Nicole Weinhold
Nach alldem, was bisher aus dem Ministerium Scheuer gekommen ist, hätte man eigentlich erwartet, dass diese Untersuchung in einer Schublade verschwindet. Sie passt nicht zu dem Bundesverkehrsminister, der in Talkrunden von seinem Auto schwärmt und Dieselskandale kleinzureden versucht. Jedenfalls: Eine vom Bundesverkehrsministerium beauftragte Studie bestätigt nun das, war längst auf der Hand liegt: Erneuerbare Energien werden nicht nur für den heutigen Stromsektor gebraucht, sondern auch für die künftige Mobilität und den Wärmesektor.
Leitlinien für Energiesystem
Ein Forschungskonsortium unter der Leitung der Kanzlei Becker Büttner Held (BBH) hat Leitlinien für ein solches Energiesystem entwickelt, in dessen Fokus der Verkehrssektor stand. Weitere Mitglieder waren das Fraunhofer ISE, die Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH (LBST) und das Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM). Die Forscher haben für ihre Analyse im ersten Schritt Szenarien für mögliche Transformationspfade entwickelt und dann die Gesamtkosten analysiert. Daraus wurden Handlungsempfehlungen für politische und regulatorische Maßnahmen gestrickt.
Verkehrssektor zunehmend elektrifiziert
Wie die anderen Sektoren auch, wird der Verkehrssektor zunehmend elektrifiziert. Dabei, so die Studienautoren, ist die direkte Nutzung des Stroms in Pkw, Zügen und ggf. Lkw der effizienteste Weg, wenn der Strom möglichst schnell erneuerbar wird.
Glücklicherweise fokussieren sich die Autoren nicht einseitige auf E-Mobilität, sondern denken weiter: "Wegen der zunehmend großen Erzeugungskapazität für Wind- und Solarstrom wird im Verlauf der Entwicklung immer mehr zeitgleich nicht nachgefragter Strom günstig zur Verfügung stehen; er ist einer sinnvollen Verwendung zuzuführen." heißt es in der Studie. Mit Wasserstoff, später auch E-Methan und PtL-Kraftstoff, stünden Energieträger zur Verfügung, die u.a. im Verkehrssektor eingesetzt werden könnten und – neben der Biomasse in ihren Potenzialgrenzen – zur Erreichung der CO2-Minderungsziele beitragen könnten. "Es deutet sich deshalb an, dass jedenfalls die Förderung der grünen Wasserstofferzeugung schon relativ zeitnah u.a. über das hier vorgeschlagene Erneuerbare-Energien-Kraftstoffgesetz (EKraftstoffG) sinnvoll ist, damit günstige Elektrolyseure in ausrei-chender Anzahl und Kapazität verfügbar sind, wenn günstiger grüner Überschussstrom aus Wind- und Solaranlagen zur Verfügung steht, der einer sinnvollen Verwendung zugeführt werden soll", heißt es weiter in der Studie. Zugleich sollte weiter in die Anfänge des Infrastrukturaufbaus für den Wasserstoffeinsatz im Verkehr investiert werden. Hier ist also - nachdem das EEG für Regenerativstrom den Ausschreibungen weichen musste - nun die Idee auf dem Tisch, eine Förderung sauberer Kraftstoffe einzuführen. Das ist erstaunlich, zumal bisher nicht einmal die größten bürokratischen Hürden für Wasserstoff abgebaut wurden (EEG-Umlagebefreiung). Es ist aber auch erfreulich, weil dadurch einfach klar wird, dass nach den Versäumnissen der Vergangenheit nun das Tempo bei der Verkehrswende erhöht werden muss.
Transformationspfade des deutschen Energiesystems bis 2050
Wie ist die Studie entstanden? Eine Basis lieferte das am Fraunhofer ISE entwickelte Energiesystemmodell Re-Mod, um mögliche Transformationspfade des deutschen Energiesystems bis 2050 darzustellen. In 14 Szenarien wurden CO2-Einsparziel, Kohleausstiegsjahr, Anteil an E-Fahrzeugen und weitere Einflussfaktoren untersucht. Erstes Ergebnis: Der Strombedarf steigt trotz Effizienzanstrengungen bis 2050 weiter in die Höhe.
Verbrauchsspitzen nicht immer direkt decken
Aus Kostensicht kann das System Verbrauchsspitzen nicht immer direkt decken, wenn eine geringe Einspeisung aus erneuerbaren Energien erfolgt und gleichzeitig hohe Nachfrage nach strombasierter Wärme und Mobilität herrscht. Darum, so ein Fazit der Untersuchung, sind importierter oder aus grünem Überschussstrom erzeugter Wasserstoff beziehungsweise Methan wichtig, um Erzeugung und Nachfrage zeitlich zu entkoppeln. Darauf basierend wurde die Gesamtkostenanalyse für Pkw, Lkw, Bahn, Schiff und Luftfahrt angefertigt.
Die Forscher haben schließlich konkrete regulatorische Maßnahmen vorgeschlagen, wie Entwicklungen als Teil einer kostengünstigen Transformation herbeigeführt werden: u.a. CO2-Bepreisung, Bonus-Malus-System für Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeuge und eben das EKraftstoffG, damit regenerative Kraftstoffe zur Verfügung stehen, wenn diese vom Energiesystem benötigt werden. Tatsächlich bräuchten wir Maßnahmen wie diese, um Schwung in die stockende Verkehrswende zu bringen. Jetzt ist abzuwarten, wie Scheuer mit den Untersuchungsergebnissen umgeht. Bleibt zu hoffen, dass er sie überhaupt berücksichtigt und nicht stattdessen wichtige Zeit mit überflüssigen Themen wie Maut oder E-Rollern verschwendet.