste helfen, dass seine Konzepte wirklich gesichert wirtschaftlich sind und er weniger Aufwand mit der Planung hat. Für das minimierte unternehmerische Risiko nimmt er vielleicht eine geschmälerte Rendite in Kauf. Die neuen Dienstleistungsanbieter suchen neue Geschäftsfelder, weil das traditionelle Kraftwerksgeschäft mit Ausnahme des Betriebs längst abgeschriebener älterer Großkraftwerke zunehmend weniger Gewinne verspricht.

Doch Trianel-Mann Spinnen erklärt auch, dass viele der neuen Dienstleister inzwischen von den großen Energiekonzernen in Deutschland gekauft worden sind. „Jetzt stehen wir wieder denselben Wettbewerbern gegenüber wie anfangs“, sagt Spinnen daher. Der Wettbewerb sei daher heftig.

Tatsächlich präsentieren sich auf der E-World gleich mehrere Dienstleister für den neuen Energiedienstleistungsmarkt. Und weil der neue Markt auch den Einsatz von Kapital etwa für den Bau von Batterien, Speichern, Datenbanken und weiterer Technologie zur Flexibilisierung der Stromeinspeisung und des Stromverbrauchs verlangt, verweisen die Unternehmen auf neue Kapitalkraft.

Zum Beispiel das neue Bündnis des italienischen Energiedirektvermarkters für erneuerbare Energien, Innowatio und des deutschen Betreibers virtueller Kraftwerke, Clean Energy Sourcing. Die beiden Unternehmen haben mit gegenseitigen Unternehmensanteil-Käufen eine Überkreuzbeteiligung eingerichtet. Nun sehen sie sich mit einem auf gemeinsame 1,6  Milliarden Euro Jahresumsatz angeschwollene Größe als richtig dimensioniert an, um sich europäisch aufzustellen. Das Unternehmer-Bündnis wolle jetzt die Märkte Frankreich und Großbritannien neu angreifen, sagte Clean-Energy-Sourcing-Vorstand Frank Baumgärtner auf einer Pressekonferenz.

Das vor einem Jahr neugegründete Spezialunternehmen SWG in Berlin will sich vor allem als kapitalkräftiger Flexibilisierungshelfer für die Energieversorgung der Stadtwerke mit flexiblen Gaskraftwerken anbieten. Ein von Wertpapierhändlern entwickeltes mathematisches Konzept soll helfen, dass die Erfassung des Regelenergiebedarfs der Stadtwerke besser funktioniert – und das Hauptangebot der SWG für Stadtwerke attraktiv machen: mittelgroße mit Gas betriebene Kraftwärmekopplungsanlagen in der Größenordnung ab 20 bis 200 Megawatt (MW) Leistung. „Wir lassen die selbst bauen, weil wir das Kapital haben, und bieten uns auch als Betreiber für die Stadtwerke an“, sagt der Generalbevollmächtigte der SWG (Strom amp; Wärme GmbH), Markus Rövekamp. Wohl mit einer Art Leasing-Geschäft wollen die Berliner dabei von Partnerunternehmen wie dem finnischen Kraftwerksmotorenspezialisten Wartsila die Technik installieren lassen. Mehrere Fonds und ein privater kapitalkräftiger Investor hätten sich bereits hinter dem neuen Unternehmen als Finanzierer in Stellung gebracht, sagt Röwekamp.

Auch klassische Energiekonzerne wie die Essener Steag GmbH wollen nicht mehr nur mit großer Erzeugung das Geschäft bestreiten. Am Stand des Steinkohlekraftwerksbetreibers erklärt ein führender Manager aus der Technologiesparte der Steag, wie die neu vom Unternehmen selbst entwickelten großen Batteriespeicher mit jeweils 15 MW Leistung auch anderen Energieversorgern bei der Regelung der mit dem Verbrauch abgeglichenen Stromeinspeisung ausreichend helfen können. Steag investiert 100 Millionen Euro in sechs solche Regelenergie-Systeme, also 90 MW. Auch für Windparks ist Steag übrigens ein Investor.

Beim südhessischen Energieversorger GGEW AG indes erklärt der neue Vorstand Carsten Hoffmann, wie sehr sich mittelgroße Regionalversorger dieser Konkurrenz stellen müssen. Das Unternehmen aus Bensheim erzeugt bereits für zwei Drittel seiner Kunden, die im GGEW-Versorgungsgebiet am Odenwald wohnen,den Strom aus Erneuerbare-Energien-Anlagen und insbesondere aus Windparks. Dies ist allerdings nur eine rechnerische Größe, da GGEW auch Deutschland-weit Strom vertreibt – den Strom für das entsprechend größere Volumen kauft sich das Unternehmen als Energiehändler natürlich an den Strombörsen und Stromhandelsplätzen hinzu. „Wir müssen jetzt unsere Hausaufgaben machen“, sagt Hoffmann. Er hat bereits einen weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien angekündigt sowie des Dienstleistungsangebots der GGEW.

(Tilman Weber)