Das gesamte Energiesystem muss flexibler werden, je mehr die dezentral installierten, volatilen Erzeuger wie Photovoltaik und Windkraft die Versorgung übernehmen. Das gilt sowohl für das Netz als auch den Verbrauch. Denn mit der Sektorkopplung werden auch die Wärmeversorgung und der Verkehr zunehmend elektrifiziert. Doch vor allem die Netze sind immer noch auf große zentrale Großkraftwerke ausgerichtet, die den Lastgang mehr oder weniger unabhängig von natürlichen Bedingungen nachfahren können. Die Energiewende braucht deshalb bessere Regularien für den flexiblen Betrieb von Netz und Verbrauchern. Das ist das Ergebnis einer Studie des Energiemanagementdienstleisters Eaton Electrical im Auftrag der Renewable Energy Association (REA).
Der Gesetzgeber ist gefordert
Die Experten haben vor allem das britische und deutsche Energiesystem hinsichtlich seiner Regelungen für die Flexibilisierung abgeklopft. Sie haben dabei aber auch Vergleiche mit den Systemen in Skandinavien und Frankreich gezogen. „Der Gesetzgeber ist jetzt gefordert, durch veränderte Regularien und Rahmenbedingungen die Anreize zu schaffen, die es für ein Netz braucht, das auf eine mehrheitlich erneuerbare und verteilte Energieerzeugung ausgerichtet ist“, fordert Martin Kram, Geschäftsführer bei Eaton für Vertrieb im europäischen Elektrizitätssektor. „Als Beispiel können hierfür die Nordischen Länder dienen, die in vielen Bereichen bereits wesentlich weiter entwickelt sind als der Rest Europas. Gelingt es uns nicht, zügig die nötigen Infrastrukturen bereitzustellen, ist die Energiewende in Gefahr“, warnt er.
In der Studie, die Eaton zusammen mit der REA als Whitepaper veröffentlicht hat, zeigen die Autoren die konkreten Probleme, die einer Flexibilisierung des Systems noch im Wege stehen. Sie stellen auch Möglichkeiten vor, wie es gelingen kann, das Energiesystem auf die notwendige Flexibilität umzustellen. „Die Kombination aus unzureichenden oder wirkungslosen Infrastrukturplänen, veralteten Marktregeln und falsch gestalteten Netzentgelten bremsen die Einführung flexibler Technologien in den meisten europäischen Märkten“, kommentiert Nina Skorupska, Geschäftsführerin der REA in Großbritannien, die Ergebnisse der Untersuchung.
1. Flexibilitätsmärkte schaffen
So sind unter anderem die Märkte für Flexibilitätsoptionen noch nicht genügend entwickelt. „Ohne Absatzmärkte für das so bereitgestellte Gut Flexibilität werden Investoren ausbleiben“, lautet das Resümee der Autoren. „Zudem müssen diese Märkte so gestaltet sein, dass sich Cashflows auf längere Zeit vorhersagen lassen, etwa durch mehrjährige Verträge. Wo derartige Märkte in Europa bereits existieren, sind sie meistens sehr kurzfristig konzipiert.“
2. Speicherkapazitäten ausbauen
Das führt dazu, dass unter anderem der Ausbau von Speicherkapazitäten weit hinter den Möglichkeiten hinterherhinkt. Auch in der Ladeinfrastruktur für Elektroautos steckt noch viel zu wenig Intelligenz, um die Fahrzeuge als flexible Lasten und Speicher zu nutzen. Bisher ziehen die Autos ihren Strom meist ungesteuert aus dem Netz und haben keinerlei Möglichkeit, diesen wieder in das Netz einzuspeisen. „Die neuesten EU-Vorschriften konzentrieren sich nicht auf Flexibilität, sondern auf die Anzahl der Ladegeräte. Es gibt keine Verpflichtung, zu intelligenten Ladegeräten oder Vehicle-to-Grid-Funktionen“, kritisieren die Autoren des Whitepapers. „Die verzögerte Adaption von Batteriespeichern, Laststeuerung und intelligent ladenden Elektroautos wird die Gesamtsystemkosten erhöhen und den Ausstieg aus fossilen Energieträgern verzögern“, ergänzt Nina Skorupska von REA UK.
3. Kleinere Erzeuger für Strommarkt zulassen
Selbst auf Erzeugerseite ist der Marktzugang noch viel zu sehr auf das alte Energiesystem mit seinen Großkraftwerken ausgerichtet. So kritisieren die Autoren unter anderem, dass beispielsweise in Deutschland erst Erzeuger ab einem Megawatt Leistung als eigenständiger Akteur an Strommarkt teilnehmen kann. Dadurch werden die vielen kleine Produzenten von Sonnen- und Windenergie benachteiligt.
4. Strompreise dynamisieren
Eine weitere Baustelle ist die Einführung von intelligenten Messsystemen, die noch nicht so schnell vorankommt, wie notwendig. Denn mit solchen intelligenten Zählern können die Strompreise dynamisiert werden, indem sie auf die aktuelle Erzeugung abgestimmt werden. Das verändert das Verbrauchsverhalten. „Aus rein altruistischen Motiven und nur durch Apelle wird sich das nicht einstellen“, sind sich die Autoren einig. „Daher bedarf es eines neuen Abrechnungsmodells für Strom, das sich an dynamischen Marktpreisen orientiert.“ Nur mit monetären Anreizen wird die breite Masse der Verbraucher auch sein Verhalten stärker auf die Stromproduktion abstimmen.