Erneuerbare Energien: Herr Schultz, wie viel kann Biogas wirklich leisten? Wir sind ja von unseren Zielen weit entfernt.
Schultz: Das ist klar, im Vergleich zu dem, was in PV und Windkraft passiert ist, sind die Ziele von Biogas und -methan nicht annähernd erreicht worden. Aus verschiedensten Gründen, die etwas mit der Teller-Tank-Diskussion zu tun haben, aber auch mit dem Gefühl vermeintlich hoher Kosten. Und es hat etwas damit zu tun, dass EEG und KWK-Gesetz in einem unglücklichen Verhältnis zu einander stehen. da die Gas-Kraft-Wärme-Kopplung deutlich besser gefördert wird als die Biogas-Kraft-Wärme-Kopplung. Das ist eher ein handwerklicher Fehler, aber so ist es in den Gesetzen angelegt.
Schaffen wir es überhaupt noch, die Ziele zu erreichen?
Bis 2020 werden wir bestimmt nicht mehr sechs Milliarden Normkubikmeter Biogas und -methan ins Erdgasnetz einspeisen. Das wird sich nach hinten verschieben. Entscheidend ist aber für uns, ob man bereit ist, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren und das heißt: Die Systembedeutung von Biomethan anzuerkennen und dann richtig loszulegen. Kontinuität und verlässliche Bedingungen sind wichtig.
Aber sind Sie denn überhaupt in der Lage, die angekündigten Mengen hier im Land zu erzeugen? Sie sprechen ja auch viel von Pipelines aus Osteuropa.
Das Erdgasnetz geht ja nun mal von Sibirien bis Gibraltar. Im Grunde wäre in diesem Netz Biomethanhandel ebenso möglich, wie Erdgashandel stattfindet. Das ist aber im Augenblick nicht der wichtigste Punkt. Wir finden es nur grundsätzlich etwas merkwürdig, dass Deutschland erneuerbare Energien unter einem gewissen Autarkiegesichtspunkt diskutiert – statt den Austausch mit den europäischen Nachbarn zu suchen. Man muss ja nicht gleich mit Russland anfangen.
Aber was die Potenziale angeht, die sechs Milliarden, die die Bundesregierung anvisiert, könnten wir unter deutlicher Zurücknahme von Mais erzeugen, aber auf Basis alternativer nachwachsender Rohstoffe. Wir haben nachgewiesen, dass wir daneben ein Potenzial an Reststoffen haben. Wir haben bioorganische Reststoffe – von der Biotonne bis hin zu Verfallslebensmitteln – in einem gesamten Umfang von etwa acht Milliarden Normkubikmetern. Dazu müsste der Markt allerdings anders organisiert werden. Derzeit bekommen Sie für Reststoffe nur die Grundvergütung. Das ist uninteressant. Während Sie für Mais Spitzenvergütungen bekommen. Wenn man über Teller und Tank redet, dann muss man diese Gruppen gleich behandeln. Dann würden die Reststoffe bald genutzt werden. Das würde uns Zeit geben, die Nutzung alternativer Pflanzen weiter voran zu bringen. Auch die Zuckerrübe ist stark im Kommen, was sehr gut ist.
In England funktioniert die Nutzung von Reststoffen sehr gut. Was machen die Briten anders als wir?
Sie haben bestimmte Lebensmittelpflanzen per Gesetz ausgeschlossen. Dadurch sind sie nur auf Energiepflanzen, die man nicht essen kann, plus Reststoffe angewiesen. Das ist auch in Dänemark so. Das Land setzt Biomethan sehr stark im Transportsektor ein. Bei uns gehen die Reststoffe jetzt teilweise in Müllverbrennungsanlagen. Das ist in Ordnung. Aber in Zukunft wird niemand mehr neue Müllverbrennungsanlagen bauen. Da wird man effizientere Methoden nutzen. Wäre ja nicht schlimm, wenn die Abfallwirtschaft künftig statt Müllverbrennungslagen Biomethananlagen einsetzen würde.
Welche Rolle könnte die Kraftwärmekopplung spielen?
Kleine KWK-Anlagen könnten den Wärmebedarf abbilden und darüber hinaus Überkapazitäten bereit stellen, wenn das Gesamtsystem sie braucht. Wenn die installierte Leistung bei jeder einzelnen KWK-Anlage um 10 oder 20 Prozent erhöht wird, merken Sie in den Betriebskosten praktisch nichts. KWK könnte hiermit langfristig einen großen Beitrag zur Systemstabilisierung leisten. Ob das 25-Prozent-KWK-Ziel der Bundesregierung bis 2020 erreicht wird, ist jedoch mehr als fraglich. Wir sind ja gerade bei rund 15 Prozent. Gleichwohl könnten wir das Ziel fortschreiben auf 30 oder 40 Prozent. Von dem Brennstoff sollte dann ein möglichst hoher Anteil Biogas oder Biomethan sein.
Was muss passieren, damit der Ausbau der Biogas-KWK-Anlagen in Schwung kommt?
Wir brauchen einen Ausgleich der Mehrkosten, die jedes Wirtschaftsjahr im Vorhinein ermittelt werden, die sogenannte Marktprämie. Denn die Vergleichspreise für Erdgas und die Agrarpreise ändern sich. Den Rest muss sich jeder Anbieter regenerativer Energie am Markt holen. Dazu werden sich die entsprechenden Handelsformationen bilden. Das können sie ja zum Teil jetzt schon. Wer nichts verkauft, bekommt auch keine Marktprämie. Überproduktion wird vermieden, vernünftige Großhandelspreise werden entstehen, mit denen die Kosten der Anlagen, auch zum Beispiel von Gaskraftwerken, gedeckt werden können. Zweiter wesentlicher Punkt: Warum sollte irgendjemand freiwillig fluktuierenden Strom kaufen? Das ist kein schönes Produkt. Deswegen wollen wir den Händlern, also den Bilanzkreisverantwortlichen, zusätzlich eine Marktintegrationsprämie geben, wenn sie erkennbar über dem Durchschnitt selber fluktuierenden Strom in ihrem Portfolio haben. Der Nebeneffekt ist, sie brauchen entsprechend viel Bioenergie, um zu einem stabilen Produkt zu kommen. Das Gespräch führte Nicole Weinhold
Mehr zu den Möglichkeiten der Bioenergie, einen wichtigen Beitrag für die Energiewende zu leisten, lesen Sie in der Dezember-Ausgabe von ERNEUERBARE ENERGIEN, ab 2. Dezember am Kiosk.