„Für eine erfolgreiche Energiewende brauchen wir moderne und gut ausgebaute Netze genauso wie den Ausbau erneuerbarer Energien“, betonte Altmaier. Die Stromnetze seien dabei das Herz-Kreislauf-System der Stromversorgung: „Diese muss vom Windrad in der Nordsee bis zur Ladesäule in Bayern zuverlässig funktionieren. Doch beim Ausbau der Netze ist Deutschland im Verzug, das verursacht Kosten für die Verbraucher.“ Altmaier kündigte eine Novelle des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes ‚NABEG 2.0‘ an: „Im Herbst werden wir die Planungsverfahren verschlanken und einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Energiewende leisten.“
Zunächst sollen Optimierung und höhere Auslastung der Netze Engpässe und hohe Kosten für Redispatch verhindern. Wichtige Bausteine seien im von der Deutschen Energieagentur (dena) und des BET Aachen vorgelegten Bericht „Höhere Auslastung des Stromnetzes“ zu finden, heißt es im Netzplan. In dem Bericht werden sieben Maßnahmen identifiziert, die jährlich 200 Millionen Euro Redispatchkosten einsparen sollen. Dazu gehören unter anderem ein konsequentes Monitoring der Freileitungen und die Nutzung neuer Leiterseile, die höhere Ströme und Temperaturen aushalten.
Sicherheit soll nicht leiden
Neue Technologien, die dazu betragen, dass Netz besser auszulasten, sollen sich keinesfalls negativ auf die Versorgungssicherheit auswirken, heißt es in Altmaiers Plan. Eine höhere Auslastung müsse durch wirksame Sicherheitsvorkehrungen begleitet werden. Ein Schlüssel zum besseren Betrieb sei die stärkere Digitalisierung und Automatisierung bis in die Verteilnetze (Smart Grids).
Gleichzeitig sollen die Kosten für das Engpassmanagement deutlich gesenkt werden, unter anderem durch Einbeziehung aller Erzeugungsanlagen - auch der erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung. In einem „optimierten Konzept“ sollen möglichst Erzeugungsanlagen mit der höchsten Netzentlastung abgeregelt werden. Eine „bessere regionale Steuerung des weiteren EE-Ausbaus“ könne ebenfalls der Netzbelastung entgegenwirken.
Netzausbau im Verzug
Diese Optimierungsmaßnahmen machten allerdings nicht den weitere Ausbau überflüssig, heißt es im Netzpapier. Und da ist noch einiges offen: Laut Bundesnetzagentur sind von den 1.800 km Leitungen aus dem 2009 in Kraft getretenen Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG), die in die Zuständigkeit der Länder fallen, sind rund 1.150 km genehmigt und davon rund 800 km realisiert. Die Übertragungsnetzbetreiber rechneten mit einer Fertigstellung von knapp 70 Prozent der EnLAG-Leitungskilometer bis Ende 2020. Die Gesamtlänge der Leitungen, die sich aus dem Ende 2015 novellierten Bundesbedarfsplangesetz ergeben und in Bundes- und Länderzuständigkeit geplant werden, beträgt etwa 5.900 km, von denen 600 km genehmigt und 150 km realisiert sind. Rund 3.050 km entfallen auf Maßnahmen der Netzverstärkung.
Nicht zuletzt deshalb will Minister Altmaier durch ein „vorausschauendes Monitoring“ alle Beteiligten an einen Tisch bringen um anstehende Probleme zu lösen. Gleichzeitig sollen Genehmigungen vereinfacht werden, zum Beispiel Umbeseilung per Anzeigeverfahren ermöglichen.
Gleichzeitig sollen ökonomische Anreize den Netzausbau und die Optimierung beschleunigen. Mit so wörtlich: „kurzfristige chirurgischen Maßnahmen“ soll sich das ändern. In einem zweiten Schritt will Altmaier entscheiden, inwieweit die Anreizregulierung den neuen Herausforderungen anzupassen sei. Dass das nicht ganz einfach sein wird, scheint der Minister zu ahnen: Bei dem Thema seien „dicke Bretter zu bohren“ heißt es wörtlich.
Positive Reaktionen - und Kritik
„Gute Vorschläge“ nannte BEE-Präsidentin Simone Peter den Plan: „Er betont die Notwendigkeit von technischen Optimierungen und einer besseren Auslastung der Netze, wie sie die Erneuerbare-Energien-Verbände seit vielen Jahren fordern.“ Der BEE vermisse allerdings Vorschläge zur Reduktion der konventionellen Mindesterzeugung. „Strom aus inflexiblen, konventionellen Kraftwerken, insbesondere Kohlekraftwerken, darf nicht länger die Netze verstopfen. Ein schneller Kohleausstieg hilft, die Netze spürbar zu entlasten“, so die BEE-Präsidentin. Darüber hinaus bedürfe es weiterer Anreize für die Flexibilisierung der Bioenergie.
Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies forderte hingegen Minister Altmaier auf, für bessere Rahmenbedingungen beim Ausbau der erneuerbare Energien zu sorgen: „Der Bund muss seine Blockadehaltung bezüglich der Energiewende endlich aufgeben und verlässliche Rahmenbedingungen für alle Beteiligten schaffen.“ Niedersachsen erfülle seine Pflicht zum Netzausbau, sagte er, wohl mit blieb auf die Ankündigung, ein verbessertes Monitoring einzuführen.
Stefan Kapferer, Vorsitzender der BDEW-Hauptgeschäftsführung, sieht das Papier grundsätzlich positiv, reagierte aber auf die unterschwellige Kritik an den Netzbetreibern. Im Aktionsplan des Ministeriums werde angedeutet, dass der Netzausbau sich auch deshalb verzögere, da es keine regulatorischen Anreize für einen möglichst schnellen Ausbau gebe. „Diese Sichtweise ist aus unserer Sicht irreführend und lenkt von den eigentlichen Problemen ab. Die Netzbetreiber haben auf zahlreiche Ursachen für die Verzögerungen keinerlei Einfluss. Schon heute tun die Verteil- und Übertragungsnetzbetreiber alles dafür, um die Leitungen schnellstmöglich zu bauen und werben dafür schon heute vor Ort intensiv – im Gegensatz zu manchem politischen Akteur.“ (Katharina Wolf)
Den Netzentwicklungsplan zum Download finden Sie hier.
Eine Karte aller Ausbauvorhaben finden Sie hier.