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EEG

Herzlichen Glückwunsch!

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das am 25. Februar 2000 vom Bundestag verabschiedet wurde und am 1. April in Kraft trat, darf – ohne das Wort überzustrapazieren – historisch genannt werden. Es ist das erfolgreichste Gesetz zur Mobilisierung erneuerbarer Energien auf der ganzen Erde geworden. Mehr als 45 Länder haben seine Grundsätze übernommen, weil sie erkannt haben: Es ist der schnellste denkbare Weg zur Mobilisierung erneuerbarer Energien. Und es ist allen anderen Politikansätzen überlegen. Das EEG hat Deutschland in die Position des Vorreiters gebracht – auch bei der Entwicklung und der industriellen Produktion erneuerbarer Energietechniken.

EEG ist ein lernendes Gesetz


Und das soll so bleiben. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist künftig so zu gestalten, dass sein Erfolg nicht gefährdet wird. Aber mehr noch: Es ist ein lernendes Gesetz, das ständig fortentwickelt werden muss. Letztlich geht es darum, dass Deutschland seinen Energiebedarf so schnell wie möglich vollständig aus erneuerbaren Energien deckt. Das wird bis 2050 möglich sein. Diese Jahreszahl ist keine Utopie, sondern erreichbar, wenn der politische Wille dazu vorhanden ist. Am 50. Jahrestag der Verabschiedung des EEG wird sich dann vielleicht jemand erinnern und diese Tat des Deutschen Bundestags als eine Sternstunde der Energiepolitik einordnen.
Vor nunmehr zehn Jahren beschloss der Bun
destag mit den Stimmen der damaligen Regierungsparteien, der SPD und der Grünen, sowie der PDS und mit einigen Stimmen aus der CDU/CSU-Fraktion das EEG. Wegbereitend war eine Gruppe von Abgeordneten der SPD und der Grünen, zu der Hans-Josef Fell, Michaele Hustedt, Dietmar Schütz und ich gehörten. Doch das Gesetz wurde von Beginn an immer wieder in Frage gestellt und wird auch heute noch ständig in Zweifel gezogen. Denn es widerspricht den herkömmlichen energiewirtschaftlichen Strukturen und den dahinter stehenden Machtinteressen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz hat
einen  Strukturwandel eingeleitet, der unabdingbar und unumkehrbar ist. Dieser  Strukturwandel in der Energieversorgung, der längst begonnen hat und weit gediehen ist, bedeutet: Eine überwiegend zentralisierte Energieversorgung, vor allem mit Strom, wandelt sich hin zu einer dezentralen Energiebereitstellung. Das hängt mit der Natur der Energiequellen zusammen. Es ist ein Strukturwandel weg von einem Brennstoffmarkt hin zu einem Technologiemarkt. Denn bei erneuerbaren Energien, außer bei der Bioenergie, werden alle Brennstoffe kostenlos von der Natur bereitgestellt.

Besorgter Blick nach Berlin


Weil das so ist, muss dieses Gesetz nahtlos weitergeführt werden. Es darf keine Verzögerungen und Behinderungen mehr geben, wie es immer noch versucht wird. Das dauernde Stop-and-go, das es lange unmöglich machte, auf diesem Feld eine industrielle Entwicklung zu beschleunigen, muss durch neue Antriebskräfte und fantasievolle Anreize abgelöst werden. Die Bekenntnisse aus den Reihen der heutigen Regierungsparteien CDU, CSU und FDP, das EEG nicht anzutasten, sind das eine. Die aktuell zu beobachtende Praxis aber lässt daran zweifeln, ob politisch tatsächlich so gehandelt wird. Anlass für solche Besorgnisse bietet die Absicht der Bundesregierung, die staatliche Förderung von Solaranlagen auf Dächern zum 1. Juli 2010 zusätzlich um 16 Prozent und auf Freiflächen um 15 Prozent zu senken. Diese massiven und abrupten Kürzungen schaden den Bürgerinnen und Bürgern, den Handwerkern, den Herstellern und den Forschern. Sie gefährden Arbeitsplätze, behindern den Ausbau erneuerbarer Energien, blockieren positive Tendenzen bei der Wärmeerzeugung und verzögern die Energiewende. Wenn die Solarförderung – gegen den Rat der Fachleute und gegen die Interessen der Wirtschaft – so heruntergefahren wird wie die Bundesregierung es durchsetzen möchte, bewirkt das Stillstand und Rückschritt. Deutschland wäre dann bald nicht mehr Weltmarktführer, sondern die Kon-kurrenten in China und in den USA werden uns bei der Erforschung und Produktion erneuerbarer Energien überholen. Um das zu vermeiden, ist zu hoffen, dass in den parlamentarischen Beratungen der unausgegorenen Gesetzesvorlage eine Lösung gefunden wird, die den Zeitraum der Absenkungen streckt und die Absenkungsschritte gleitend gestaltet.

Vollversorgung ist das Ziel


Das Ziel, den Ausbau der erneuerbaren Energien bis hin zur hundertprozentigen Vollversorgung zu ermöglichen, wird den Brennstoffmarkt allmählich verschwinden lassen. Irgendwann wird er nicht mehr vorhanden sein. Die Förderung der erneuerbaren Energien ist aber nicht zweckmäßig, wenn gleichzeitig das Öl-, Gas-, Kohle- oder Urangeschäft in der Weltwirtschaft aufrechterhalten wird. Woher kommt es, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz trotz seiner unbezweifelbaren Erfolgswirkungen weiterhin in Frage gestellt wird? Die Frage ist: Entspricht diese Praxis unseren Marktprinzipien oder nicht? Es gibt bestimmte, oberflächliche Marktprinzipien, Vorstellungen, die dem Erneuerbare-Energien-Gesetz immer wieder entgegengestellt werden, die einer näheren Betrachtung aber nicht standhalten. Marktprinzip heißt an allererster Stelle, Marktgleichheit zu ermöglichen. Marktgleichheit besteht nicht,  wenn über Jahrzehnte hinweg mit gesetzlichen Privilegien und durch materielle Bevorzugung eine hochkonzentrierte, herkömmliche Energiewirtschaft gefüttert wird und wenn dann im Zuge der Liberalisierung gesagt wird: Jetzt können die hochgepäppelten Energieunternehmen in ihrer politisch gestützten Stellung so weitermachen wie bisher; und neue Energietechnologien sollen gleichzeitig dagegen antreten. Das heißt, es gab und es gibt keine Marktgleichheit.

Wenn es aber aus zwingenden ökologischen und gesellschaftlichen Überlegungen politisches Ziel ist, auf die erneuerbaren Energien umzusteigen, dann muss ein Ausgleich gegenüber der hochkonzentrierten und hochprivilegierten herkömmlichen Energieversorgung geschaffen werden. Dann bedarf es zur Herstellung von Marktgleichheit einer gesonderten Förderung erneuerbarer Energien. Dieser Gedanke liegt dem EEG zugrunde.

Das Gesetz heißt nicht zufällig „Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien“. Genau dies ist sein eigentlicher Sinn. Es ist nicht marktwidrig, sondern es schafft überhaupt erst die Voraussetzungen, dass künftig tatsächlich von einem Energiemarkt geredet werden kann. Es wird auch dazu führen, dass es statt weniger Anbieter sehr viele Produzenten und Anbieter geben wird. Markt heißt nicht: wenige Anbieter oder nur einen Monopolisten mit Millionen Kunden. Markt heißt: möglichst viele Anbieter. Deswegen ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz mit all dem, was es bewirkt hat, ein Weg zu tatsächlichen Energiemarktbedingungen in der Gesellschaft. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, der in der Debatte nicht vergessen werden darf.

EEG ist keine Subvention


Vor dem Hintergrund der Philosophie dieses Gesetzes und seiner Wirkungen müssen unbedingt die richtigen Begriffe verwendet werden. Es ist falsch, im Zusammenhang mit der Einspeisevergütung das Wort „Subvention“ in den Mund zu nehmen. Dieses Wort kommt vielen schnell über die Lippen. In einigen Fällen wird es leichtfertig benutzt; meistens ist es vorwurfsvoll gedacht. Die Einspeisevergütungen, die das Erneuerbare-Energien-Gesetz garantiert, sind keine Subvention! Wer das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom März 2001 zum deutschen Erneuerbare-EnergienGesetz liest, erkennt sofort, dass darin der Faden aufgenommen wurde, der bei der Formulierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Vordergrund stand. Zunächst trifft der Subventionsbegriff der EU auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz nicht zu. Unter einer Subvention im EU-Sinne wird nämlich direkte oder indirekte staatliche Hilfe verstanden. Die gibt es bei der Einspeisevergütung des EEG nicht, denn die öffentlichen Kassen sind gar nicht involviert.
Es gibt aber noch einen anderen Grund, der viel tiefer geht: Bei der garantierten Einspeisevergütung handelt es sich um eine Kaufpflicht, die – mit gewissen Ausnahmen bei Großverbrauchern – alle Stromkunden betrifft. Eine Kaufpflicht kann nur begründet werden, wenn ein zwingendes öffentliches Interesse erkennbar ist. Niemand bestreitet heutzutage  mehr, dass es ein öffentliches Interesse an einer Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien gibt. Das öffentliche Interesse ist also eindeutig gegeben. Dieses öffentliche Interesse wird durch die Kaufpflicht umgesetzt. Wenn in Deutschland heute 16 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien gedeckt werden, heißt das, dass praktisch jeder einzelne Stromkunde in Deutschland zu 16 Prozent Ökostrom bezieht; das ist eine automatische Folge der Kaufpflicht.

Es gibt viele Kaufpflichten


Kaufpflichten im öffentlichen Interesse gibt es zuhauf. Nur ein Beispiel: Wer Auto-fahren will, muss eine Haftpflichtversicherung abschließen. Niemand käme auf die Idee, das eine Subventionierung der Haftpflichtversicherer zu nennen. Es gibt eben ein öffentliches Interesse daran, dass jeder eine Haftpflichtversicherung hat, sodass sich niemand seiner Verantwortung für Schäden, die er verursacht hat, entzieht. Häufig wird der falsche Begriff „Subvention“ im Zusammenhang mit angeblichen Interessen der Verbraucher verwendet. Wenn die Verbraucher – also alle Bürgerinnen und Bürger und damit alle Verbrauchern – etwas subventionieren, dann ist es die herkömmliche Energieversorgung, die ihre tatsächlichen Umwelt- bzw. Sozialschäden nicht bezahlen muss. Das muss dann die Gesellschaft auf ihre Schultern nehmen. Dafür wäre das Wort Subventionierung zutreffend.

Wenn wir Subventionen abschaffen wollen, dann können wir damit gleich anfangen und die immer noch laufende Subventionierung der Atomenergie in Form der Steuerbefreiung und der steuerfreien Rückstellungen, die über 30 Milliarden Euro ausmachen, beenden. Die werden dort angesammelt; damit wird systematisch monopolisiert. Damit werden andere Unternehmen aufgekauft, und dann soll die öffentliche Hand vier Milliarden Euro zahlen, um den ganzen tödlichen Strahlenmüll aus der Asse wieder herauszu-holen. Das ist Subventionierung.

Wir müssen in dieser Debatte einmal die Fakten zurechtrücken, damit wir klar erkennen, worauf es wirklich ankommt und wer hier zu Lasten der Gesellschaft welche Energieformen betreibt. Den erneuerbaren Energien gehört die Zukunft. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz  war ein gewichtiger Schritt, die Zukunft der Energieversorgung auf einen vernünftigen Weg zu bringen.

Dr. Hermann Scheer
sitzt für die SPD im Deutschen Bundestages, ist Präsident von EUROSOLAR – der Europäischen Vereinigung für Erneuerbare Energien, Vorsitzender des Weltrates für Erneuerbare Energien (World Council for Renewable Energy, WCRE) und des Internationalen Parlamentariernetzwerkes für Erneuerbare Energien.