Katharina Wolf
Die Gründe: eine ungewöhnliche Kälteperiode im ersten Quartal und eine Rekordeinspeisung von Windstrom vor allem Ende 2017. Gestern präsentierte die Bundesnetzagentur ihren neuesten Bericht. Den Stromnetzbetreibern stehen vier unterschiedliche Maßnahmen zur Verfügung, um das Netz zu stabilisieren.
Redispatch: Reduzierung und Erhöhung der Stromeinspeisung von Kraftwerken nach vertraglicher Vereinbarung oder einem gesetzlichen Schuldverhältnis mit dem Netzbetreiber unter Erstattung der Kosten sowie Countertrading-Maßnahmen über Börsengeschäfte.
Netzreservekraftwerke: Einsatz von Kraftwerken zur Beschaffung noch fehlender Redispatchleistung aus der Netzreserve unter Erstattung der Kosten.
Einspeisemanagement: Abregelung von Stromeinspeisung aus Erneuerbaren Energien- und KWK-Anlagen auf Verlangen des Netzbetreibers mit Entschädigung
Anpassungsmaßnahmen: Anpassungen von Stromeinspeisungen und/ oder Stromabnahmen auf Verlangen des Netzbetreibers, wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen, ohne Entschädigung.
Durch die Veränderungen der Erzeugung und die gleichzeitigen Verzögerungen im Netzausbau haben diese Netz- und Systemsicherheitsmaßnahmen in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, erklärte die Behörde im aktuellen Bericht zu Netz- und Systemsicherheitsmaßnahmen.
6 GW Zubau Windenergie sorgen für Einspeiserekord
2017 war mit knapp 5 GW Nettozubau Wind an Land und 1,2 GW Zubau offshore ein Rekordjahr gewesen. Das vergangene Jahr war daher nach vorläufigen Angaben der Übertragungsnetzbetreiber das Jahr mit der bislang höchsten Einspeisung aus Windenergieanlagen. Im windreichen vierten Quartal wurden mit 2.307 GWh die bislang höchste Menge an Erneuerbaren Energien abgeregelt, zunehmend auch Offshore-Windparks.
Im windschwachen Jahr 2016 war noch ein Rückgang der netzstabilisierenden Maßnahmen gegenüber 2015 zu verzeichnen, im vergangenen stieg der Bedarf wieder an. Das gesamte Redispatch-Volumen lag bei 20,439 GWh.
Wer ist schuld am Redispatch?
Zwar habe die Thüringer Strombrücke zu einer Senkung des Redispatchbedarfs und der Kosten bei einem zuvor hoch überlasteten Netzelement geführt, erläuterte Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur. Ihre vollständige Inbetriebnahme im September 2017 reduzierte die Überlastung der Leitung „Remptendorf-Redwitz“ von 1.836 Stunden (4. Quartal 2015) auf nur noch rund 18 Stunden (4. Quartal 2017). Doch: „Die Gesamtkosten der Netzstabilisierung stiegen dennoch 2017 auf 1,4 Milliarden Euro an. Nur der Netzausbau kann langfristig die hohen Kosten für die Netz- und Systemsicherheit senken“, so Homann weiter.
Allerdings liegt die Situation nicht unbedingt an der Energiewende: Ausschlaggebend für die hohen Redispatchwerte war vor allem das erste Quartal 2017, heißt es im Bericht der Netzagentur. Es habe unter anderem „eine ungewöhnliche Lastflusssituation in Deutschland und eine europaweite Kälteperiode zu einer starken Belastung der Stromnetze geführt“. Aufgrund der Kälte sei der Energiekonsum besonders hoch, die Einspeisung von Wind- und Solaranlagen niedrig gewesen und einige konventionelle Kraftwerke hätten ungeplant nicht zur Verfügung gestanden, so die Bundesnetzagentur. Vor allem süddeutsche Kohlekraftwerke hätten wegen der niedrigen Pegelstände von Rhein und Neckar nicht mit Brennstoff beliefert werden können. Gleichzeitig fielen Kernkraftwerke in Frankreich aus, so dass die Franzosen mehr Strom aus Deutschland einkauften. Es seien zeitweise alle verfügbaren Markt- und Reservekraftwerke für den Redispatch herangezogen worden, so dass auch die mit dem Einsatz verbundenen Kosten deutlich anstiegen.
Enspannung nur Richtung Österreich
Entwarnung ist vorerst nicht in Sicht. Nur bei der Bereitstellung von Reservekraftwerken geht die Bundesnetzagentur von sinkendem Bedarf und damit Kosten aus. Denn ab 1. Oktober dieses Jahres startet ein Engpassmanagementverfahren zwischen dem deutschen und dem österreichischen Marktgebiet, das die Lastflüsse Richtung Österreich verringern wird.
Dort liegen zwei der am meisten belasteten Netzabschnitte: von Pleinting nach Sankt Peter in Österreich und von Altheim-Sittling ebenfalls nach St. Peter. Während sich hier also die Situation entspannen dürfte, ist für die weiteren stark belasteten Strecken keine Änderung in Sicht. Sie liegen in Nord-Süd-Richtung und sind, wie die Leitungen Brunsbüttel-Hamburg-Nord sowie Dörpen-Hanekenfähr im Emsland, auch für die Aufnahme des Offshore-Stromes zuständig. Allerdings könnte es hier Entlastung geben, wenn das Kernkraftwerk Emsland vom Netz geht, das bis 2022 stillgelegt werden muss und in die Schaltanlage Hanekefähr einspeist.
Den gesamten Bericht der Bundesnetzagentur finden Sie hier.