Nicole Weinhold
Längst ist klar, dass überschüssige Windenergie dringend langfristig gespeichert werden muss. Power-to-Gas ist gleichzeitig einer der Sinngeber für Wasserstoffmobilität. Carsten Fichter forscht in Bremerhaven zum Thema Speicher.
Warum brauchen wir Speichertechnologien?
Carsten Fichter: Erst einmal ist eine Speicherung von elektrischer Energie nicht sinnvoll. Speicher sind für die ganze elektrische Energiekette weder effizienzsteigernd noch ökologisch oder ökonomisch sinnvoll, weil sie teuer sind und zusätzlich Energie beim Speichern verloren geht. Dennoch sind sie notwendig, da wir das Energiesystem klimafreundlich umstellen müssen – das heißt auf Erneuerbare. Und die sind nun einmal zum Großteil fluktuierend. Dafür sind Speicher unter anderem als Ausgleich erforderlich. Die Stromernte der übers Einspeisemanagement abgeschalteten Windkraftanlagen könnte dann zwischengespeichert werden. 2017 waren das immerhin rund 5,5 Milliarden Kilowattstunden, die verlorengegangen sind. Mit dieser abgeregelten Energie hätten rund 1,6 Mio. 3 Personenhaushalte ein ganzes Jahr versorgt werden können!
Und wenn wir den Klimaschutz ernst nehmen, müssen wir davon ausgehen, dass sich die installierte Leistung der Erneuerbaren bis 2050 verdreifachen oder vervierfachen wird. Dann erhöht sich der Bedarf, fluktuierende Energien zu speichern.
Welche Chance bietet Wasserstoff der Windindustrie?
Seit 2017 werden neue Windprojekte über Ausschreibungen ermittelt. Der Druck in der Branche für neue innovative Lösungen ist daher sehr groß und Planer sowie Betreiber suchen nach neuen Geschäftsmodellen. Speicher passen da mitunter gut ins Konzept. Herausforderungen sind die 2.800 Megawatt Deckel pro Jahr und die Preisschraube. Projektentwickler, die nicht gerade mit der Umsetzung von Projekten aus der Ausschreibung zu tun haben, können Speicher als neues Geschäftsfeld aufbauen.
Wie können Windparkplaner und -betreiber an der Wasserstoffentwicklung teilhaben?
Überall entlang der Wertschöpfungskette: Zu Beginn, bei der Planung und dann beim Betrieb der Anlage kann man zusätzlich zum Windpark einen Elektrolyseur planen, errichten und betreiben. Der Wasserstoff kann dann zum Beispiel in Teilen dem Erdgas beigemischt werden oder man stellt grünes Erdgas (SNG) her. Bei Thema Vertrieb gibt es dann zum Beispiel die Möglichkeit der Vermarktung von Wasserstoff oder den Aufbau von Wasserstoff-Tankstellen sowie Kooperationsmöglichkeiten mit Autovermietern, den die Mobilität ist das Wasserstoffzugpferd des grünen Wasserstoffs.
Welche Nutzungspfade könnten sich am ehesten rentieren?
Für den grünen Wasserstoff ist Mobilität das Zugpferd. Zwar werden rund 85% des Wasserstoffs momentan in der chemischen Industrie und Raffinerien eingesetzt, dies wird sich durch ein größeres Angebot an Wasserstoffanwendungen sehr wahrscheinlich ändern. Grüner Wasserstoff wird wettbewerbsfähig werden, wenn es mehr Elektrolyseure gibt. Dies lässt auch die Herstellungskosten sinken. Treiber der Kosten sind unter anderem Steuern. Hier müssen die Gesetzgeber ran.
Welchen Tipp haben Sie für die Festlegung der Größe des Elektrolyseurs?
Die Größe sollte sich danach richten, wie viele Wasserstoff gebraucht wird. Das heißt: Es ist nicht die Frage, wie viel Windstrom ich in den Elektrolyseur bekomme, sondern wie viel Wasserstoffbedarf auf der Verbraucherseite besteht.
Wie beurteilen Sie die Entwicklungen auf dem Wasserstoff-Fahrzeugmarkt?
Ein Kilo Wasserstoff kostet 9,50 Euro an der Tankstelle. Der Kraftstoffverbrauch ist günstiger als herkömmlicher Kraftstoff. Die Wasserstoffkosten des Toyota Mira schlägt mit rund 7 Euro auf 100 Kilometern zu buche, während ein im Vergleich kleinerer Golf als Benziner rund 8 Euro auf 100 Kilometern Spritkosten aufweist. Jedoch sind die Wasserstoffautos rund 1/3 teurer als herkömmliche Fahrzeuge.
Aber es ist auch ein Henne-Ei-Phänomen: Da bisher nur wenige Autos angemeldet sind, also der Markt winzig ist, sind auch die Preise noch hoch. Je mehr Autos produziert werden, desto günstiger wird es. Für mehr Fahrzeuge brauchen wir jedoch mehr Infrastruktur – Elektrolyseure und Tankstellen, die erst entstehen, das Henne-Ei-Phänomen eben.
Wann werden die Autos attraktiver?
Wenn Tankstellen verfügbar sind, werden auch die Autos attraktiver. 2019 soll es laut H2-Mobility 100 Wasserstofftankstellen in Deutschland geben, 2023 sollen es 400 sein. Das tanken bei Wasserstofffahrzeugen ist im Vergleich zu Elektrofahrzeugen viel schneller und die Reichweiten sind analog wie bei den alten Verbrenneren. Das bedeutet, dass sich der Verbraucher nicht großartig umstellen muss.
Ich bin überzeugt, dass der Markt für Wasserstoffautos größer wird. Denn für weite Strecken sind Batteriefahrzeuge im Nachteil, weil die Batterien immer größer und schwerer werden, wenn sie für lange Strecken gemacht sein sollen. Elektroautos sind daher nach meiner Ansicht eher für Kurzstrecken geeignet. Somit wird es zukünftig wahrscheinlich im Individualverkehr eine Kombination von Batterie für Kurzstrecken und Wasserstoff für Mittel- und Langstrecken geben.
Seit 2017 ist Carsten Fichter Professor für Windenergie und Energiewirtschaft an der Hochschule Bremerhaven. Neben der Lehre leitet Prof. Fichter mehrere F&E-Projekte im Bereich Optimierung des Windenergieanlagenbetriebs, der Speicherung von elektrischer Energie z.B. in Form von Wasserstoff.