Mehr als 20 verschiedene Technologien, darunter Windkraft- und Photovoltaikanlagen, sind in das einzigartige Energiekonzept eingebunden.Foto: Oliver Heinl
Häufig fehlt Architekten und Bausanierern der Weitblick, wenn es um das Theme Energieeffizienz geht. Kurzfristig preiswerte Heiztechnik und billiges Dämmmaterial werden bevorzugt, obwohl sich erneuerbare Energien und gute Dämmung nach ein paar Jahren schon rechnen. Hinter dem Konzept des Energieparks Hirschaid steht die Idee, den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes von der Herstellung der Baustoffe bis zum endgültigen Rückbau unter ressourcenschonenden und CO2-sparenden Gesichtspunkten zu betrachten und im Hinblick auf die künftige Nutzung Aspekte wie Städteplanung, Barrierefreiheit und öffentliche Verkehrsanbindung einzubringen. Für die Realisierung erzielt der Energiepark eine Zertifizierung als EU-Greenbuilding und den EU-Greenbuilding Award 2014.
Nachhaltige Architektur
Teil des Energieparks mit insgesamt 4.000 m2 Nutzfläche ist eine ehemalige Kunststofffabrik aus den 1970er Jahren. Sie wurde im Innenbereich zunächst in den Urzustand zurückversetzt und anschließend mittels Vollwärmeschutz, neuer Fenster und neuer Heizungsanlage thermisch ertüchtigt. Im Erdgeschoss liegen zwei Konferenzräume, davon einer zum Gebäudeinneren hin komplett verglast, eine Bar inklusive Catering sowie der Organisations- und Sanitärbereich. Foyer, Lounge und Parkgalerie im Obergeschoss runden das Raumangebot des Silos ab. Allein die innenarchitektonische Aufteilung eröffnet bereits viele Möglichkeiten zu Begegnung, Austausch und Kommunikation. Zum eigentlichen Mittelpunkt des Energieparks ist die vormalige Fabrikationshalle avanciert.
Kopplung neuer TechnologienSolartracker und gebäudeintegrierte PV gehören zum Gesamtkonzept. Der Energiepark Hirschaid bei Nürnberg realisiert die Vision eines in jeder Hinsicht ressourcenschonend sanierten Gebäudes.Foto: Oliver Heinl
Ziel der gesamten Energieversorgung des Zentrums war zunächst eine hohe Bedarfsdeckung durch die Eigennutzung erneuerbarer Energien direkt vor Ort. Dazu erforderlich war ein Energiemanagement, das das Zusammenspiel aller Komponenten ermöglicht. Die Einbindung von Sonnenenergie, Grundwasser aus der Erde und Windkraft erfolgt über mehr als 20 verschiedene Technologien. Dachsysteme Photovoltaik, Solare Carports, Speicher, BHKW und Kleinwindkraft sind nur einige der Technologien. Anliegende Bestandsimmobilien wie der ehemalige Baywa Getreidespeicher oder die Baywa Werkstatt sind ebenfalls in das Konzept des Energieparks Hirschaid eingeflossen und damit ein Bestandteil einer künftig angedachten Smart-Grid Vision. Bereits 2009 wurden an diesen Objekten die ersten Photovoltaikanlagen projektiert. Im Sommer 2012 folgten weitere Photovoltaiktechnologien. Ein weiterer Gedanke die Smart-Grid-Vision des Energieparks Hirschaid erfolgreich umzusetzen, wäre die Installation von Energieerzeugungsanlagen sowie Energiespeichern im heute noch ungenutzten, ehemaligen Baywa Getreidespeicher.
Grundwasser-Wärmepumpe als Kernstück
Kernstück der Wärmeerzeugung ist die Grundwasser-Wärmepumpe WB 10CF/W-T des Herstellers Bartl Wärmepumpen. Diese Wärmepumpe ist mit einem speziellen Koaxial-Wärmetauscher ausgestattet. Durch wesentlich größere Querschnitte als bei Plattenwärmetauschern ist dieser unempfindlich gegen Verschmutzungen im Grundwasser. Die widerstandsfähige Kupfer-Nickel-Legierung ist auch gegen aggressive Wasserbestandteile resistent. Daher kann der Wärmetauscher direkt vom Grundwasser durchströmt werden, was kostenintensive Zwischenwärmetauscher überflüssig macht. Diese Eigenschaften boten die ideale Voraussetzung, um eine schon existierende Infrastruktur geschickt in die Energieversorgung einzubinden: Zwei vorhandene Brunnen dienen der Wärmepumpe jetzt als Förder- beziehungsweise Schluckbrunnen, so dass ein Wasserkreislauf von der Entnahme des Grundwassers über den Wärmeentzug um vier Grad Celsius in der Wärmepumpe bis zur Rückführung in die Erde entsteht. Mit einer Leistung von 26,4 Kilowatt, einer Vorlauftemperatur von 35 Grad Celsius bei einer Wassertemperatur von zehn Grad Celsius und einem Scroll-Verdichter arbeitet die Bartl-Wärmepumpe hocheffizient. Im Bedarfsfall lässt sich die Vorlauftemperatur bis auf 62 Grad Celsius erhöhen, damit beispielsweise auch eine legionellenfreie Trinkwassererwärmung möglich ist.
Pufferspeicher mit 6.000 Litern
Zwei gekoppelte Wasserspeicher mit insgesamt 6.000 Litern dienen als Puffer und sorgen für optimierte Laufzeiten. Die Stromversorgung erfolgt sowohl über die hauseigenen Photovoltaikanlagen auf dem Dach, an der Fassade und auf einem Tracker als auch über fünf Windkraftanlagen. Ein automatisch gesteuertes Blockheizkraftwerk, das mit Ökogas betrieben wird, kann bei Bedarf ebenfalls Strom an die Wärmepumpe oder zusätzliche Wärmeenergie liefern. Kombiniert ist die Wärmeversorgung mit einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Diese sorgt mit einer Leistung von 20.000m3 pro Stunde in der Haupthalle für angenehme Klimatisierung. Die Kühlung im Sommer erfolgt ebenfalls mit Hilfe des zehn Grad kalten Grundwassers. Dieses wird in ein Kühlregister geführt und die so gekühlte Luft anschließend in die Anlage geleitet. Für die Vorkonditionierung der Luft in den anderen Räumen wird ein 100 Meter langes Luftbrunnensystem genutzt, das alte Bodenkanäle einbindet.
Zudem wurde im Innenhof des Energieparks eine Photovoltaik-Trackinganlage installiert. Mit einem Fassungsvermögen von 10.000 Liter eignete sich ein ehemaliger Tank hervorragend für das Einbetonieren der massiven Unterkonstruktion. Auf einer Modulfläche von 65m² werden mit 36 Modulen à 250 Watt neun Kilowatt Leistung erzielt. In maximaler Schrägstellung ergibt sich eine Höhe von 9,30 Metern. (Nicole Weinhold)